Übersichtsarbeiten - OUP 04/2023

Die Stabilität der Hüftpfannenbeschichtung mit einem Titandrahtnetz in der 3. Generation
Eine Studie an 31 Explantaten mit einer Standzeit von 20 Jahren (16–27 Jahre)

Katharina Koch, Ingo Nolte, Michael Hahn, Andreas Becker

Zusammenfassung:
Langzeitstandfeste zementfreie Hüftpfannen können heutzutage bei alleinigem Verschleiß der Gleitpaarung in situ belassen werden. Der alleinige Austausch des Inlays mit der Double-socket-Technik stellt insbesondere für ein hochbetagtes und vulnerables Klientel ein sehr schonendes Revisionsverfahren dar. Voraussetzung für den Erfolg ist neben einem anatomisch korrekten Sitz des Implantates eine intakte Verbindung zwischen Beschichtung und Pfannenkernschale. Mit dem metallurgischen Pionierverfahren der isostatischen Heißpressung (fiber bonding) wurde vor 50 Jahren erstmals ein dreidimensionaler Geflechtkorb aus Reintitandrähten auf eine Tivaniumkernschale als sogenannte Kontinuumbeschichtung aufgebracht. In den 3 Generationen der Harris Galante I, Harris Galante II und Trilogy-Hüftpfanne ist diese Beschichtung unverändert bis heute in hoher Zahl im Einsatz. Einunddreißig Hüftexplantate mit einer Standzeit von durchschnittlich 20 Jahren und meist abriebinduzierten knöchernen Extrembedingungen zeigten einen Beschichtungsschaden von nur 11 % der hemisphärischen Gesamtoberfläche. Als praktische Konsequenz ist zumindest aus materialtechnischer Sicht das Belassen des Implantates im Stadium Paprosky I, IIa und IIb vertretbar. Der definitionsgemäße superomedial oder superolateral bis zu 3 cm ausgedehnte osteolytische Knochenschaden der Schadensklassifikation Paprosky IIa und IIb geht bei zementfreien Hüftpfannen ohne Pfannenmigration und ohne Beschichtungsschaden einher. Die in diesen Fällen reduzierte Knochenanbindung mit zwangsläufig hoher Kraftverlagerung auf die noch vorhandene äquatorialen Restzonen überfordert die Schichthaftung nicht. Die Implantate der Stadien Paprosky IIc, IIIa und IIIb zeigen teils hochgradige Ablösungen der Beschichtung und sind wegen ihrer Migration und Instabilität vollständig zu entfernen.

Schlüsselwörter:
Zementfreie Hüftprothetik, Heißisostatisches Pressen, metallische Knochengerüste, Titanfasernetzbeschichtung, Schichthaftung von Pfannenbeschichtungen

Zitierweise:
Koch K, Nolte I, Hahn M, Becker A: Die Stabilität der Hüftpfannenbeschichtung mit einem Titandrahtnetz in der 3. Generation. Eine Studie an 31 Explantaten mit einer Standzeit von 20 Jahren (16–27 Jahre)
OUP 2023; 12: 150–155. DOI 10.53180/oup.2023.0150-0155

Summary: Nowadays, cementless acetabular cups that are stable over the long term can be left in situ if only
the bearing couple wears out. The sole exchange of the inlay with the double socket technique is a very gentle revision procedure, especially for elderly and vulnerable clients. In addition to an anatomically correct fit, a prerequisite for success is an intact connection between the coating and the socket core shell. With the pioneering metallurgical process of isostatic hot pressing (fiber bonding) 50 years ago, a three-dimensional mesh made of pure titanium wires was applied to a tivanium core shell as a so-called continuum coating for the first time. In the 3 generations of the Harris Galante I, Harris Galante II and trilogy cup, this coating is still in use today in large numbers. Thirtyone hip explants with an average service life of 20 years and mostly abrasion-induced extreme bony conditions showed a coating damage of only 11 % of the total hemispheric surface. As a practical consequence, leaving the implant in the Paprosky I, IIa and IIb stage is justifiable, at least from a material-technical point of view. The defined superomedial or superolateral osteolytic bone damage of up to 3 cm of damage classification Paprosky IIa and IIb is
associated with cementless acetabular cups without cup migration and without coating damage. The reduced bone connection in these cases with the inevitable high force transfer to the remaining equatorial zones does not overload the layer adhesion. The implants in the Paprosky IIc, IIIa and IIIb stages sometimes show severe detachment of the coating and must be completely removed due to their migration and instability.

