Originalarbeiten - OUP 02/2012

Eine Untersuchung zur Wirkung der Stochastischen Resonanztherapie (SRT-Zeptoring)
auf die Knochendichte, Rumpfkraft und Koordination bei Senioren
Effects of stochastic resonance therapy on bone density, trunk muscle strength,

M. Dittrich1, G. Eichner1, D. Schmidtbleicher2, W. F. Beyer1

Zusammenfassung: In einer kontrollierten Studie (93 Patienten im Alter von über 60 Jahren, 41 Patienten in der Interventionsgruppe) über einen Zeitraum von 3 Monaten konnten mit der Stochastischen Resonanztherapie nennenswerte Steigerungen bei der isometrischen Rumpfkraft sowie im motorischen Bereich erzielt werden. Neben einer Steigerung der Maximalkraft für Flexion und Extension verminderten sich auch die muskulären Dysbalancen der Rumpfmuskulatur. Im Bereich der Knochendichte wurde nach dem Follow-up von 3 Monaten keine signifikante Änderung erreicht. Jedoch konnte eine verbesserte Gleichgewichts- und Reaktionsfähigkeit erzielt werden, so dass eine Verminderung des Sturzrisikos anzunehmen ist. Die Ergebnisse der Studie sprechen dafür, dass die Stochastische Resonanztherapie dazu beitragen kann, die Alltagsmotorik und Körperhaltung älterer Menschen zu verbessern bzw. zu erhalten.

Schlüsselwörter: Stochastische Resonanztherapie, Knochendichte, Rumpfkraft, Gleichgewicht, Alter

Summary: In a controlled study (93 patients aged over 60 years, 41 subjects in the intervention group) over a period of 3 months significant increases in isometric trunk strength as well as in the field of motor function could be achieved with the stochastic resonance therapy. Apart from an increase in maximum strength for flexion and extension, also the muscular imbalances of the trunk muscles could be reduced. In the field of bone density no significant change could be achieved after the follow-up of 3 months. The results of this study suggest that the stochastic resonance therapy can help to improve or preserve the everyday motor function and posture of elderly people. Even an improved balance and responsiveness could be achieved so that a reduction in the risk of falling can be assumed.

Keywords: stochastic resonance therapy, bone density, muscle strength, body balance, age

Einleitung

Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland ist in Zukunft mit wachsender Pflegebedürftigkeit und einem Mehrbedarf an Therapie- und Pflegepersonal etc. zu rechnen. Die stetig steigende Zahl der Älteren macht die evidenzbasierte Forschung im Bereich der Prävention und möglichst langen Erhaltung der Selbstständigkeit zu einer zentralen Aufgabe. Insbesondere das Thema „gerontologische Therapiemaßnahmen“ soll mit dieser Studie aufgegriffen, und mögliche Schlussfolgerungen zur Wirkung der Stochastischen Resonanztherapie auf den Prozess des Alterns (Seneszenz) sollen dargestellt werden. Die natürliche Seneszenz ist vor allem durch eine Degeneration der physischen und psychischen biologischen Systeme gekennzeichnet. Speziell die zunehmende Multimorbidität im Alter, die nicht nur genetische, sondern auch erworbene Ursachen hat, rückt die Suche nach Retardierungs- bis Stagnationsstrategien gegen diesen allmählichen Abbau auch aus Kosten-Nutzen-Sicht in den Vordergrund. Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung sowie vermehrte Risikofaktoren in Kombination mit den biologischen Abbauprozessen konnten in mehreren Studien als Ursachen für einen vermehrten Verlust von Muskelkraft, Muskelleistung, Koordination und Knochendichte mit zunehmendem Alter nachgewiesen werden. Um diesen Prozessen entgegenzuwirken, ist es besonders wichtig, speziell die Stütz- und Zielmotorik zu aktivieren bzw. das posturale System zu stimulieren und den Knochenstoffwechsel anzuregen. Daher steht in der Osteoporoseprävention bei Älteren ein gezieltes Kraft- und Gleichgewichtstraining im Mittelpunkt der Therapie. Zahlreiche Studien haben bewiesen, dass oszillierende Interventionen in diesem Bereich neue Therapiemöglichkeiten eröffnen [1, 2, 3, 4]. Mithilfe der Stochastischen Resonanztherapie wird eine mechanische Stimulation von außen provoziert, bei der Schwingungen durch den Körper geleitet werden [4]. Dieser Reizsetzung wird eine positive Wirkung speziell auf die Propriozeption zugesprochen, wobei diskutiert wird, ob nicht alle sensorischen Rückmeldungen (propriozeptiv, exterozeptiv, vestibulär etc.) eine zentrale Rolle bei der Verbesserung der Koordination spielen. Zusätzlich kommt es durch die provozierten tonischen Vibrationsreflexe in kurzer Zeit – vermutlich bedingt durch eine Koaktivierung von Agonisten und Antagonisten – zu einer größeren Kraftentwicklung in der Muskulatur und dadurch zu größeren Kräften, die auf die Knochen einwirken. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit sich eine Stochastische Resonanztherapie positiv auf die Knochendichte, die Rumpfkraft und die Koordinations- bzw. Gleichgewichtsfähigkeit auswirken kann.

