Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Die instabile Sportlerschulter und ihre therapeutischen Möglichkeiten

S. Reuter1, A.B. Imhoff1

Hintergrund: Instabilitäten des Schultergelenks betreffen häufig Athleten und können zu einer Funktionseinschränkung im Sport führen.

Ziel: In diesem Beitrag werden die Ursachen, die Diagnostik und die Therapiemöglichkeiten bei Instabilitäten des Schultergelenks dargestellt.

Material und Methode: Selektive Literaturrecherche in Pubmed.

Ergebnisse: In der Literatur sind zur Behandlung von Schulterinstabilitäten konservative und operative Therapieverfahren beschrieben. Bei jungen Athleten erfolgt nach Schulterluxation zur Vermeidung einer Instabilität meist die operative Stabilisierung. Die Therapie der multidirektionalen Instabilitäten und der Mikroinstabilitäten wird dagegen zunächst konservativ durchgeführt.

Schlüsselwörter: Schulterinstabilität, Sport, konservative
Therapie, operative Therapie

Zitierweise
Reuter S, Imhoff AB. Die instabile Sportlerschulter und ihre therapeutischen Möglichkeiten.
OUP 2015; 03: 124–127 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0127

Background: Shoulder instability is a common abnormality in athletes that can have a crucial impact on sporting activities.

Study Aim: This article presents the etiology and current concepts for the therapy of shoulder instability in athletes.

Methods: Selective literature search in PubMed.

Results: Surgical and non-surgical options for shoulder instability are described in literature. Surgical stabilization is
recommended in young athletes after traumatic shoulder dislocation. Treatment for multidirectional shoulder instability and micro-instability is initially conservative.

Keywords: shoulder instability, sporting activities, conservative therapy, surgery

Citation
Reuter S, Imhoff AB. Shoulder instability in athletes: Etiology and treatment.
OUP 2015; 03: 124–127 DOI 10.3238/oup.2015.0124–0127

Einleitung

Für viele Sportarten spielt der Bewegungsumfang des Schultergürtels eine entscheidende Rolle. Die Beweglichkeit des Schultergelenks ermöglicht dabei die große Bewegungsamplitude der oberen Extremität. Für die Gelenkstabilität sind statische und dynamische Stabilisatoren verantwortlich. Instabilitäten entstehen bei einer Störung des Gleichgewichts dieser Stabilisatoren. Eine der häufigsten Ursachen für Instabilitäten sind Schulterluxationen. Daraus resultierende Instabilitäten können zu einer dauerhaften Funktionseinschränkung bis hin zum Verlust von Trainings- und Wettkampffähigkeit führen.

Dieser Artikel gibt eine Übersicht über die Diagnostik und die Behandlungsoptionen der Schulterinstabilität bei Sportlern.

Anatomie des Schultergelenks

Aufgrund der birnenförmigen Konfiguration des Glenoids, welches lediglich mit 25 % des Humeruskopfs artikuliert, sind zur Sicherung des glenohumeralen Gelenkkontakts statische und dynamische Stabilisatoren notwendig [13, 16]. Dabei werden die kapsuloligamentären Strukturen und das Labrum glenoidale zu den statischen Stabilisatoren gezählt [10]. Durch die anterioren und posterioren Anteile des inferioren glenohumeralen Ligaments (aIGHL, pIGHL) wird der Humeruskopf bei Abduktions- und Rotationsbewegungen im Glenoid zentriert [8]. Das Labrum glenoidale vergrößert die glenoidale Gelenkfläche. Die Rotatorenmanschette zentriert den Humeruskopf im Gelenk und wirkt als dynamischer Stabilisator [26].

Ätiologie und Pathoanatomie

Es lassen sich verschiedene Instabilitätsformen am Schultergelenk unterscheiden. Neben den akuten unidirektional gerichteten anterioren und posterioren Instabilitäten können multidirektionale- und Mikroinstabilitäten auftreten.

