Originalarbeiten - OUP 01/2012

Die periprothetische Gelenkinfektion: Diagnostik und Therapie
Periprosthetic joint infection: diagnosis and treatment

Hier steht der Prothesenerhalt dem Prothesenwechsel bzw. -ausbau gegenüber. Anhand folgender Faktoren wird das Verfahren gewählt (Abbildung 1):

Stabilität der Prothese

Dauer des Infekts

Keim

Weichteilsituation

Prothesenerhalt

Bei kurzer Infektionsdauer (Frühinfekt, akut hämatogener Infekt), stabiler Prothese, guter Weichteilsituation und sensiblem Keim kann ein prothesenerhaltendes Vorgehen versucht werden. Operativ sollte hierbei möglichst schnell ein offenes Débridement durchgeführt werden, wobei radikal der gesamte Gelenk-raum debridiert und mit Antiseptika gespült wird. Alle modularen Gelenkteile sind zu entfernen. Ein arthroskopisches Vorgehen bleibt nur Sonderfällen vorbehalten (z.B. laufende orale Antikoagulation), da hierbei Infektkontrollraten nur bis ca. 40% beschrieben sind [15]. In der Regel erfolgt nach dem initialen Débridement mindestens ein weiteres, besser noch zwei. Nach erfolgter mikrobiologischer Testung kann die Antibiose testgerecht adaptiert werden. Der prothesenerhaltende Versuch hat bei strenger Indikationsstellung eine Erfolgsrate zwischen 60–100% [16]. Beim Frühinfekt werden in der Regel bessere Resultate erzielt als beim akut hämatogenen. Bei Reinfektion nach prothesenerhaltendem Vorgehen sollte kein weiterer Versuch des Prothesenerhalts versucht werden, da hierdurch die Infektkontrollrate deutlich gesenkt wird.

Prothesenwechsel

Der Prothesenwechsel wird nötig, wenn die Symptomdauer der Infektion die Grenze von drei Wochen überschreitet oder die Prothese im Knochen nicht stabil verankert ist [17]. Nach Ausbau der Prothese kann in der gleichen Sitzung oder zu einem späteren Zeitpunkt
(einzeitiges vs. zweizeitiges Vorgehen) ein Wiedereinbau erfolgen. Bei Vorliegen patientenassoziierter Risikofaktoren (z.B. Drogenabusus) kann auch ein Ausbau ohne Wiedereinbau nötig werden.

Einzeitiger Prothesenwechsel

Der einzeitige Wechsel kann unter der Voraussetzung des bereits präoperativ bekannten Keims mit Resistenzbestimmung erwogen werden. Wesentliche Vorteile gegenüber dem zweizeitigen Wechsel sind hierbei:

keine implantatfreie Zeit

keine Gefahr der Spacerkomplikationen

Nachteile sind:

nur ein Débridement

verlängerte OP-Zeit

 

Neben dem radikalen Débridement stellt die lokale Antibiose den entscheidenden Faktor für den Erfolg der Prozedur dar. Ohne lokalen Antibiotikumträger zeigen sich Reinfektionsraten von knapp 30% [18]. Dies bedeutet somit, dass der einzeitige Wechsel zementiert zu erfolgen hat. Dem Zement darf, aus mechanischen Gründen, maximal 10% seines Trockengewichts an Antibiotikum beigemengt werden.

Zweizeitiger Wechsel

Der zweizeitige Wechsel gilt heute als Goldstandard in der Therapie der periprothetischen Infektion [3]. Er sollte immer dann erwogen werden, wenn oben genannte Verfahren des Prothesenerhalts oder einzeitigen Wechsels nicht möglich sind und es sich zudem um chronische Infekte mit unbekannten oder resistenten Keimen handelt. Wesentliche Vorteile im Vergleich zum einzeitigen Verfahren sind hierbei:

mindestens zwei Débridements

hohe Antibiotikakonzentrationen im Zementspacer möglich

Nachteilig wirken:

temporäre Funktionseinschränkung des Gelenks im prothesenfreien Intervall

Spacerkomplikationen

Zementspacer als Nährboden für multiresistente Keime

 

Das implantatfreie Intervall kann, je nach Schwere der Infektion, zwischen wenigen Wochen bis mehrere Monate betragen, wobei hierbei wenig Evidenz über die genaue Dauer herrscht. Letztlich halten sich viele Autoren an Marker wie den Lokalbefund, Blutentzündungswerte oder Entzündungsszintigraphien, um den Wiedereinbau zu planen [4,17]. Problematisch stellt sich hierbei dar, dass beispielsweise das CRP in bis zu 21% der Fälle bei geplantem Wiedereinbau nach sechs Wochen erhöht sein kann, ohne dass sich dadurch nach durchgeführter Reimplantation die Reinfektionsrate erhöht [19]. Auf die schlechte Spezifität der Szintigraphie wurde bereits oben eingegangen. Viele Autoren empfehlen deshalb eine geplante Punktion des Gelenks (unter mindestens zweiwöchiger Antibiotikakarenz) vor dem Wiedereinbau der Prothese.

Begleitende Antibiose

Die Auswahl des Antibiotikums richtet sich schlussendlich nach folgenden Faktoren:

Keim mit Resistenzlage

Gewebegängigkeit

Bioverfügbarkeit bei oraler Therapie

 

Häufig finden Regime mit biofilmaktiven Substanzen wie Rifampicin oder Makroliden Anwendung (Tab. 6) [3,4,16].

Zur Dauer der postoperativen Antibiose gibt es unterschiedliche Angaben [17]. Neuere Daten favorisieren eine sechswöchige Antibiose nach der letzten OP [20].

Fazit für die Praxis:

Periprothetische Gelenkinfektionen stellen aufgrund der steigenden Anzahl ein zunehmendes Problem dar.

Anamnese, Klinik, Blutparameter, Röntgen und Punktion des betroffenen Gelenks führen in der Mehrzahl der Fälle zur Diagnose.

Therapeutisch sollte bei kurzer Infektdauer (< 3 Wochen), stabiler Prothese und sensiblem Keim ein Prothesenerhalt durch mehrfaches offenes Débridement versucht werden.

Der zweizeitige Wechsel gilt bei chronischen Verläufen als Goldstandard.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Norbert Harrasser

Klinik für Orthopädie und
Sportorthopädie

Klinikum Rechts der Isar der

Technischen Universität München

Ismaninger Straße 22

81675 München

E-Mail: norbert.harrasser@gmx.net

Literatur

[1] Falbrede I, Widmer M, Kurtz S, et al. Verwendungsraten von Prothesen der unteren Extremität in Deutschland und der Schweiz. Orthopäde, Epub ahead of print:1–8, 2011.

[2] Rasanen P, Paavolainen P, Sintonen H, Koivisto AM, Blom M, Ryynanen OP et al. Effectiveness of hip or knee replacement surgery in terms of quality-adjusted life years and costs. Acta Orthop, 78(1):108–115, 2007.

[3] Militz M, Buhren V. [Replacement of infected knee and hip endoprostheses]. Chirurg, 81(4):310–320, 2010.

[4] Leone S, Borre S, Monforte A, et al. Consensus document on controversial issues in the diagnosis and treatment of prosthetic joint infections. Int J Infect Dis, 14 Suppl 4:S67-S77, 2010.

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