Studiendesign und Untersuchungsmethode

Es handelt sich um eine prospektive, kontrollierte Studie im Zwei-Gruppen-Prä(t1)-/Post(t2)-Design mit dreimonatigem Follow-up (t3). An dieser Studie nahmen 93 Frauen und Männer aus der Umgebung von Bad Füssing teil. Davon trainierten 13 männliche und 28 weibliche Freiwillige über eine Gesamtdauer von drei Monaten dreimal pro Woche auf dem Interventionsgerät (Abb. 1). Pro Trainingseinheit wurden verschiedene Übungen (n = 4) in jeweils drei Serien à 45 bzw. 60 Sekunden (pro Übungsdurchführung) mit 30-sekündiger Pause und einer definierten Intensität (Schwingungsfrequenz in Hertz) durchgeführt. Alle Teilnehmer erhielten aus einem Pool von 15 Übungen ein individuell angepasstes und dokumentiertes Trainingsprogramm. Sie wurden bei jedem Training unter fachlicher Anleitung betreut und das Interventionsprogramm wurde im Laufe der drei Monate methodisch gesteigert. Zu den Einschlusskriterien der Studie gehörte neben dem Alter (> 60 Jahre) eine ärztliche Einverständniserklärung für das SRT-Training. Die Ausschlusskriterien richteten sich nach den Kontraindikationen des Geräteherstellers (z. B. Post-Op, Herzschrittmacher usw.). Die Vergleichsgruppe (keine Intervention) setzte sich aus 13 männlichen und 39 weiblichen Freiwilligen zusammen. Diese Gruppe wurde angehalten, ihre Aktivitäten im alltäglichen Leben nicht zu ändern. Die Gegenüberstellung der biometrischen Daten beider Gruppen (keine signifikanten Unterschiede) zeigt Tabelle 1.

Intervention (Stochastische Resonanztherapie)

Die Stochastische Resonanztherapie (SRT-Zeptoring) basiert auf dem Mechanismus, der für die Entwicklung und Funktionsweise des menschlichen Nevensystems verantwortlich ist. Sie setzt Reize nach dem Zufallsprinzip, was sich positiv auf das Zusammenspiel zwischen Rezeptoren, Nerven und Muskeln auswirkt. Die Intensitätslevel liegen zwischen 1 und 12 und orientieren sich an Schwingungen und Schwankungen, die beim Menschen beispielsweise im aufrechten Stand und bei maximalen Anspannungen auftreten. Um einer schnellen Reizsättigung entgegenzuwirken, werden keine sinusförmigen Schwingungen genutzt. Neben den Bewegungen der beiden Trittplatten in horizontaler und vertikaler Richtung besteht die Möglichkeit, zusätzlich noch seitlich zu kippen. Somit wird erreicht, dass der Trainierende nicht nur reagieren, sondern auch selbst agieren muss. Das Ziel ist eine optimale Regulation und Dämpfung der auftretenden Schwingungen [5]. Veränderungen der Trainingsparameter sind stufenlos möglich, z.B. bis zu einer Therapiedauer von max. 3 min oder mithilfe der Frequenzbereiche des SRT-Zeptors zwischen den sog. Theta- (3,5 – 7,5 Hz) bis Alpha-Schwingbereichen (7,5 – 12,5 Hz).

Die sukzessive Progression der Trainingsparameter für die Intervention wurde in Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern und Entwicklern der Stochastischen Resonanztherapie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Herrn Prof. Dr. D. Schmidtbleicher (Institut für Sportwissenschaften), für die Zielgruppe dieser Studie angepasst und kann bei den Autoren erfragt werden.

