Übersichtsarbeiten - OUP 05/2021

Die gefäßbedingte Claudicatio an Armen und Beinen
Ein buntes Potpourri an Differenzialdiagnosen

Die farbkodierte Duplexsonographie ist nach der ABI-Bestimmung die diagnostische Methode der Wahl zur weiteren Abklärung einer IC. Eine Stufendiagnostik mit Untersuchung der A. femoralis, A. poplitea, A. dorsalis pedis und A. tibialis posterior an der unteren Extremität ermöglicht eine auch zeitlich rasche Abklärung. Wichtige differenzialdiagnostische Überlegungen wie Vaskulitis, Aneurysma oder die zystische Adventitiadegeneration, insbesondere an der A. poplitea sind eine „Blickdiagnose“ (Abb. 1–3). Gleiches gilt für die venöse Claudicatio, die als Ausdruck eines schweren postthrombotischen Syndroms nach tiefer Becken- und Beinvenenthrombose auftritt, weswegen in einer kompletten Ultraschalluntersuchung auch eine Untersuchung der Venen beinhaltet sein sollte. Entscheidend ist dann die duplexsonographische Funktions- und Belastungsuntersuchung, wenn sich trotz eindeutig belastungsabhängiger Beschwerden an den Gefäßen in Ruhe, also in Neutral-Null-Stellung, kein Korrelat findet. Insbesondere Beckenarterienste-nosen können eine der Coxarthrose täuschend ähnliche Glutealclaudicatio hervorrufen (Abb. 4). Manchmal ist auch die gezielte Anamnese mit der Frage nach Potenzstörungen hilfreich, um Stenosen der A. iliaca communis oder A. iliaca interna zu detektieren. Funktionsuntersuchungen mit Dorsal- und Plantar-Flexion des Fußes sowie unter Abduktion der Arme (z.B. Roos-Test) bei unklaren Kopf- und Nackenschmerzen, die nach ulnarseitig ausstrahlen, weisen Kompressionssyndrome in der Kniekehle und am Schultergürtel nach (Abb. 5). Ebenso kann das chronische Kompartmentsyndrom durch invasive Druckmessungen, aber auch durch den Ultraschall diagnostiziert werden. Das Sistieren der Beschwerden meist nach einer etwas verlängerten Ruhezeit sowie die Abnahme der Beschwerden bei entsprechender Sportkarenz werden häufig berichtet.

Die Sonographie ist nicht invasiv und beliebig wiederholbar, benötigt allerdings gerade bei Funktionsuntersuchungen Zeit und eine entsprechende Erfahrung des Untersuchers (zertifizierte Untersucher der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin). Sie bietet bislang die einzige Möglichkeit, eine umfassende Aussage zur Morphologie von Gefäßen (B-Bildsonographie) und zur Hämodynamik (Doppler- bzw. Duplexsonographie) gleichzeitig zu erheben.

Weitere bildgebende Verfahren wie die MR-Angiographie, die CT-Angiographie und insbesondere die Digitale Subtraktionsangiographie (DSA) kommen bei nicht eindeutigen duplexsonographischen Befunden, aber insbesondere vor invasiven Maßnahmen zur Anwendung. Vor allem bei Röntgenstrahlung und der Injektion von jodhaltigem Kontrastmittel ist das Risiko gegenüber dem Nutzen abzuwägen (Kontrastmittel induziertes Nierenversagen bis 7 Tage nach Kontrastmittelgabe möglich). Die MR-Angiographie überschätzt vor allem bei verkalkten Stenosen den Stenosegrad und kann aufgrund von Implantaten nicht immer durchgeführt werden.

Die Therapie der umschriebenen pAVK und ihrer Stenosen oder Verschlüsse behandelt nicht die generalisierte Atherosklerose. Daher ist vor allem im Stadium II nach Fontaine, also der IC, ein „best-medical-treatment“ unter Hinzunahme neuer Therapiestrategien entscheidend (z.B. Kombination ASS 100 mg und Rivaroxaban 2 x 2,5 mg täglich, Empagliflozin). Bei der IC muss aufgrund des niedrigen Amputationsrisikos eine Abwägung zwischen Risiko und Nutzen des Eingriffs erfolgen. Daher steht das regelmäßige Gehtraining vom Intervalltyp an erster Stelle. Erst wenn konservative Behandlungsmaßnahmen nicht zum Erfolg führen und der Leidensdruck des Patienten es verlangt sowie eine Verbesserung der Symptomatik und der Lebensqualität zu erwarten ist, kann in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik, Lokalisation, Nutzen-Risiko-Verhältnis ein endovaskulärer oder operativer Eingriff erfolgen. Die medikamentöse Behandlung und gegebenenfalls eine Nikotinkarenz bleiben Grundpfeiler dieser Therapie. Heute sind die offene gefäßchirurgische Operation und interventionelle Behandlungsverfahren mit Ballon oder Stent sich ergänzende Behandlungsoptionen, ggfs. auch als Hybrideingriff. Die revaskularisierende Therapie wird in der Regel von proximal nach distal, also von der Aorta bis zu den Fußgefäßen durchgeführt, abhängig vom Stenosegrad und Aufwand. Die Therapieplanung erfolgt vorzugsweise in einem Zentrum, in dem alle Verfahren zur Verfügung stehen. Die einzelne Therapieoption richtet sich nach dem Lokalbefund, der Morphologie und Komplexität der Gefäßläsion sowie dem Ein- und Ausstrom, sowie möglicherweise vorhandenem Venenmaterial (insbesondere der V. saphena magna) zur Rekonstruktion, den Begleiterkrankungen und dem individuellen Patientenwunsch. Während die Vaskulitis eine Domäne der medikamentösen Behandlung ist und nur im Ausnahmefall aufgrund von konsekutiven Rezidivstenosen und thrombotischen Verschlüssen endovaskulär oder operativ versorgt werden sollte, werden Aneurysmen, Kompressionssyndrome der Kniekehle (Entrapment) und die zystische Adventitia-Degeneration oftmals einer Operation zugeführt. Selbstverständlich ist heute die medikamentöse, aber auch duplexsonographische Nachsorge zur Kontrolle des Therapieerfolges und des Langzeitverlaufes.

Bei nicht rekonstruierbarer pAVK kommen Außenseitermethoden wie die Sympathikolyse mit Durchtrennung, meist interventioneller Zerstörung, des Grenzstranges (Alkoholinjektion) und die Implantation von Neurostimulatoren zur Schmerzbehandlung in Betracht.

Interessenkonflikte:

Karin Pfister: Anwendung Rivaroxaban® (Xarelto), Vortragshonorare Fa. Bayer
Kyriakos Oikonomou, Peter Heiß, Birgit Linnemann, Wilma Schierling: keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
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www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Karin Pfister

Universitäres Gefäßzentrum Ostbayern

des Universitätsklinikums Regensburg (UKR),

Abteilung für Gefäßchirurgie

Franz-Josef-Strauß Allee 11

93053 Regensburg

karin.pfister@ukr.de

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