Übersichtsarbeiten - OUP 10/2012

Die Sinusvenenthrombose als Komplikation nach single-shot periduraler Injektion: Ein Fallbericht mit Darstellung der Literatur

Differenzialdiagnostisch werden in der Literatur spinaler Abszess, Hämatom, septische/aseptische Meningitis, intracranialer Druck, cerebrales Aneurysma, cerebrales Ödem, Myofasciales Syndrom, Arachnoiditis durch intrathekale Medikamente, neurale Medikamententoxitiät und Spinalis anterior-Syndrom angegeben [1, 7, 11].

Zusatzuntersuchungen

Zusatzuntersuchungen werden nur in besonderen Fällen empfohlen (V.a. Infektion, Blutung, Hygrom, z.B. Gadolinium-gestütztes Schädel-MRT, CT-/MR-Myelographie).

Als Therapie wird laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2008 Koffein oder Theophyllin p.o., bei stärker und länger dauernden Beschwerden auch i.v. empfohlen. Bei Misserfolg wird der epiduraler Eigenblutpatch mit 20 ml in gleicher Punktionshöhe durchgeführt, ein prophylaktischer Bloodpatch wird aufgrund der geringen Datenlage nicht empfohlen [3]. Bei Versagen des Bloodpatch ist die CT-gestützte Applikation von Fibrinkleber nach Lokalisation des Liquorlecks eine Option [2]. Für einen positiven Effekt der Bettruhe gibt es keine Evidenz, Die Rolle der Flüssigkeitssubstitution zur Prävention wird als unsicher eingeschätzt [2, 8, 14, 18, 21].

Eine Sinusvenenthrombose ist ein seltenes, aber gefährliches Leiden mit einer Inzidenz von 3–4 Fällen pro Million Menschen pro Jahr mit einem mittleren Alter von 37–38 Jahren. Frauen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren gelten post partum und aufgrund der Einnahme von Kontrazeptiva als besonders gefährdet [6]. Prädispositionierende Risikofaktoren wie auch in unserem Fall finden sich bei 80 % der Patienten [4]. Die Klinik kann variieren mit langsamer Entwicklung von Kopfschmerz, Erbrechen und Krampfanfällen über Tage oder Wochen, der Beginn kann aber auch plötzlich sein. Über 90 % der Fälle beginnen mit starkem Kopfschmerz, der im Gegensatz zum Postpunktionskopfschmerz als kontinuierlich angegeben wird [9]. Die Erhöhung des D-Dimer gibt einen Hinweis auf eine mögliche Thrombose.

Diagnose der Sinusvenenthrombose

Die sicherste Untersuchung ist die konventionelle Angiographie, an zweiter Stelle steht die CT-Angiographie, die heute meist an erster Stelle nach der konventionellen CT in einer Untersuchung durchgeführt wird (Abbildung 1). Die beste und sensitivste Methode ist die MRT-KM-Venographie, die aber länger dauert und schlechter verfügbar ist [17]. Die Behandlung besteht in der Antikoagulation mit Heparin [6].

Die Hypothese, dass ein Liquorunterdruck-Syndrom zu einer Sinusthrombose führen kann, wurde erstmals 2006 von Savoiardo und Mitarbeitern publiziert [16]. Der Verlust an Liquor wird durch eine Dilatation des venösen Systems kompensiert, die zur Verminderung der Blutflussgeschwindigkeit und damit zur Thrombose führt. Als beweisend sahen die Autoren die Veränderung des Kopfschmerzmusters und das MRT an. Weitere Fallberichte unterstützen diese Theorie und sehen das Risiko insbesondere nach Lumbalpunktionen und bei zusätzlich bestehenden Risikofaktoren für eine Hyperkoagulopathie [10, 24] wie auch in diesem Fall gegeben: Als konkurrierend ursächlich für Sinusvenenthrombose ist eine Prothrombin-Mutation (heterozygote Prothrombin-G20210A-Mutation, ED 09/2007) anzusehen, die der Patient bei der Anamnese nicht angegeben hatte.

Fazit für die Praxis

Der Niederdruckkopfschmerz ist in der Praxis die häufigste Ursache für Kopfschmerzen nach rückenmarksnahen Injektionen, eine genaue Beobachtung ist aber zwingend. Ist der Schmerz konstant und bessert sich beim Hinlegen nicht, so sollte man weitere Diagnostik einleiten und den neurologischen Fachkollegen hinzuziehen. Ein hohes D-Dimer muss an die seltene Komplikation der Sinusthrombose denken lassen, über ein KM-CT oder MRT des Kopfes lässt sich der Sachverhalt zweifelsfrei klären.

Korrespondenzadresse:

Dr. med. Ferdinand Anton Krappel

Orthopädische Chirurgie und
Traumatologie des Bewegungsapparates

Spitalzentrum Oberwallis

Überlandstraße 14

CH-3900 Brig

fkrappel@Yahoo.com

Literatur

1. Abram SE. Treatment of lumbosacral radiculopathy with epidural steroids Anesthesiology 1999; 91; 1937–1941

2. AWMF Leitlinienregister Nr 030/ 113(2008) Diagnostik und Therapie des Liquorunterdruck-Syndroms. Aus: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie 4. Aufl 2008, 654ff.

3. Boonmak P, Boonmak S. Epidural bloodpatching for preventing and treating post-dural puncture headache. Cochrane Database Syst Rev 2010; 20: CD 001791.

4. Bousser MG, Russell RR. Cerebral venous thrombosis. London: WB Saunders 1997

5. Browne IM, Birnbach DJ, Stein DJ, O´Gorman DA, Kuroda M. A Comparison of Espocan® and Tuohy Needles for the combined spinal-epidural technique for labour analgesia. Anaesth Analg 2005; 101: 535–540.

6. Einhaupl K, Bousser MG, De Bruijn SF et al. EFNS Guideline on the treatment of cerebral venous and sinus thrombosis. Eur J Neurol 2006; 13(6): 553–559.

7. Errando CL, Rowlingson JC, Hodgson PS. Transient neurologic syndrome, transient radicular irritation, or postspinal musculoskeletal symptoms: are we describing the same “syndrome” in all patients? Regional Anesthesia and Pain Medicine 2001; 26: 178–180.

8. Ghaleb A. Postdural puncture headache. Anaesthesiology Research and Practice 2010; doi:10.1155/2010/102967.

9. Gupta RK, Jamjoom A AB, Devkota UP. Superior sagittal sinus thrombosis presenting as a continuous headache: a case report and review of the literature. Cases Journal 2009; 2: 9361. doi: 10.1186 /1757–1626–2–9361.

10. Ivanidze J, Zimmerman RD, Sanelli PC. Spontaneous intracranial hypotension followed by dural sinus thrombosis:a case report. Clin Neurol Neurosurg. 2010; 112: 498–500.

11. Horlocker TT. Complications of spinal and epidural and epidural anaesthesia. Anesthesiology Clinics of North America 2000; 18: 461–485.

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