Haupt- und Nebenzielgrößen

Als Hauptzielgrößen sollten die Mineraldichte (BMD in g/cm³) und der Mineralgehalt (BMC in g) der Lendenwirbelsäule (L1 – L4) und des linken Oberschenkelhalses untersucht werden (DXA-Methode, Fa. Hologic). Dies entspricht den von der WHO empfohlenen Messorten zur Beurteilung des Osteoporoserisikos.

Als Nebenzielgrößen wurden festgelegt:

1. isometrische Rumpfkraft in Flexions- und Extensionsbewegung (IPN-Back Check, Fa. Wolff),

2. statische/dynamische Gleichgewichtsfähigkeit (Stability System, Fa. Biodex),

3. motorische Tests zur Beurteilung der Gleichgewichtsfähigkeit nach Runge [6] (u. a. Tandemgang-Test, Chair-Rising-Test, Timed-Get-Up and Go-Test) und

4. subjektive Gesundheitseinschätzung (Thermometerskala, Euroqol-5D).

Ergebnisse

Um den statistischen Anforderungen zu genügen, wurde wegen der multiplen Testverfahren eine Bonferroni-Adjustierung vorgenommen. Bei zweiseitiger Fragestellung und einem Alpha-Niveau von 5% wurde das Signifikanzniveau bei den Parametern der Hauptzielgrößen auf p ≤ 0,025, bei den Parametern der Nebenzielgrößen auf p ≤ 0,006 festgesetzt. Für die Berechnungen wurden t-Tests für gepaarte und unabhängige Stichproben durchgeführt; die Effektstärken im Prä-Post-Vergleich (ES) wurden in Anlehnung an die Ausführungen von Maier-Riehle u. Zwingmann [7] berechnet (ES > 0,7 starker Effekt; ES > 0,5 mittlerer Effekt; ES > 0,3 kleiner Effekt).

Um Ergebnisverfälschungen vorzubeugen, wurde für dieses Studiendesign bei der Gruppenbetrachtung aufgrund der zu erwartenden konstitutionellen, konditionellen sowie koordinativen Unterschiede zusätzlich zwischen Frauen und Männern geschlechtsspezifisch unterschieden.

Knochendichtemessung

Eine Differenzierung zwischen Osteopenie und Osteoporose wurde nicht durchgeführt. Weder für die Post-Messung noch für die Follow-up-Messung konnten statistisch relevante Unterschiede in der Interventions- sowie in der Vergleichsgruppe bei den Frauen und Männern ermittelt werden. Die Mittelwerte für die Mineraldichte und den Mineralgehalt bei den Frauen für beide untersuchten Bereiche sind in Tabelle 2, diejenigen bei den Männer in Tabelle 3 aufgelistet.

Rumpfkraftmessung

Die isometrische Rumpfkraft wurde anhand des IPN Back-Check Messgeräts der Firma Dr. Wolff ermittelt. Hierbei wurde aufgrund der Vielzahl der Testbatterien auf die Kraftwerte der Lateralflexion links und rechts verzichtet. Die Veränderungen bei Flexion und Extension nach der Intervention sowie drei Monate ohne Intervention werden in Abbildung 2 (Frauen) und Abbildung 3 (Männer) für beide Gruppen dargestellt. In der Interventionsgruppe wurden signifikante Veränderungen zum zweiten Messzeitpunkt für die Männer von p = 0,002 (Flexion) und p = 0,002 (Extension) ermittelt. Bei den Frauen waren die Veränderungen bei beiden Messparametern hoch signifikant (p < 0,001). Die Frauen steigerten sich bei der Flexion im Mittel um 34,5 Newton (t2, ES = 0,6) und bei der Extension um 55,9 Newton (t2, ES = 0,7). Bei den Männern wurde jeweils eine mittlere Steigerung von 90,4 Newton (t2, ES = 0,6) sowie 82,1 Newton (t2, ES = 0,4) ermittelt. In der Vergleichsgruppe konnten keine signifikanten Veränderungen zu allen drei Messzeitpunkten aufgezeigt werden. Für den Vergleich der Mittelwerte zwischen den Gruppen konnte zum zweiten Messzeitpunkt eine signifikante Steigerung der Interventionsgruppe von rund 66 Newton (p < 0,05) ermittelt werden. Des Weiteren zeigten die Follow-up-Messungen (t3) weder bei der Interventionsgruppe noch bei der Vergleichsgruppe statistisch signifikante Unterschiede.

