Wissenschaft - Kurzbeiträge - OUP 11/2019

Die Zukunft der Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“

Wolfgang Rüther

Zusammenfassung:

Die Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“ wird mit der Novelle der Weiterbildungsordnung einen durchgreifenden Wandel erfahren, sie wird neu ausgerichtet. Die 3 wichtigsten Neuerungen:
1. Die Zusatzweiterbildung (ZWB) war bisher schwerpunktmäßig operativ orientiert,

sie ist jetzt konservativ geprägt.
2. Die ZWB orientiert sich an der internationalen Definition der Rheumatologie,

soweit es die Bewegungsorgane betrifft.
3. Die ZWB greift alle großen konservativen Subdisziplinen auf. Es sind praktische Erfahrungen nachzuweisen, die über die Kenntnisse aus der Facharztweiterbildung hinausgehen.

Schlüsselwörter:
Weiterbildungsordnung, Orthopädische Rheumatologie, Facharztweiterbildung

Zitierweise:

Rüther W: Die Zukunft der Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“. OUP 2019; 8: 520–522

DOI 10.3238/oup.2019.0520–0522

Summary: In Germany there is an option for orthopedic surgeons to specialize in a field named orthopedic rheumatology. Until now this specialty mainly dealt with rheumatoid arthritis surgery. The continuing education regulations will be reoriented:
1. The specialty orthopedic rheumatology in future will focus on non-surgical treatment of inflammatory, degenerative and metabolic deseases oft the locomotor apparatus.
2. The specialty orthopedic rheumatology now is based on the international definition of rheumatology (WHO).
3. The specialty orthopedic rheumatology will include mainly pharmacotherapy, pain management, orthotics, rehabilitation, manual therapy and osteology.

Keywords: continuing education regulations orthopedic rheumatology

Citation: Rüther W: The future of additional training in „orthopaedic rheumatology“.
OUP 2019; 8: 520–522 DOI 10.3238/oup.2019.0520–0522

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf

ZWB Orthopädische Rheumatologie

Schon der Vergleich der Überschriften der Zusatzweiterbildung (ZWB) 2003 und der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) 2019 gibt den Wandel der Orthopädischen Rheumatologie deutlich zu erkennen. Seit 2003 umfasste die Zusatzweiterbildung Orthopädische Rheumatologie (in Ergänzung zur Facharztkompetenz Orthopädie und Unfallchirurgie) die „Erkennung und operative Behandlung rheumatischer Erkrankungen“. In der Musterweiterbildungsordnung 2019 wird der Aufgabenbereich präzisiert und deutlich erweitert. Die Zusatzweiterbildung Orthopädische Rheumatologie umfasst dort (in Ergänzung zur Facharztkompetenz Orthopädie und Unfallchirurgie) „die Diagnostik und Therapie von degenerativen, entzündlichen und stoffwechselbedingten rheumatischen Krankheiten der Bewegungsorgane“ und die „interdisziplinäre Zusammenarbeit bei komplexen rheumatischen Krankheiten“. Letzteres stellt heraus, dass der Orthopädische Rheumatologe zuständig ist, soweit das muskuloskelettale System betroffen ist; sind innere Organe, Haut, Nervensystem usw. betroffen, sind entsprechende interdisziplinäre Kooperationen einzugehen.

Nach der internationalen Definition umfasst die Rheumatologie „die Krankheiten und Funktionsstörungen der Bewegungsorgane und der angrenzenden Weichgewebe bei entzündlichen, degenerativen und stoffwechselbedingten Krankheiten, einschließlich der inneren Organe und des Nervensystems, soweit sie betroffen sind“. Diese Definition findet sich in der neuen MWBO Orthopädische Rheumatologie jetzt wieder. Arthrosen, Rückenschmerz, Sehnen- und Muskelerkrankungen gehören nach dieser Definition zur Rheumatologie! In diesem Sinne arbeiten in Deutschland die meisten Orthopäden als Rheumatologen, und die meisten Rheumakranken werden von Orthopäden behandelt. Dieser Sprachgebrauch ist in Deutschland ungewohnt, aber sehr europäisch.