Keyword: cementless hip prosthetics, fiber bonding technique, metallic bone scaffolds, titanium fiber mesh coating, layer adhesion of cup coatings

Citation: Koch K, Nolte I, Hahn M, Becker A: The long-term stability of the cup coating with a third-generation titanium wire mesh. A study of 31 explants with a standing time of 20 years (16–27 years)
OUP 2023; 12: 150–155. DOI 10.53180/oup.2023.0150-0155

K. Koch, I. Nolte: Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover – Klinik für Kleintiere

M. Hahn: Institut für Osteologie und Biomechanik (IOBM) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

A. Becker: Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie GFO- Kliniken, Troisdorf

Einleitung

Die Beschichtung zementfreier Implantate ist neben der Implantatgeometrie und der Abriebfestigkeit der Gleitkomponenten der entscheidende osteologische Faktor für ihre Langzeitstandfestigkeit. Mit den um die Jahrtausendwende gebräuchlichen traditionellen Fertigungsverfahren Sintern, Schmieden oder Gießen sowie der Technik der physikalischen Gasphasenabscheidung auf vorgegebenen Gerüsten für die Herstellung von beschichteten Hüftpfannen standen die tierexperimentell und auch klinisch erworbenen osteologischen Erkenntnisse für eine erfolgreiche Primärstabilität und eine solide Langzeitstandfestigkeit von Implantaten zur Verfügung [3, 9, 10, 12, 16, 17, 16]. Die aus der Kernschale der künstlichen Hüftpfannen herausgearbeiteten Strukturen für einen Knochenaufwuchs unterschieden sich grundlegend von den getrennt auf die Kernschale aufgebrachten Beschichtungen. Bei letzteren jedoch wurde unterschieden zwischen dem Aufbringen von Einzelelementen wie Kugeln oder Tripoden und der Gestaltung einer zusammenhängenden Kontinuumbeschichtung, wie sie in klassischer Weise durch das Aufbringen eines dreidimensionalen Titandrahtnetzes bewerkstelligt werden konnte [5].

Mit Einführung des (Selektiven) Elektronenstrahlschmelzens ((Selective) Electron Beam Melting, (S)EBM) und der Entwicklung des elastischen Monoblocks mit Titan- oder Tantalpartikelbeschichtung als Abkehr vom soliden Pfannengrundkörper trat eine technische Wende in der Herstellung und dem Fertigungsverfahren von metallischen Bauteilen aus dem Pulverbett ein [1, 6, 19].

Fragestellung

Eine bisher völlig vernachlässigte Frage betrifft die Langzeitstabilität und Schadenscharakteristik der Schichthaftung einer Kontinuumbeschichtung. Diese Frage hat heutzutage dann erhebliche klinische Relevanz, wenn die Titanschale eines als äußerst solide ausgewiesenen Implantates mit hoher Implantationszahl bei einem abriebbedingten Inlaywechsel belassen werden soll. Der alleinige Austausch eines Inlays in der in situ belassenen Kernschale in Form der Double-socket-Technik setzt bei dem hier meist hochbetagten und vulnerablen Patientenklientel neben der belastbaren knöchernen Fixation der Beschichtung auch eine intakte Verbindung der Kernschale mit dem Titandrahtnetz voraus.

Material und Methode

Implantat und spezifische
Beschichtung

Die hier zu untersuchende zementfreie Hüftpfanne des Typs Harris Galante II steht in der 2. Generation der Pfannenimplantate mit einem aufgeschweißten Titandrahtgeflecht. 1971 legten die von Galante tierexperimentell gewonnenen Ergebnisse den Grundstein für eine mittlerweile fast 50-jährige klinische Anwendung [5].

