Übersichtsarbeiten - OUP 06/2016

Die endoprothetische Versorgung zerstörter Hüftgelenke bei juvenilen rheumatischen Erkrankungen*

Stefan Rehart1, Martina Henniger1

Zusammenfassung: Bei Patienten mit juveniler
idiopathischer Arthritis (JIA) besteht häufig ein Befall der Hüftgelenke mit Gelenkdestruktion und entsprechenden Funktionseinschränkungen, sodass die Indikation zur Implantation einer Hüftendoprothese nicht selten gestellt werden muss. Im Vergleich zu Arthrosepatienten sind Patienten mit JIA zum Zeitpunkt der Prothesenimplantation im Schnitt deutlich jünger. Durch Beginn der Erkrankung im Kindes- bzw. Jugendalter und der häufigen Glukokortikoidtherapie sind bei den Patienten nicht selten Wachstumsstörungen bzw. anatomische Formveränderungen zu finden. Auch die Knochendichte ist bei dieser Patientengruppe häufig schon in jungen Jahren gemindert. Der perioperative Umgang mit der besonderen Medikation ist zu planen. Spezielle Implantate für „Rheumatiker“ existieren nicht, aber die oben genannten Besonderheiten dieser Patientengruppe sollte beim operativen Vorgehen, der Implantat- bzw. Materialwahl berücksichtigt werden. Insgesamt sind die Ergebnisse der Hüftendoprothetik bei juvenilen rheumatischen Erkrankungen im Hinblick auf Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung gut. Problematisch ist die begrenzte Standzeit der Prothesen.

Schlüsselwörter: juvenile idiopathische Arthritis, Hüftendoprothese, junge Patienten

Zitierweise
Rehart S, Henniger M: Die endoprothetische Versorgung zerstörter Hüftgelenke bei juvenilen rheumatischen Erkrankungen.
OUP 2016; 6: 364–369 DOI 10.3238/oup.2016.0364–0369

Summary: Patients with juvenile idiopathic arthritis often suffer from involvement of the hip joints with joint destruction and related functional limitations, which makes hip replacement necessary. Compared with osteoarthritis patients, JIA patients are on average much younger at the time of hip replacement. Due to onset of the disease in childhood or adolescence and the frequent glucocorticoid therapy growth disorders or abnormal anatomical findings are common in these patients. Bone density is often reduced in these patients at an early age. The perioperative management of the particular medication has to be planned. Special implants for patients with rheumatic diseases do not exist, but the above peculiarities of this group of patients should be considered for surgical procedure and choice of implant and material. Overall, the results of hip arthroplasty in juvenile rheumatic diseases are in terms of pain relief and functional improvement well. Problem is the limited survival of the arthroplasty.

Keywords: juvenile idiopathic arthritis, hip replacement, young patients

Citation
Rehart S, Henniger M: Hip replacement of destroyed hip joints in
patients with juvenile idiopathic arthritis.
OUP 2016; 6: 364–369 DOI 10.3238/oup.2016.0364–0369

Einleitung

Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises können in jeder Lebensdekade auftreten, es existieren unterschiedliche Altersgipfel. Die häufigste im Kindes- und Jugendalter diagnostizierte chronisch-entzündliche Systemerkrankung ist die juvenile idiopathische Arthritis (JIA). Sie macht etwa 90–95 % der (u.a. am muskuloskelettalen System) entzündlich destruierend verlaufenden Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters aus. In Deutschland leben etwa 20.000 Kinder und Jugendliche mit JIA, pro Jahr erkranken etwa weitere 1500 Betroffene an dieser Erkrankung. Man unterscheidet folgende Subgruppen:

systemische Arthritis (Still-Syndrom) (10–20 %)

juvenile idiopathische Polyarthritis (RF pos/neg) (< 5 %/10–15 %)

juvenile idiopathische Oligoarthritis (50–60 %)

Enthesitis-assoziierte Arthritis (HLA B27 pos) (10–15 %)

Psoriasis-Arthritis (5–10 %)

undifferenzierte Arthritis (10–20 %).

Für die Langzeitprognose der JIA ist besonders wichtig, dass die Erkrankung rasch erkannt wird und die Kinder entsprechend schnell einer umfassenden kompetenten Behandlung zugeführt werden.

Basis aller Therapiemaßnahmen ist eine medikamentöse Therapie. Hierfür stehen Kortikosteroide (lokal und systemisch), NSAR sowie DMARDs zur Verfügung, aber auch Biologika. Begleitend kommen Physiotherapie, Ergotherapie, physikalische Therapie, eine psychologische Behandlung sowie orthopädietechnische Versorgungen zum Einsatz. Bei Versagen oder unzureichender Wirksamkeit dieser konservativen Therapiemaßnahmen sind – je nach befallenem Gelenk – arthroskopische oder offene Synovektomien bzw. Tenosynovektomien indiziert [3, 33].

Etwa 40–60 % der entzündlich-rheumatischen Systemerkrankungen mit Beginn im Kindesalter persistieren bis in das Erwachsenenalter. Die Hüftgelenke sind bei der JIA besonders häufig betroffen, in etwa 30–50 %, in den meisten Fällen besteht ein beidseitiger Befall. Viele Patienten entwickeln dann im jungen Erwachsenenalter Spätschäden an den befallenen Gelenken im Sinne von sekundären Gelenkdestruktionen und schweren Funktionseinschränkungen, die häufig schon sehr früh die Implantation von Endoprothesen notwendig machen.

Aufgrund der in den letzten Jahren – u.a. auch durch die Einführung der Biologika – erheblich verbesserten medikamentösen Therapie der JIA-Patienten, scheint die Zahl der implantierten Hüftendoprothesen bei dieser Patientengruppe abzunehmen und das Alter zum Zeitpunkt der Implantation zuzunehmen. Mertelsmann-Voss et al. berichten im Zeitraum von 1991–2005 von fast 50 % weniger Endoprothesenimplantationen bei JIA-Patienten in den USA sowie einem Altersanstieg von 30,9 (±12,2) Jahre auf 36,7 (±14,9) Jahre [19].

Besonderheiten bei Patienten mit JIA im Hinblick auf eine Prothesenversorgung

Im Vergleich zu Patienten mit einer primären Coxarthrose sind Patienten mit JIA und fortgeschrittener sekundärer Hüftgelenkdestruktion zum Zeitpunkt der Implantation einer Hüftendoprothese (Hüft-TEP) durchschnittlich sehr viel jünger [17, 19, 22]. Die Implantation mit einer solchen Prothese ist zuletzt praktisch immer die einzige Möglichkeit, diesen Patienten wieder Schmerzfreiheit und eine gute Beweglichkeit und Funktion des Gelenks zu gewähren. Gerade im jungen Erwachsenenalter ist dies im Hinblick auf die Lebensqualität und Teilhabe am sozialen Leben der entsprechenden Vergleichsaltersgruppe („peer-group“) von immenser Bedeutung. Bei einer gegebenen Destruktion mit erheblicher Funktionseinschränkung sollte deshalb nicht ungebührlich lange mit der Prothesenimplantation gewartet werden. Dieses erfordert eine möglichst lange primäre Standzeit der Implantate und im Verlauf wahrscheinlich mehrfach notwendige Revisionen. So sind auch die Ansprüche, die ein junger Patient, aufgrund beruflicher oder sportlicher Belastungen an Implantate stellt, meist höher als bei älteren Menschen.

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