Statisches und dynamisches Gleichgewicht

Zur Beurteilung der Gleichgewichtsfähigkeit wurde das Biodex Stability System herangezogen. Dieses Messgerät provoziert mithilfe einer instabilen Plattform, die in ihrem Schwierigkeitsgrad veränderbar ist, eine Auslenkung des Gleichgewichts des Probanden. Durch einen negativ gepolten Index und eine vorgegebene zeitliche Begrenzung objektiviert es computergestützt den Grad der statischen Gleichgewichtsfähigkeit während des Zweibeinstands (Gesamtstabilitätsindex). Für die Beurteilung der dynamischen Gleichgewichtsfähigkeit nutzt es einen Gesamtscore von 0 bis 100. Je höher dieser Wert ausfällt, desto besser hat der Proband die vorgegebenen und visuell dargestellten Bewegungsaufgaben (Cursor) im Stehen mithilfe der Plattform absolviert. Für diese Studie konnten weder bei der statischen noch bei der dynamischen Gleichgewichtsfähigkeitsmessung signifikante Unterschiede zu allen Messzeitpunkten sowie bei beiden Geschlechtern bzw. Gruppen ermittelt werden. Tendenzielle Verbesserungen der Interventionsgruppe zum zweiten Messzeitpunkt sind als vermutliche Übungseffekte auszuschließen.

Motorische Tests (Ta

ndemgang-, Chair-Rising-, Timed-Get-Up and Go-Test)

Bei diesen Tests in Anlehnung an Runge [6] handelt es sich um drei Bewegungsaufgaben, die schnellstmöglich absolviert werden müssen. Sie dienen im Allgemeinen zur Beurteilung des Sturzrisikos von Probanden im höheren Alter. Beim Tandemgang-Test hat der Proband acht Tandemschritte auf einem standardisierten Balken durchzuführen. Beim Chair-Rising-Test soll der Proband fünfmal ohne Benutzung der Hände von einem definierten Stuhl aufstehen und sich wieder setzen, und beim Timed-Get-Up and Go-Test wird die Zeit für eine Gehstrecke von 3 Metern zusammen mit dem vorherigen Aufstehen und anschließenden Setzen gemessen.

Lediglich bei der weiblichen Interventionsgruppe wurde eine signifikante Steigerung um 0,9 Sekunden für den Chair-Rising-Test (p = 0,003, ES = 0,4) und um 0,4 Sekunden für den Timed-get-up-and-go-Test (p = 0,000, ES = 0,4) zum zweiten Messzeitpunkt ermittelt. Weitere tendenzielle Verbesserungen für beide Gruppen und Geschlechter können auch für diese Testreihe den Übungseffekten zugeschrieben werden.

EuroQol-5D (Thermometerskala)

Hierbei handelt es sich um einen Fragebogen zur subjektiven Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Für dieses Studiendesign wurde jedoch nur das Thermometer zur Beurteilung des subjektiven augenblicklichen allgemeinen Gesundheitszustands auf einer Skala von 0 (schlechtester) bis 100 (bester) genutzt. Beide Gruppen sowie Geschlechter gaben zum zweiten Messzeitpunkt einen verbesserten subjektiven Gesundheitszustand an. Dieser war jedoch nicht signifikant. Bei den Follow-up-Tests nach drei Monaten ohne Intervention fiel auf, dass im Mittel bei beiden Gruppen und Geschlechtern der Gesundheitszustand annähernd wie zum zweiten Messzeitpunkt beurteilt wurde. Auch diese Ergebnisse waren nicht signifikant.

Diskussion

Die Studie untersuchte die Effekte eines dreimonatigen Stochastischen Resonanztherapietrainings auf Knochendichte, Muskelkraft und Koordinationsfähigkeit bei älteren Probanden (Alter > 60 J.) miteinem erhöhten Risiko für Osteoporose. Eindeutige Effekte auf die Knochendichte konnten nicht beobachtet werden. Der zur Eingangsuntersuchung ermittelte T-Score der Interventionsgruppe veränderte sich während des Untersuchungszeitraums weder bei den Frauen von – 1,41 für die Hüfte und von – 1,56 für die Lendenwirbelsäule noch bei den Männern (Hüfte = – 0,63, LWS = – 0,55). Die Vergleichsgruppe (keine Intervention) besaß zwar je Geschlecht einen tendenziell besseren T-Score für beide Messstellen, jedoch konnten auch hier keine Veränderungen beobachtet werden. Studien, die belegten, dass Verbesserungen der Knochendichtewerte durch Ganzkörpervibrationen ausgelöst werden, konnten auf längere Interventionszeiträume mit sechs- bis zwölfmonatigem Training zurückgreifen [8, 9].

