Originalarbeiten - OUP 11/2013

Die kniegelenknahe Osteotomie
als Alternative zum Gelenkersatz
Valgisation osteotomie of the proximal tibia for joint preservation in unicomartimental knee arthritis

Naturgemäß liegen für die neue Technik der OW-HTO unter Verwendung eines Plattenfixateurs noch keine Langzeitdaten vor. Die bis dato einzigen veröffentlichten Standzeiten zur OW-HTO mit einem Plattenfixateuer weisen mit einer Rate von 92 % nach 10 Jahren auf einen langzeitigen Effekt betreffend der Verbesserung der Kniegelenkfunktion und der Verzögerung der endoprothetischen Versorgung hin [27].

In einer kürzlich publizierten Metaanalyse von Spahn et al. konnte gezeigt werden, dass nach 5–8 Jahren 9 % der Patienten nach OW-HTO auf endoprothetische Versorgung angewiesen waren. Die Konvertierung in eine Kniegelenkendoprothese erfolgte nach durchschnittlich 9,7 Jahren [28].

Teilweise ergeben sich bezüglich der Standzeit nach HTO jedoch erhebliche Differenzen in den verfügbaren Studien. Eine Übersicht über die Standraten nach tibialer Valgisationsosteotomie zeigt Tabelle 1.

Ebenso schwierig einzuordnen ist das funktionelle Outcome nach OW-HTO aufgrund der großen Heterogenität der vorliegenden Literatur im Hinblick auf Operationstechnik, Implantate und verwendete Scores. In Bezug auf die OW-HTO beschrieben Schallberger et al. einen durchschnittlichen KOOS von 84 Punkten nach 16 Jahren [29]. Sterett et al. erzielten nach 5 Jahren einen durchschnittlichen Lysholm-Score von 78 Punkten [30]. Dies entspricht den Ergebnissen der eigenen Arbeitsgruppe [31]. Floerkenmaier et al. veröffentlichten kürzlich mit einem durchschnittlichen Oxford Knee Score von 43 Punkten gute bis sehr gute Ergebnisse nach OW-HTO bei 533 Patienten [32].

Die mediale Open-wedge-Osteotomie ist ein etabliertes Verfahren in der Behandlung junger und aktiver Patienten mit beginnender Varusgonarthrose. Somit ist auch die sportliche Aktivität nach erfolgter OW-HTO von großer Bedeutung. Salzmann et al. konnten ebenso wie Bonnin et al. zeigen, dass eine Rückkehr zum Sport mit gleicher Frequenz und Dauer im Vergleich zur präoperativen Aktivität möglich ist, wobei die Rückkehr zum Leistungs- bzw. Hochleistungssport stark erschwert ist [32, 33]. Im Vergleich zu einem endoprothetischen Gelenkersatz ist der Verschleiß einzelner Komponenten hier nicht von Bedeutung, sodass die OW-HTO das Verfahren der Wahl in der Behandlung junger, aktiver Patienten darstellt.

Kombination mit knorpelchirurgischen Maßnahmen

In Zeiten moderner Möglichkeiten der Regeneration und Rekonstruktion des artikulären Gelenkknorpel ist die Verwendung der Osteotomie heute nicht mehr nur auf die Behandlung der bereits vorliegenden Arthrose beschränkt, sondern wird auch als additives Verfahren in der Behandlung von Knorpelschäden als Kombinationstherapie im Sinne einer begleitenden Ursachentherapie eingesetzt. Diese Möglichkeit der Kombinationstherapie betrifft jedoch nicht den Patienten mit bereits vorliegender Arthrose; einige Studien zeigen, dass bei bereits vorhandener Arthrose im Sinne einer korrespondierenden Gelenkschädigung ein zusätzlicher Nutzen durch eine Kombination der Osteotomie mit einer knorpelregenerativen Maßnahme erzielt werden kann und das in diesen Patienten die isolierte Durchführung einer Osteotomie ausreichend ist [34]. Der Sinn der Osteotomie als Begleittherapie ist vielmehr bei Patienten mit isoliertem, unilateralen, umschriebenen Knorpelschaden zu sehen, welcher für eine knorpelregenerative Therapie zugänglich ist. Neuere Arbeiten zeigen, dass hier bereits ein positiver Zusatzeffekt der OW-HTO zur alleinigen Knorpeltherapie bei Achsabweichungen von nur wenigen Grad zu sehen ist [35]. Die konsequente Empfehlung der begleitenden Osteotomie bei Achsabweichung wird auch in den entsprechenden Empfehlungen der Fachgesellschaften empfohlen [36].

Chronische Bandinstabilität

Sowohl die chronische Insuffizienz des vorderen Kreuzbands (VKB) als auch des hinteren Kreuzbands (HKB) führt mittelfristig zu einem Verschleiß insbesondere des medialen Kompartiments [37, 38]. Ziel der Osteotomie in diesen Kniegelenken ist zum einen die Entlastung des medialen Kompartiments durch Änderung der Geometrie in der frontalen Ebene, zum anderen kann aber auch durch Änderung der Geometrie in der sagittalen Ebene eine gewisse Stabilisierung des Gelenks erreicht werden. Die zentrale Rolle hierbei spielt der tibiale Slope, welcher im Rahmen einer OW-HTO gezielt verändert werden kann [39]. In biomechanischen Arbeiten wurde gezeigt, dass im HKB-insuffizienten Kniegelenk eine Vermehrung des Slopes zu einer Reduktion der spontanen hinteren Schublade und der posterioren Tibiatranslation führt [40, 41]. Daher empfehlen die Autoren bei HKB-Insuffizienz ± posterolateraler Instabilität und Varusgonarthrose als primäre Therapieoption die valgisierende OW-HTO mit gleichzeitiger Erhöhung des tibialen Slopes. Häufig wird hierdurch bereits neben der Schmerzreduktion auch eine ausreichende Stabilität erzielt [42]. Im VKB-insuffizienten Kniegelenk ist der Effekt einer Slope-Reduktion dagegen umstritten, und es wird die OW-HTO bei subjektiver Instabilität meist mit einer VKB-Rekonstruktion kombiniert [43].

Schlussfolgerung

Die valgisierende Open-Wedge-Osteotomie stellt ein Standardverfahren in der orthopädischen Chirurgie zur Behandlung der medialen Varusgonarthrose dar, welches insbesondere bei Patienten mit tibial extraartikulärer Varusdeformität zu zuverlässigen Behandlungsergebnissen führt und den Erhalt des Kniegelenks ermöglicht. Neue Implantate wie winkelstabile Plattenfixateure haben in den vergangenen Jahren zur einer Renaissance des Verfahrens geführt und erlauben eine standardisierte und komplikationsarme Versorgung.

 

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Philipp Niemeyer

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Universitätsklinikum Freiburg

Hugstetter Straße 55

79095 Freiburg

philipp.niemeyer@uniklinik-freiburg.de

Literatur

1. Jackson JP, Waugh W, Green JP. High tibial osteotomy for osteoarthritis of the knee. J Bone Joint Surg Br. 1969; 51: 88–94

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