Das Titandrahtgeflecht besteht aus 5 cm langen und 300 µ dicken Reintitandrähten, die in undulierter Form zu einem korbartigen Drahtgeflecht mit einer Dicke von 1500 µm komprimiert werden. Unter hoher Hitzezufuhr erfolgt die Verbindung mit einer Tivaniumkernschale. Es entstehen zahlreiche punkt- und linienförmige Verschweißungen der Drähte untereinander und mit der Tivaniumkernschale. Die Kernschale hat ein E-Modul von 110–140 GPa, eine Zugfestigkeit von 900–1200 MPa und eine Bruchdehnung von 13–16 %. Demgegenüber steht das Reintitannetz mit einer niedrigeren Zugfestigkeit von 599 MPa, einer gleichstarken Bruchdehnung von 16 % und einem annähernd gleichen E-Modul von etwa 120 GPa. Eine Gesamtporosität von 30 % lässt ein Knochenwachstum bis zu einer Tiefe von 1500 µ zu. Es entsteht ein dreidimensionaler Verbund aus Knochen und Titandrahtgeflecht mit einer ausgeprägten Schichthaftung von 15 GPa zur Kernschale hin (Abb. 1).

Aufbereitung der Explantate

Einunddreißig Pfannenimplantate des Typs Harris Galante mit einer Standzeit von 11–27 Jahren, im Durchschnitt 19,7 Jahre, wurden entfernt. Die Indikation zur Entfernung lag vor, wenn eine Metallkopfperforation die innere Kernschale beschädigt hatte oder eine festsitzende Pfanne in einer ungünstigen Position primär implantiert worden war und einen alleinigen Inlaywechsel nicht zuließ. Gelockerte Hüftpfannen und Implantate mit unsicherer intraoperativer Stabilitätsprüfung wurden ebenfalls entfernt. Die Grobreinigung erfolgte mit dem HiSpeed-Pulse-Lavage-Gerät 6640 der Firma MicroAire® mit einem Druck von 5–7 bar, einer Flussrate von 700–850 ml pro Minute bei einer Pulsrate von 5500 pro Minute und einer Fächersprühspitze mit 30 mm Sprühfeld. Anschließend wurden die Randzonen des Knochen-Titannetzverbundes mittels Ultraschall debridiert. Verwendet wurde das Gerät Sonoca 185® (Fa Söring) mit einer Arbeitsfrequenz von 25 kHz. Unter Verwendung einer speziellen Spatelelektrode waren die Grenzzonen sauber darzustellen (Abb. 2)

Methodik der Flächenmessung

Mittels des optischen Erfassungssystems Scientific Color (SCCO, Fa. DatInf®) mit anschließender Umrechnung der planaren Messergebnisse auf vollhemisphärische Flächen wurden die Schäden an den knochenfreien Zonen der Beschichtung erfasst. Die meßtechnische Genauigkeit der Flächenbestimmung wurde durch die Vierteilung der Hemisphäre mit dann orthograder Ausrichtung des optischen Messsystems auf das Zentrum der einzelnen Viertelhemisphären optimiert.

Histologische Aufarbeitung

Vier Pfannen mit einer Standzeit von 16, 20, 23 und 27 Jahren und unterschiedlichen Größen wurden der histopathologischen Untersuchung zugeführt. Zur Erstellung der histologischen Schliffpräparate mit einer Schichtdicke von 30 µm wurde die unentkalkte Präparationstechnik nach Donath in der modifizierten Form nach Hahn angewendet [4, 7].

Ergebnisse

Periazetabulärer
Knochenschaden

Acht Fälle des Typs Paprosky I, 7 Fälle der Schadensklassifikation Paprosky IIa und 2 Fälle des Typs Paparosky IIb waren nur zuordbar, wenn der typische superomediale oder superolaterale Knochendefekt eine Ausdehnung von unter 3 cm aufwies. In Abänderung der Klassifikation nach Paprosky war es bei den zementfreien Implantaten nicht zu einer Pfannenmigration gekommen (Abb. 3). Neun osteolytische Knochenschäden waren dem Typ Paprosky IIc, 3 Fälle dem Typ Paprosky IIIa und 2 Fälle der Schadensklassifikation Paprosky IIIb zuordbar.