Auch wurden Verbesserungen hinsichtlich der Beinmuskelkraft bzw. Effekte auf die Rückenmuskulatur ermittelt [8, 10]. Erklärungsansätze für die beobachteten Steigerungen waren, dass es durch oszillierende Interventionen bei leichter Kniebeugehaltung zu einer Aktivierung des M. multifidus kommt. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung stützen diese These. Die dreimonatige Stochastische Resonanztherapie zeigte positive Effekte auf die Rumpfmuskulatur, insbesondere auf die Rückenmuskulatur bei beiden Geschlechtern. Vermutlich führt ein zusätzliches Halten bzw. Ziehen von fixierten Bändern am SRT zu einer verbesserten inter- und intramuskulären Koordination der beteiligten Muskelketten. Denkbar sind auch Verbesserungen des posturalen Systems bei der unbewussten Reaktion auf die Gleichgewichtsauslenkungen, ausgelöst durch die unterschiedlichen dreidimensionalen Richtungsänderungen der beiden Trittplatten des Therapiegeräts zueinander. Dabei kommt der Propriozeption funktionell eine besondere Rolle zu, da sie für die Wahrnehmung des Körpers im Raum sowie mithilfe von Rezeptoren für die Kontrolle von dreidimensionalen Bewegungen erforderlich ist.

Insbesondere letztere Theorie wurde durch die Ergebnisse dieser Studie mithilfe der Tests nach Runge (Chair-Rising-, Timed-Get-Up and Go-Test) bei den Frauen (IG) unterstützt. Die signifikanten Veränderungen konnten jedoch nicht bei den Männern bzw. beiden Geschlechtern der Kontrollgruppe beobachtet werden. Diese Tests beurteilen das Sturzrisiko von Älteren, wobei in der Wissenschaft bekannt ist, welchen Einfluss das posturale System auf die Gleichgewichtsfähigkeit hat. Bei den statischen und dynamischen Gleichgewichtstests konnte in dieser Studie keine Veränderung in der Interventionsgruppe beobachtet werden. Auch der subjektiv empfundene Gesundheitszustand war zum zweiten Messzeitpunkt in beiden Gruppen zwar verbessert, jedoch nicht signifikant. Die Verbesserungen in der Interventionsgruppe dürfen jedoch nicht ausschließlich der Stochastischen Resonanztherapie zugeschrieben werden, da diese im Vergleich zur Kontrollgruppe, die keinerlei Anwendung erhielt, auch möglicherweise auf die regelmäßige dreimonatige Intervention zurückführen sind. Weitere Studien müssten klären, ob diese Form der Therapie effektiver ist als vergleichsweise andere Therapieformen, um auszuschließen, dass es sich bei den Ergebnissen nur um eine Spontanverbesserung handelt.

Zu den motorischen Alltagstests lassen sich in der Literatur viele Studien finden, die dem Vibrationstraining positive Effekte auf das Gleichgewicht und die posturalen Fähigkeiten zuschreiben [11, 12]. Dabei ist der zentrale Wirkmechanismus der neurologischen Adaptation die optimierte und erhöhte Rekrutierung von ungenutzten motorischen Einheiten [13].

Die in der vorliegenden Untersuchung bereits zu Beginn festgestellten Gruppenunterschiede zeigten, dass gerade die Trainingsgruppe meist aus motivierteren Probanden mit einem höheren Bewegungsinteresse und daher auch Gesundheitszustand, z. B. im Hinblick auf den Body-Mass-Index, bestand und sich demnach wahrscheinlich höhere Effekte durch die Stochastische Resonanztherapie eher bei der Kontrollgruppe erwarten ließen. Die festgestellten Tendenzen hinsichtlich der Einzeltests sollten daher vorsichtig interpretiert werden. Unabdingbar sind höhere Fallzahlen, insbesondere bei den männlichen Probanden, und eine externe Randomisierung der Freiwilligen.

