Übersichtsarbeiten - OUP 03/2015

Die instabile Sportlerschulter und ihre therapeutischen Möglichkeiten

Bei der seltenen posterioren Luxation wird anamnestisch eine direkte axiale Gewalteinwirkung auf den nach vorne ausgestreckten Arm beschrieben. Die weitaus häufigere anteriore Luxation resultiert aus einer Krafteinwirkung auf den außenrotierten und abduzierten Arm [31]. Neben der Untersuchung auf eine neuronale Affektion des N. axillaris und der peripheren Pulse sollten auch knöcherne Strukturen wie Clavicula, Akromion, Tuberkulum majus und Skapula mituntersucht werden.

Die weitergehende Untersuchung ist im Falle einer akuten Luxation meist erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich. Die kapsuloligamentären Strukturen, die Rotatorenmanschette sowie die lange Bicepssehne mit dem glenoidalen Bicepssehnenanker sollten auf Verletzungen getestet werden.

Die spezielle Untersuchung der anterioren Instabilität erfolgt durch den Apprehension-Test, den Relocation-Test sowie den Load-and-Shift-Test. Hierbei wird die Luxationsangst (Apprehension- und Relocation-Test) und die glenohumerale Translation (Load-and-Shift-Test) beurteilt [25]. Zur Beurteilung einer posterioren Instabilität können der Jerk-Test, der posteriore Apprehension-Test sowie der posteriore Load-and-Shift-Test zur Diagnosesicherung beitragen [19].

Bei multidirektionalen Instabilitäten sollte zusätzlich im Gagey-Test und durch das Sulcus-Zeichen eine Schulter-Hyperlaxität überprüft werden.

Der inspektorische Beurteilung auf eine Malposition der Scapula und der Scapula-Assistance-Test ergänzen die klinische Untersuchung.

Bildgebung

Zum Frakturausschluss nach akuten Luxationen dient eine konventionelle Röntgendiagnostik in 3 Ebenen (a.p.-Aufnahme, Y-Aufnahme, axiale Aufnahme) [36]. Zur Objektivierung der Defektgröße bei begleitenden knöchernen Defekten am Glenoid sollte eine (3D)-Computertomografie (CT) durchgeführt werden [20]. Goldstandard zur Beurteilung der kapsuloligamentären Strukturen ist die Magnetresonanztomografie (MRT) (Abb. 1) [35]. Bei chronischen Instabilitäten ist die MR-Arthrografie der nativen MRT-Diagnostik signifikant überlegen [35].

Therapie

Zur weiteren Therapieplanung müssen zum einen die klinischen und radiologischen Befunde herangezogen werden. Darüber hinaus gilt es, beim Sportler besondere Faktoren wie die ausgeübte Sportart und das Sportniveau zu berücksichtigen.

Nach Erstluxation sind Instabilitäten bei jungen Athleten mit Rezidivluxationen in 80–100 % der Fälle beschrieben [30, 32]. Insbesondere bei Kontaktsportathleten sowie Überkopfsportlern besteht ein erhöhtes Risiko für eine chronische Instabilität, sodass ein operatives Vorgehen individuell abzuwägen ist.

Goldstandard der operativen Stabilisierung ist die arthroskopische Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes mit mindestens 3 Fadenankern (Abb. 2) [14, 15]. Auch bei knöchernen Bankart-Defekten (knöcherne anteriore Glenoidläsion) ist eine arthroskopische 2-Punkte oder 3-Punkte Fixierung mit Fadenankern möglich [28].

Liegt ein „Engaging“ des Humeruskopfs am Glenoid vor, kann zusätzlich eine Fixation des M.infraspinatus im Hill-Sachs-Defekt durchgeführt werden („Remplissage“). Die McLaughlin-Operation beschreibt die Fixation des M. subscapularis bei einem „Reversed Hill Sachs Defekt“ [21].

Bei Kontaktsportlern können alternative Verfahren wie offene Knochenspantechniken (z.B. J-Span) oder ein offener/arthroskopischer Transfer des Processus coracoideus (OP nach Bristow-Latarjet) in Betracht gezogen werden (Abb. 3). Diese Verfahren spielen auch bei größeren knöchernen Glenoiddefekten (> 20 % der Glenoidlänge), bei denen eine isolierte Refixation des Kapsel-Labrum-Komplexes keine ausreichende Stabilität gewährleistet, ein Rolle [4]. Bei Kontaktsportlern muss individuell abgewogen werden, ob ein alternatives Verfahren, auch unabhängig vom Vorhandensein von knöchernen Glenoiddefekten, in Frage kommt. Der von Balg und Boileau entwickelte Injury Severity Index Score (ISIS) berücksichtigt zur Therapieplanung verschiedene Faktoren wie die ausgeübte Sportart, das Athletenalter und das Sportniveau [2]. Ab einem ISIS > 6 werden von den Autoren alternative Operationsverfahren (z.B. Bristow-Latarjet-Operation) empfohlen [2].

Die Therapie von Mikroinstabilitäten erfolgt zunächst konservativ, eine operative Therapie ist bei klinisch symptomatischen sekundären Schädigungen der Rotatorenmanschette, Bicepssehnenanker oder der kapsulolabralen Strukturen zu erwägen [26]. Auch bei multidirektionalen Instabilitäten gilt es zunächst durch eine konservative Therapie den skapulothorakalen Rhythmus zu verbessern sowie die periskapuläre Muskulatur und die Rotatorenmanschette zu kräftigen [1]. Operativ kann bei ausbleibendem Therapieerfolg durch einen arthroskopischen Kapselshift das Kapselvolumen sowohl anterior als auch posterior reduziert werden [9, 34].

Fazit

Die Schulterinstabilität als Folge einer Schulterluxation ist eine häufige Verletzung bei Sportlern, und kann zu einer dauerhaften Einschränkung der Schulterfunktion führen.

Aufgrund des hohen Risikos für eine Rezidivluxation wird insbesondere für junge Athleten und Kontaktsportler die operative Therapie empfohlen. Neben der arthroskopischen Schulterstabilisation stehen alternative Verfahren zur Verfügung, die auch bei knöchernen Pfannendefekten ein Rolle spielen. Bei Kontaktsportlern sollte eine knöcherne Augmentation des Glenoids durch einen Korakoidtransfer oder eine Knochenspanplastik als Therapieoption in Erwägung gezogen werden.

Die Therapie der multidirektionalen Instabilitäten und Mikroinstabilitäten wird zunächst konservativ durchgeführt. Bei ausbleibendem Erfolg oder symptomatischen Begleitverletzungen erfolgt die operative arthroskopische Therapie.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. med. Sven Reuter

Klinikum rechts der Isar

Abteilung und Poliklinik für Sportorthopädie

Technische Universität München

Ismaninger Straße. 22

81675 München

sven.reuter@mri.tum.de

Literatur

1. An YH, Friedman RJ. Multidirectional instability of the glenohumeral joint. Orthop Clin North Am. 2000; 31: 275–285

2. Balg F, Boileau P. The instability severity index score. A simple pre-operative score to select patients for arthroscopic or open shoulder stabilisation. J Bone Joint Surg Br. 2007; 89: 1470–1477

3. Beasley L, Faryniarz DA, Hannafin JA. Multidirectional instability of the shoulder in the female athlete. Clin Sports Med. 2000; 19: 331–349, x

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