Informationen aus der Gesellschaft - OUP 07-08/2015

Eine Reise durch soziale und medizinische Kontraste
Reisebericht über die Deutsch-Lateinamerikanische Fellowship der DGOOC

Die Freude war groß, als wir die Zusage für das Reisestipendium „Südamerika“ der DGOOC erhalten hatten. Schnell konnten wir Beteiligten uns auf eine Reisezeit und Reiseroute einigen: Dank vieler Informationen unserer Vorgänger-Fellows (insbesondere Fr. Dr. Anne Reiss) standen neben Chile Argentinien und Brasilien als Reiseziele fest. Die Reise fand statt vom 10. bis 31. Januar 2015.

Chile

Nach langer Anreise wurden wir beim Anflug auf die chilenische Hauptstadt Santiago mit einem atemberaubenden Blick auf die Kulisse der Anden belohnt. Daneben erwartete uns der südamerikanischen Sommer mit Temperaturen um die 30° und wolkenlosem Himmel. Am Ankunftstag starteten wir eine Erkundungstour zu den Sehenswürdigkeiten Santiagos. Die chilenische Hauptstadt ist mit ca. 5,4 Mio. Einwohnern das bedeutendste Wirtschafts-, Politik- und Kulturzentrum des Landes und beherbergt etwas mehr als ein Drittel der chilenischen Bevölkerung. Mit einem preiswerten und modernen Metrosystem ist die Beförderung in der Stadt problemlos und zügig möglich. Nach einem kleinen Bummel durch die Innenstadt und dem „Mercado Central“, Santiagos Fischmarkt mit köstlichen Meeresfrüchten, bot sich uns auf dem „Cerro San Cristóbal“, einem Aussichtspunkt auf 870 Metern, ein toller Blick über die Weite der Stadt. In einem studentisch geprägten Stadtviertel, dem „Barrio Bellavista“ ließen wir den Tag bei einem typisch chilenischen Asado ausklingen.

Den darauffolgenden Tag verbrachten wir in der renommierten „Clinica Alemana de Santiago“, laut kontinentaler Rangliste eine der „Top 3“-Kliniken in Südamerika. Trotz urlaubsbedingter Abwesenheit von Dr. Felipe Toro, dem Chefarzt der Abteilung „Traumatologia y Ortopedia“, wurde uns ein interessanter und beeindruckender Einblick in das luxuriöse 400-Betten-Krankenhaus für ein ausgewähltes Patientenklientel gewährt.

Am nächsten Tag stand die Weiterreise nach Concepción an. Die gut 400 Kilometer südlich gelegene Küstenstadt ist bei einem schweren Erdbeben 2010 fast vollständig zerstört worden. Die Stadt wurde zwischenzeitlich wieder aufgebaut, u.a. auch die Universitätsklinik. Direkt nach unserer Ankunft wurden wir herzlich von Prof. Ernesto Besser am Hotel begrüßt. Ernesto ist neben seiner leitenden Position im Hospital Traumatológico de Concepción zusätzlich in einer kleinen Praxis tätig und betreut die 3-jährige Facharztausbildung der Uniklinik. Mit einer kleinen Stadtrundfahrt in seinem Privatwagen und einer Besichtigung des Universitätscampus Concepción bekamen wir erste Eindrücke. Anschließend ging es in sein Haus am Rand der Stadt, wo bei chilenischem Carmenère und Essen bis spät in die Nacht der Ablauf der kommenden Tage besprochen wurde.