Beschichtungsschaden

Eine intakte Beschichtung konnte in 18 Fällen nachgewiesen werden. In 8 Fällen wurde die umschriebene mechanische Zerstörung von Kernschale und Titandrahtgeflecht durch eine Kopfperforation hervorgerufen. Die von der Innenseite der Kernschale ausgehende Zerstörung führte zu einer lokal begrenzten Ablösung des Titannetzes von durchschnittlich 32 % der Gesamtfläche. In 2 Fällen kam es zu einem Fortschreiten der Schichtablösung weit über das Areal der Perforation hinaus. Der Anteil der zerstörten Beschichtungsareale an der vollhemispherischen Gesamtbeschichtung betrug im Mittel 10,78 % (Abb. 4).

Schadenscharakteristik der 3D-Titannetzbeschichtung

  • a) Intakter Verbund von Kernschale und aufgeschweißter Beschichtung: 18 Explantate (58 %) wiesen keinerlei Beschädigungen an der Beschichtung auf. Sie waren der Schadensklassifikation Paprosky I, IIa und IIb zuzuordnen (Abb. 4).
  • b) Teilabriss des Titandrahtgeflechtes: Kleinere Areale mit fester Osteointegration waren während der anfänglichen Migration und Kippung des Implantates mechanisch überfordert. Die Beschichtung löste sich in 2 Fällen ab und blieb fest im Beckenknochen haften (Abb. 5).
  • c) Überregionaler Beschichtungsschaden nach Penetration ode9r Perforation des Metallkopfes: Der durchschnittliche Beschichtungsschaden in den 8 Fällen nach Metallkopfperforation durch die Kernschale hindurch betrug 32 % der Gesamthemisphäre. Der Schaden der Kontinuumbeschichtung dehnte sich auffälligerweise weit über die Perforationsstelle aus. Es kam in 2 Fällen zu einer Delamination mit Versagen der Schichthaftung bis zur Gegenseite der Perforationsstelle (Abb. 6).
  • d) Vermuteter Herstellungsfehler: In einem Fall kam es nach 16 Jahren zu einer plötzlichen Ablösung der Kernschale aus der gesamten Beschichtung, die fest im Knochen verblieben war. Das Inlay zeigte mäßige Abriebspuren. Hinweise für ein hebelmechanisches Impingement von Pfannenrand und Konus ergaben sich nicht. Verschweißungsstellen von Kernschale und Titandrahtgeflecht waren nur noch am Pfannenpol erkennbar. Die Interpretation dieses Befundes war aus Sicht des Herstellers erschwert, da bei vermuteten Rotationsbewegungen der gelösten Komponenten gegeneinander ein Abschliff von Fiber-bonding-Verbindungen nicht auszuschließen war (Abb. 7).

Histologische Ergebnisse

Die 4 Hüftpfannensegmente mit unterschiedlichen Standzeiten zeigten 3 charakteristische histologische Befunde der knöchernen Anbindung, welche bis zu einer Standzeit von 27 Jahren konstant erhoben werden konnten. Das Unterwachsen des Knochens unter die Brücken der auf der Kernschale meist punktverschweißten Titandrähte war in allen Fällen nachweisbar. Die Anlagerung des Knochens nach Durchwanderung der 1500 µ dicken Titannetzschicht erfolgte unmittelbar an der Kernschale und damit „hinter“ dem Drahtgeflecht. Es entwickelte sich reifer, lamellärer Knochen. Die Tivaniumkernschale gewährleistete nach 27 Jahren noch eine osteotrope Oberfläche für eine vollständige knöcherne Auskleidung. Sie stand in engem Kontakt mit den Drähten aus Reintitan. Verfahrensbedingt wechselte die Dichte des Titandrahtgeflechtes teils mit abruptem Übergang von Zonen erheblicher Drahtfaserdichte bis hin zu Drahtabständen, die das Dreifache des Drahtdurchmessers betrugen. Während der Knochen im engmaschigen Drahtgeflecht den Einzelfasern eng anlag, überbrückte er innerhalb eines großen Porenvolumens die Abstände zu den Drahtfasern durch einen trabekelartigen Knochenanwuchs (Abb. 8).