Als Folge einer nach anterior-inferior gerichteten Schulterluxation kann eine anteriore Schulterinstabilität verbleiben. Mit knapp 55 % zählt die Schulterluxation zu den häufigsten sportassoziierten Gelenkluxationen. In 90 % kommt es zu einer begleitenden Avulsion des Labrum-Ligament-Komplexes vom knöchernen Glenoidrand [12]. Die Hill-Sachs-Läsion (posterolaterale Humeruskopf-Impression) tritt im Rahmen einer Erstluxation in bis zu 67 % auf und kann in Folge bei Außenrotations-, Abduktions- und horizontalen Extensionsbewegungen zum Einhaken des Defekts am Glenoidrand („Engaging“) und zur Reluxation führen [22]. Zudem kann es in selteneren Fällen zu Begleitverletzungen wie einer HAGL-Läsion („humeral avulsion of glenohumeral ligaments“), ALPSA-Läsion („anterior ligamentous posterior sleeve avulsion“), Perthes-Läsion oder einer GLAD-Läsion („glenoid-labral articular disruptions“) kommen.

Kapsulolabrale Schädigungen können auch die neuromuskuläre Kontrolle der Schulter beeinträchtigen und damit die Stabilisationsfähigkeit der Schulter gefährden [23].

Rezidivluxationen betreffen vor allem Kontakt-, Überkopf- und Wurfsportler. Darüberhinaus sind Athleten aus sturzgefährdeten Sportarten wie Skifahren, Snowboarden und Skateboarden gefährdet [11, 27]. Nach stattgehabter Erstluxation sind Instabilitäten mit Reluxations-Ereignissen bei 80–100 % der Athleten beschrieben [29, 30, 32].

Im Gegensatz zur anterioren Luxation tritt die posteriore Schultergelenkluxation mit weniger als 5 % aller Schulterluxationen weitaus seltener auf und ist meist Folge einer Krafteinwirkung in Innenrotation und Adduktion [13, 24]. Wiederholte posteriore Subluxationen bei sportartspezifischen Bewegungsmustern von Überkopfsportlern können zu kapsulolabralen Schädigungen und sekundärer posteriorer Instabilität führen [6, 7].

Die multidirektionale Instabilität beschreibt eine glenohumerale Luxation oder Subluxation in mehr als eine Richtung [33]. Im Gegensatz zur posttraumatischen Entstehung einer unidirektionalen Instabilität spielen bei der multidirektionalen Instabilität rezidivierende Mikrotraumata und eine kongenitale Gelenkkapselerweiterung eine Rolle [1, 3].

Bei Überkopf- und Wurfsportlern können auch repetitive Mikrotraumatisierungen zu Verletzungen der aktiven und passiven Schulterstabilisatoren führen. Durch wiederholte Beschleunigungs- und Abbremskräfte während der Wurfbewegung kann es zu morphologischen Anpassungen von kapsuloligamentären Strukturen kommen [26]. Die sportartspezifischen Adapationen der glenohumeralen Bänder und der Gelenkkapsel sind als eine mögliche Ursache dieser Mikroinstabilitäten beim Sportler beschrieben [17]. So kann ein glenohumerales Innenrotations-Defizit mit posteriorer Kapselkontraktur zu Verletzungen der posterioren-superioren Rotatorenmanschetten-Anteile und des posterioren-superioren Labrums führen [8].

Eine anterio-inferiore Kapselerweiterung kann begleitend zur posterioren Kapselkontraktur oder auch isoliert auftreten und eine anteriore Mikroinstabiliät bedingen [5]. Ermüdungserscheinungen der periskapulären Muskulatur durch repetitive sportliche Belastungen mit konsekutiver Dezentrierung des Humeruskopfs werden ebenfalls als Ursache für Mikroinstabilitäten bei Sportlern diskutiert [26].

Diagnostik

Die Beschreibung des Unfallhergangs ermöglicht häufig bereits die Diagnosestellung bei einer akuten Schulterluxation.

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