Die Musterweiterbildungsordnung stellt zum Begriff „rheumatisch“ klar, dass es degenerative, entzündliche und stoffwechselbedingte rheumatische Krankheiten zu unterscheiden gilt. „Rheumatisch“ und „Rheuma“ kennzeichnen nicht allein die entzündlich-rheumatischen Krankheiten, wie es bisher in Deutschland weithin sprachgebräuchlich war. Die MWBO orientiert sich damit am internationalen Sprachgebrauch.

ZWB jetzt konservativ geprägt

In der MWBO 2019 geht es nunmehr nicht nur um „Erkennung“, sondern um die vollständige Diagnostik rheumatischer Krankheiten – soweit sie die Bewegungsorgane betreffen. Die operative Therapie, die bisher ein zentraler Inhalt der Orthopädischen Rheumatologie war, steht nicht mehr im Vordergrund. Die Anforderungen konzentrieren sich neben der Diagnostik auf die nicht operative Therapie inklusive der Medikation entzündlich-rheumatischer Krankheiten.

Einschluss konservativer Subdisziplinen

Inhaltlich umfasst die neue Orthopädische Rheumatologie Schmerztherapie, Manuelle Medizin, Technische Orthopädie, Osteologie, Rehabilitationsmedizin und entzündlich-rheumatische Gelenkkrankheiten. Die Kenntnisse werden über die Facharztkompetenz hinaus vertieft, praktische Erfahrungen sind für jeden Teilbereich nachvollziehbar nachzuweisen.

Die Anzahl der durchzuführenden Operationen wurde deutlich reduziert, für einen Teil reicht die Assistenz. Charakteristische rheumachirurgische Eingriffe bleiben aber enthalten, um einen ausreichenden Einblick in die operative Seite des Spezialgebietes zu vermitteln.

Die medikamentösen Therapie – auch der entzündlich rheumatischen Krankheiten – stand dem Orthopäden und Unfallchirurgen und dem Orthopädischen Rheumatologen bisher offen, allerdings war diese Kompetenz eher versteckt und unspezifiziert im Teil A der Weiterbildungsordnung niedergelegt. In der MWBO 2019 ist die Medikation entzündlich rheumatischer Gelenkkrankheiten jetzt ausdrücklich aufgenommen und mit der Dokumentation von 50 behandelten Fällen hinterlegt. Diese Kenntnisse sollen „in Kooperation mit internistischen Rheumatologen“ erworben werden, um anerkannten Standards sicher zu entsprechen.

Rheumatologie im Ausland

Im europäischen Ausland hat sich eine muskuloskelettale Medizin entwickelt, die auf 2 verschiedene Fachgebiete aufgeteilt ist. Die Diagnostik und die konservative Therapie liegen in der Hand des „Rheumatologen“ oder „rheumatologist“. Für die operative Therapie ist der „orthopedic surgeon“ zuständig.

Es sei B. Terrier, Baden, aus seinem Vortrag „Rheumatologie in Europa“ beim Baden-Baden-Kongress 2019 zitiert: Die „neue“ Orthopädische Rheumatologie, die jetzt in Deutschland entstehen soll, sei in Frankreich inhaltlich umgesetzt. Die konservative Orthopädie liege heute in Frankreich fest in den Händen der (internistisch ausgebildeten) Rheumatologen, und die Orthopäden und Unfallchirurgen seien die Operateure. Für die Schweiz gelte, dass der Orthopäde so gut wie ausschließlich operativ arbeite. Die konservative Orthopädie liege heute in den Händen von Rheumatologen, die sich allerdings vor allem auf die entzündlich-rheumatischen Krankheiten konzentrieren. Die „alte“ konservative Orthopädie habe stark an Präsenz verloren. Ansätze für eine Orthopädische Rheumatologie von morgen seien in der Schweiz nicht erkennbar.

SEITE: 1 | 2 | 3