Diskussion

Die neuere Schadensklassifikation nach Paprosky setzt definitionsgemäß die Migration der Pfanne in den Knochendefekt voraus, wie sie üblicherweise nach der Implantation von zementierten Pfannen eintritt [14]. Im eigenen Krankengut erfüllten die Stadien Paprosky IIc, IIIa und IIIb diese geforderten Kriterien. Der Typ Paprosky IIa und IIb zeigte eine ringförmige, äquatoriale Anbindung mit festem Sitz der Implantate ohne Migration oder Beschichtungsschaden, sodass in diesen Fällen aus rein materialtechnischer Sicht der Erhalt eines korrekt positionierten Implantates vertretbar war. Der Schadenstyp Paprosky IIc zeigte während der Migration der Pfanne einen Abriss der verbleibenden und knöchern fixierten Areale der Beschichtung. Sie waren mechanisch überfordert und rissen von der Kernschale ab. In allen Schadensgruppen sollten daher radiologische Hinweiszeichen auf einen begrenzten Beschichtungsschaden möglichst präoperativ aufgedeckt werden [11].

Acht Perforationen der Kernschale mit überregionaler Ausweitung der Delamination, 2 begrenzte Beschichtungsschäden durch mechanische Überlastung von osteointegrierten Restarealen sowie das Versagen der Schichthaftung durch vermutete Herstellungsfehler führten insgesamt zu einer flächenanteiligen Ablösung der Beschichtung von 11 % von der vollhemisphärischen Kernschale. Die Interpretation der weit über den lokalen Schaden einer Kopfperforation sich ausdehnende Delamination des Drahtgeflechtes war schwierig. Sie musste als typische Komplikationen einer Kontinuumbeschichtung angesehen werden.

Sämtliche Drahtfasern der dreidimensionalen Deckschicht stehen miteinander teils durch Längsverschweißung oder an den Kontaktstellen ihrer Überkreuzungen („knods“) in Verbindung. Tritt an einer Stelle eine Schwächung der Schichthaftung auf, so wird das umgebende dreidimensionale Leitgerüst zwangsläufig in den Ablösungsprozess miteinbezogen. Somit unterscheidet sich die dreidimensionale Titannetzbeschichtung in ihrer Rissausbreitung von den Non-Kontinuumbeschichtungen, wie sie bei einzeln aufgetragenen Tripoden, Monoblock-Trabekulargerüsten, Kugelbeschichtungen und vor allem bei den mit Plasmasprayverfahren aufgebrachten Beschichtungen aller Art vorliegen. Kommt es bei diesen Beschichtungen zu einer fokalen Ablösung, so bleibt die umgebende Deckschicht intakt [2, 15, 18].