Fazit für die Praxis

Diese Untersuchung zeigte, dass mit der Stochastischen Resonanztherapie bei älteren Menschen positive Effekte erzielt werden können. Nachgewiesen wurden Verbesserungen hinsichtlich der Rumpfkraft, des Gleichgewichts sowie bei den motorischen Tests. Diese Therapieform könnte bei älteren Menschen positive Effekte auf die Alltagsmotorik und die Haltung haben und zu einer Verminderung der Sturzneigung führen. Aufgrund der bekannten morphologischen Umbauprozesse des Knochens braucht es Langzeitstudien von mindestens einem Jahr SRT-Training, um einen Einfluss der Stochastischen Resonanztherapie zu belegen.

Korrespondenzadresse

Marcel Dittrich (Dipl.-Sportwissenschaftler)

Orthopädie-Zentrum Bad Füssing

Waldstraße 12

94072 Bad Füssing

E-Mail: orthopaedie.forschung@

drv-bayernsued.de

Literatur

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2. Bosco C, Iacovelli M, Tsarpela O, Cardinale M, Bonifazi M, Tihanyi J, Viru M, de Lorenzo A, Viru A (2000): Hormonal responses to whole-body vibration in men. In: European Journal of Applied Physiology. 81: 449–454.

3. Stengel van S, Kemmler W, Mayer S, Engelke K, Klarner A, Kalender W A (2009): Effekte eines Ganzkörpervibrationstrainings auf Parameter des Frakturrisikos. Einjahres-Ergebnisse der randomisierten kontrollierten ELVIS-Studie. In: Dtsch Med Wochenschr 134: 1511–1516.

4. Dalichau S (2009): Vibrationstraining in der Therapie unter besonderer Berücksichtigung der Stochastischen Resonanz. Online. URL: http://www.ipl- bremen.de/Präsentationen/Vibration_in_der_Therapie.pdf, Abruf: 20.10.2009.

5. Bedienungsanleitung: SRT Zeptor®Medical plus noise (Vers. 1.0, o. J.): SR Therapiesysteme GmbH & Co. Lifescience KG, Berlin.

6. Runge M (1998): Gehstörungen, Stürze, Hüftfrakturen. Darmstadt: Steinkopff.

7. Maier-Riehle B, Zwingmann C (2000): Effektstärkevarianten beim Eingruppen-Prä-Post-Design. Eine kritische Betrachtung. In: Rehabilitation 39: 189–199.

8. Verschueren S, Roelants M, Delecluse C, Swinnen S, Van der Schueren D, Boonen S (2004): Effects of 6-month whole body vibration training on hip density, muscle strength and postural control in postmenopausal women: A randomized controlled pilot study. In: Journal of Bone and Mineral Research. 19 (3): 352–359.

9. Tanaka S, Alam I, Turner C (2002): Stochastic resonance in osteogenic response to mechanical loading. FASEB Journal. Online. URL: http://www.fasebj.org/content/early/2003/02/03/fj.02-0561fje.short (published online December 3).

10. Rittweger J, Just K, Kautzsch K, Reeg P, Felsenberg D (2002): Treatment of chronic lower back pain with lumbar extension and whole-body vibration exercise: a rondomized controlled trial. In: Spine 27 (17): 1829–1834.

11. Torvinen S, Kannu P, Sievänen H, Järvinen T A, Pasanen M, Kontulainen S, Järvinen T L, Järvinen M, Oja P, Vuori I (2002): Effect of a vibration exposure on muscular performance and body balance. Randomized cross-over-study. Clin Physiol Funct Imaging 22: 145–152.

12. Bruyere O, Wuidart M A, Di Palma E, Gourlay M, Ethgen O, Richy F, Reginster J Y (2005): Controlled whole body vibration to decrease fall risk and improve health-related quality of life of nursing home residents. Arch Phys Med Rehabil 86: 303–307.

13. Huber G (2006): Vibrationstraining in der Sporttherapie. Bewegungsther Gesundheitssport 22: 46–51.

Fussnoten

1 Orthopädie-Zentrum Bad Füssing der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd, Bad Füssing (Leiter: Prof. Dr. med. W. F. Beyer)

2 Institut für Sportwissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main (Leiter: Prof. Dr. D. Schmidtbleicher)

DOI 10.328/oup.2012.0060-0065

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