Übersichtsarbeiten - OUP 02/2020

Empfehlungen zur postoperativen Rehabilitation nach Meniskusverletzungen
Ergebnisse eines internationalen Experten-Konsensus

In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die allgemeine Einstellung hinsichtlich der Funktion und der Bedeutung der Menisci neu ausgerichtet. Wurden früher Menisci nach Verletzungen häufig als „sekundäre“ Struktur großzügig entfernt, wird seit vielen Jahren die unbedingte Erhaltung des Gewebes propagiert. Eine erhebliche Anzahl biomechanischer, aber auch anatomisch-histologischer Untersuchungen zeigt die Bedeutung der Menisci im Zusammenspiel funktioneller Aspekte im Kniegelenk. Die Menisci sind für den Erhalt des Gelenkknorpels und für die gesamte biomechanische Kniegelenkfunktion essenziell. Bei der Therapie von Kniegelenkverletzungen hat der Erhalt bzw. die Reparatur der Menisci hohe Priorität.

Es kommen sowohl konservative als auch operative Behandlungsverfahren in Frage; die Auswahl ist erheblich und hängt von der Lokalisation und Größe der Verletzung ab. Verletzungen der Menisci können isoliert oder in Kombination mit anderen Weichteilverletzungen auftreten, insbesondere ligamentären Schäden, häufig aber auch mit Mikrofrakturierungen des subchondralen Knochens des lateralen Tibiaplateaus. Oftmals treten diese zusammen mit Verletzungen des vorderen Kreuzbands auf. Für isolierte Risse der Menisci ist ein häufiger Verletzungsmechanismus die femorale Rotation bei distaler Fixierung unter Belastung. Allerdings ist der Anteil der Kombinationsverletzungen, die alle Bewegungen beinhalten können, deutlich höher als die der isolierten Verletzungen. Verletzungen der Menisci sind in unterschiedliche Schweregrade einzuteilen, wie Längsriss, Lappenriss, Horizontalriss, radialer Riss, komplexe Risse, Korbhenkelläsion und degenerative Veränderungen.

Die Symptome sind häufig Knieschmerzen medial oder lateral, oft im gesamten Gelenk nicht spezifisch zuzuordnen und mit typischen Entzündungszeichen mit Bewegungseinschränkungen im betroffenen Gelenk. Die konservative Therapie ist vielfältig und sollte sich an den Heilungsphasen (Entzündungsphase, Proliferationsphase, Remodulierungsphase) und nach persönlichen Gegebenheiten ausrichten. Es existieren verschiedene operative Verfahren mit differenzierten Effekten und Prognosen. Allgemeine, vor allem einheitliche Richtlinien für die Nachbehandlung nach einer Meniskektomie oder Naht-Techniken bestehen zurzeit nicht.

Aus diesem Grund haben sich im September 2018 Experten aus verschiedenen Ländern zu einem Konsensus-Meeting in Fürstenfeldbruck getroffen mit dem Ziel, einen internationalen und interdisziplinären Konsens zur Nachbehandlung von Meniskusverletzungen zu erarbeiten.

Methode

In Vorbereitung auf ein 2-tägiges internationales Expertenmeeting wurde ein standardisierter Fragebogen an alle Teilnehmer, Moderatoren und Referenten versendet, um die aktuellen Strategien zu erfassen und zu analysieren. Die Teilnehmer waren Alan Getgood (Kanada); Scott Faucett (USA); Siti Hawa Tahir (Myanmar), Sherwin Ho, Jihad Abouali, Andrew Geeslin, Patrick Kane, Shane P. Whalen, Peter D’Alessandro, Ross Radic (Australien), Pete Gallagher, Ionnis Pengas (Großbritannien), Heribert Keller, Michael Lapp, Ingo V. Rembitzki, und Jörg Jerosch (Deutschland).