Die isostatische Heißpressung be wirkt eine recht konstante Schichtdicke von 1500 µm. Die Gewährleistung der erforderlichen Porosität und der möglichst homogenen Gestaltung der Porenvolumina hingegen ist die Schwachstelle des Herstellungsverfahrens. Eine Porosität von 30 % als Untergrenze wird bei der Herstellung der Beschichtung gefordert. Ein weiterer Nachteil des Herstellungsverfahrens besteht in der Gefahr des Rückzuges von Titandrähten („spring back“) während der Kompression zu einer Halbschale. Ein geringerer Kontakt von aufgeschweißten Einzelfasern auf der Kernschale führt zwangsläufig zur Verringerung der Schichthaftung [13]. Das mechanische Versagen der Schichthaftung des Titandrahtnetzes wurde in der recht spärlichen Literatur nach einer Standzeit von 10–15 Jahren mit 1 % angegeben [8]. Mayman et al. fanden bei einer Standzeit von 10–15 Jahren nur 5 Fälle eines Beschichtungsschadens [11]. Insgesamt legen die Ergebnisse zur Stabilität der Schichthaftung den Schluss nahe, dass das Fiber-bonding-Verfahren zu einer starken Schichthaftung führt, die auch bei extremer Belastung und langer Standzeit in Relation zur Gesamthemisphäre der beschichteten Kernschale nur einen Schaden von 11 % der Beschichtungsfläche aufweist. In den Fällen der Schadensklassifikation Paprosky I, IIa und IIb mit noch stabilem Pfannensitz ist der alleinige Wechsel eines Inlays unter Belassen des Implantates aus rein materialtechnischer Sicht vertretbar. Die Stadien Paprosky IIc, IIIa und IIIb kommen bei nachgewiesener Pfannenlockerung für einen Erhalt des Implantates naturgemäß nicht mehr in Betracht.

Histologisch konnte bis zu einer Standzeit von knapp 3 Jahrzehnten ein kontinuierlicher Knochenumbau nachgewiesen werden. Ein Alleinstellungsmerkmal der Beschichtung resultierte aus dem metallurgischen Verfahren der Verschweißungstechnik. Zwischen den Verschweißungspunkten der gewellten Titandrähte bildeten diese kleine Brücken, die während des fiberbondings nur einen Punktkontakt zur Kernschale gefunden hatten. Unter diesen bogenförmig abgehobenen Titandrähten konnten lamellär strukturierte Knochenbrücken dargestellt werden. Möglicherweise trug diese „durchgreifende“ dreidimensionale Knochenverankerung zu der Langzeitfestigkeit der Pfanne auch unter Extrembedingungen bei.

Zusammenfassung

Der Beschichtungsschaden von 31 künstlichen Hüftpfannen mit Titandrahtbeschichtung betrug nach einer durchschnittlichen Standzeit von 20 Jahren (16–27 Jahre) in Relation zur gesamthemisphärischen Beschichtungsfläche 11 %. Die Schadenscharakteristik lag in 3 verschiedenen Erscheinungsformen vor. In 18 Fällen (58 %) lag ein intakter Verbund vor. In 2 Fällen (6,4 %) lag ein begrenzter Beschichtungsschaden durch mechanische Überlastung der osteointegrierten Restareale vor. In 8 Fällen (25,8 %) war ein Beschichtungsschaden nach Penetration oder Perforation des Metallkopfes durch die Kernschale hindurch mit weit über die Perforationsstelle hinaus fortschreitender Delamination nachzuweisen. In einem Fall (3,2 %) mit kompletter Lösung der Kernschale war ein Herstellungsfehler nicht sicher auszuschließen. Die Schadensgruppen Paprosky IIa und IIb zeigten eine vorwiegend pfannenrandnahe (äquatoriale) knöcherne Anbindung ohne Implantatlockerung oder Beschichtungsschaden. Anhand von histopathologischen Einzelschnitten konnten die allgemeinen histologischen Reaktionen von Knochenumbauvorgängen mit Vorliegen von reifem Knochen bis zu einer Standzeit von 27 Jahren nachgewiesen werden. Diese Befunde beweisen eine langzeitbeständige Osteokonduktion und eine dauerhaft wirksame Mechanoinduktion der flexiblen Beschichtung. Der Nachweis von lamellärem Knochen, der sich unterhalb von Titandrahtbrücken zur Kernschale hin entwickelte, war ein Alleinstellungsmerkmal der Kontinuumbeschichtung. Aus materialtechnischer Sicht einer stabilen Schichthaftung ist das operationstechnisch äußerst schonende Verfahren des Implantaterhaltes in situ mit alleinigem Inlaywechsel in allen Schadensstadien mit noch festem Sitz des Implantates vertretbar. Ein Beschichtungsschaden ist in diesen Fällen nicht zu erwarten.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Katharina Koch

Zur Delle 8

53819 Neunkirchen-Seelscheid

k.koch-lohmar@gmx.de

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