In der wiederaufgebauten Uniklinik beeindruckten uns moderne Ausstattung und hohe Standards. Bei der morgendlichen Teamvisite auf den Stationen verwunderte, dass viele Frakturen z.T. erst Wochen nach dem Trauma, in der Klinik versorgt werden. Die schlechte medizinische Versorgung im ländlichen Bereich und auch die chilenische Mentalität seien Gründe für das späte Aufsuchen eines Arztes. Elektive Operationen sind aufgrund der eingeschränkten Kapazität auch in Concepción mit langen Wartezeiten verbunden (z.B. bis zu 3 Jahre für eine elektive Hüft-TEP). Im weiteren Verlauf durften wir Ernesto und seinem Team bei traumatologischen und endoprothetischen Operationen assistieren. Erneut beeindruckte die Gelassenheit und Freundlichkeit des gesamten Personals. Abends hielten wir unsere Gastvorträge aus dem klinisch-endoprothetischen Gebiet und der Grundlagenforschung in angenehmer Atmosphäre vor dem gesamten Team der Orthopädie und Traumatologie. Die folgenden Tage verbrachten wir erneut im OP, aber auch in der Praxis von Ernesto. Am Abschlussabend mit den Kollegen vor Ort durften wir neben einer klassischen chilenischen „Parrilla“, einer Fülle von verschiedenen Fleischsorten vom Grill, auch „Pisco Sour“ genießen, einen Traubenschnaps, der mit frisch gepresstem Zitronensaft und Zucker serviert wird.

Das Wochenende verbrachten wir im einige hundert Kilometer südlich von Concepción gelegenen Pucón. Dieser Erholungsort an einem riesigen Gebirgssee wird überragt durch den 2800 Meter hohen aktiven Vulkan Villarica. Ein 4-stündiger Aufstieg (1500 Höhenmeter) durch Schnee und Eis mit einem Temperaturunterschied von 30 Grad belohnte uns mit einem Blick in den rauchenden Krater und einer atemberaubenden Aussicht über die Patagonischen Berggipfel.

Buenos Aires

Einchecken, Abflug, den Blick über die Anden erneut bestaunen und kurz danach Eintauchen in das „Paris des Südens“, die argentinische Hauptstadt! Schon während der Fahrt zum Hotel durch das Zentrum von Buenos Aires konnten wir die vielen traditionellen Bauwerke bestaunen, wie das Theater Colón, die Kirche el Pilar, die Kathedrale, das Rosa Haus, die „Bombonera“ und den Nationalkongress. Auf dem Programm stand der Besuch des Hospital Italiano de Buenos Aires, einem 1854 gegründetem Krankenhaus, durch das die medizinische Versorgung der italienischen Einwanderer sichergestellt werden sollte. Heute ist das Hospital Italiano eine der größten Kliniken in Buenos Aires mit 750 Betten, 40 medizinischen Fachbereichen und 2700 angestellten Ärzten. Bei einer Führung durch die Abteilung der Orthopädie und Unfallchirurgie konnten wir einen Eindruck von der Größe der Klinik erhalten. Den ersten Tag verbrachten wir in der Ambulanz von Dr. Lampropulus, mit dem Schwerpunkt in der Kinderorthopädie. An den Folgetagen stand der Besuch der Ambulanzen und Operationssäle auf dem Plan. Die wöchentlich durchgeführte morgendliche Fallbesprechung beeindruckte durch eine Vielzahl komplexer Krankheitsbilder und aufwendiger Versorgungen. Prof. Dr. Sancineto leitet als Chefarzt die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und präsentierte uns schwierige Fälle mit posttraumatischen Arthrosen, Infektpseudarthrosen und endoprothetischen Revisionsoperationen. Der Behandlungsstandard in dieser Klinik ist sehr hoch, wir erfuhren aber auch, dass es gerade in ländlichen Kliniken an vielen Dingen mangelt und die Kollegen mit etlichen Widrigkeiten zu kämpfen haben. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass Vieles in gleicher Art und Weise wie bei uns versorgt wird. Nach einem abschließendem Gespräch mit Prof. Dr. Sancineto und einem gemeinsamen offiziellen Foto verließen wir das Hospital Italiano und die argentinische Hauptstadt mit vielen tollen Eindrücken im Gepäck.

Rio de Janeiro

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