Die Auswertung der Fragebögen diente als Grundlage für die Diskussion zwischen den Experten. Zusätzlich wurden konkrete Patientenbeispiele diskutiert, z.B. ein 28 Jahre alter Mann (athletischer Typ mit normaler sportlicher Aktivität, Nichtraucher, normaler BMI), der sich beim Fußballspielen den Innenmeniskus verletzt hat.

Auf Grundlage dieser Daten wurde einen Konsens zur Rehabilitation nach operativem Repair erarbeitet und im Rahmen einer Delphi-Runde anschließend konsentiert.

Ergebnisse

Meniskusverletzungen führen in der Regel zu deutlichen Einschränkungen der Kniefunktion und zu Schmerzen im Knie. Da eine Operation meist nicht am Tag der Diagnose durchgeführt werden kann, ist eine Behandlung der Knieschmerzen und der Funktionseinschränkung schon präoperativ erforderlich. Ziel dieser Prehabilitation ist es, die Schmerzen zu mindern, die Gelenkfunktion zu erhalten/zu verbessern und weiteren Schädigungen der betroffenen Strukturen bis zum Zeitpunkt der Operation vorzubeugen. Dadurch können die Knieschmerzen eingegrenzt und das Knie funktionsfähig gehalten werden, bis die Operation terminiert ist [1, 4, 7]. Darüber hinaus ist der Erfolg nach einer Meniskus-OP auch von der gezielten Rehabilitation unter Beachtung der Heilungsphasen abhängig. Die von den internationalen Experten erstellten Rehabilitationsempfehlungen basieren auf den Ergebnissen des Konsensus und beziehen sich auf eine über mehrere Wochen dauernde eingeschränkte Gelenkbelastung, in Kombination mit einer entsprechend den Heilungsphasen empfohlenen Steigerung von Aktivitäten. Besondere Beachtung muss im Rahmen der postoperativen Rehabilitation auf die Belastung und das Bewegungsausmaß gelegt werden, beide teilweise unterstützt durch den Einsatz entsprechender Orthesen und der physiotherapeutischen Therapie der Patienten. Gerade bei der Be- oder besser Teilbelastung des behandelten Kniegelenks bietet die Industrie innovative Knieorthesen zur Entlastung des behandelten Meniskus an (z.B. Rebound Cartilage), die in biomechanischen Tests an speziellen Humanpräparaten eine signifikante Entlastung des Meniskus ermöglichen [6]. Die Abbildungen 1–3 zeigen die erarbeiteten Rehabilitationsprotokolle für die jeweiligen Meniskuspathologien.

Diskussion

Laut der S2k-033–006-Leitlinie Meniskuserkrankung der DGOU [5] steigt die Inzidenz von Meniskusläsionen in der Gesamtbevölkerung mit Zunahme des Alters und Ausmaß der degenerativen Veränderungen des Kniegelenks. Eine klare Zuordnung der klinischen Beschwerden zum Meniskusschaden scheint jedoch durch die geringe Spezifität der klinischen Untersuchungstests schwierig.

Die Anzahl der klinischen Studien, insbesondere zur konservativen Therapie des symptomatischen Meniskusschadens, ist bisher unzureichend. Daher hat sich ein internationales Expertengremium mit dem Thema beschäftigt. Ziel war es, einen leitliniengerechten und pragmatischen Konsens zu Rehabilitationsempfehlungen unter Berücksichtigung der Einteilung und Klassifikation von Meniskusschäden zu erarbeiten. Unter Beachtung der S2k-Klassifikationen [5] wurden Rehabilitationsempfehlungen für die am häufigsten auftretenden Meniskusläsionen erstellt.

Die multimodalen Therapiemaßnahmen sehen die biomechanischen Interventionen als einen wesentlichen Bestandteil der konservativen und postoperativen Versorgung bei Meniskusschäden in den ersten Wochen im Vordergrund; insbesondere, um die Rehabilitation von geschädigten Strukturen entlang der Heilungsphasen zu respektieren und zu sichern. Weitere klinische Studien zur konservativen Therapie und Rehabilitation von Meniskusschäden werden empfohlen.

SEITE: 1 | 2 | 3