Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Ergotherapie in der Rheumatologie

Eva Ridder, Bernhard Greitemann

Zusammenfassung:
In der Rheumatologie bietet die Ergotherapie eine spezifische Unterstützung bei zahlreichen Symptomen und Deformitäten. In dem kurzen Artikel wird eine kleine Übersicht aufgezeigt, mit Nennung häufig vorkommender Auffälligkeiten bei rheumatologischen Patienten. Ein Betrachtungsschwerpunkt liegt im Bereich der Handtherapie. In Folge werden Herangehensweisen und mögliche verordnungsfähige Angebote der Ergotherapie zusammengefasst erläutert. Dazu gehören unter anderem der Schienenbau, Gelenkschutz und funktionelles Training.

Schlüsselwörter:
Rheumatologie, Ergotherapie, Handtherapie, Schienen, Orthesen, Gelenkschutz, Hilfsmittel, ATL

Zitierweise:
Ridder E, Greitemann B: Ergotherapie in der Rheumatologie.
OUP 2021; 10: 256–259
DOI 10.3238/oup.2021.0256–0259

Summary: In rheumatology, occupational therapy offers specific support for numerous symptoms and deformities. In this short article a small overview is shown, with naming of frequently occurring abnormalities in rheumatological patients. One focus of consideration is in the area of hand therapy. Subsequently, approaches and possible prescribable offers of occupational therapy are explained in summary. These include splint construction, joint protection and functional training.

Keywords: rheumatology, occupational therapy, hand therapy, hand splint, joint protection, help tools, ADL

Citation: Ridder E, Greitemann B. Occupational therapy in rheumatology.
OUP 2021; 10: 256–259. DOI 10.3238/oup.2021.0256–0259

Klinik Münsterland der DRV Westfalen, Bad Rothenfelde

Einleitung

Rheumaorthopädische Behandlung beinhaltet immer auch die ganzheitliche Rehabilitation der Patienten. Hierbei ist zwingend ein interdisziplinärer Behandlungsansatz erforderlich. Moderne Rehabilitation in der Rheumatologie hat den Fokus auf durch funktionelle Defizite verursachte Teilhabestörungen. Hierunter versteht man nach dem Krankheitsfolgenmodell der WHO die aus Funktionsstörungen entstehenden Beeinträchtigungen in Beruf, privatem und sozialem Umfeld. Ziel der Behandlung ist die möglichst vollständige Reintegration in den Alltag. Beim Rheumapatienten ist insbesondere der Fokus auf den Erhalt der Mobilität und der Greiffunktion der Hände gelegt. Hierbei spielt die Ergotherapie eine besondere Rolle, weil sich dieser Fachbereich frühzeitig speziell um die Erhaltung der Alltagsfähigkeiten besonders gekümmert hat. Ziel der gesamten Behandlung ist
dabei, den Erhalt der weitestgehenden Selbstständigkeit zu erreichen. Bei den zahlreichen Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises wird Ergotherapie sowohl bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen als auch bei Weichteilrheumatismus oder degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen eingesetzt. Die Möglichkeiten sind bereits ab dem Anfangsstadium mit präventiven Maßnahmen und bei Patienten mit Funktionseinschränkungen gegeben. In
aller Regel orientieren sich die Ziele, neben ärztlichen Vorgaben, an den jeweiligen individuellen Bedürfnissen, Lebensumständen und körperlichen Möglichkeiten des Betroffenen. Es geht um Gelenkentlastung und Schmerzreduktion, Verbesserung der Lebensqualität - also auch der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL/engl. ADL) und den Erhalt von Mobilität. Eine möglichst gute Funktionsoptimierung ist immer Inhalt. Dieser Artikel fokussiert insbesondere auf den
ergotherapeutischen Behandlungsansatz an Handgelenk und Hand. Das Vorgehen ist aber prototypisch zur Darstellung ergotherapeutischer Behandlungen.

Pathophysiologisch
wichtige Veränderungen

Im Rahmen rheumatischer Erkrankungen kommt es klassischerweise
zu gelenknahen synovialitischen Schwellungen. Dies betrifft auch gerade die langen Sehnen im Sinne von Tendosynovialitiden. Neben Funktionsverlusten durch eventuelle Sehnenzerstörungen kommt es insbesondere an den Gelenken zu Destruktionen, Überdehnungen des Kapselbandapparates und hieraus folgenden Instabilitäten bzw. Fehlhaltungen. Am eindrucksvollsten sind diese Veränderungen im Bereiche der Hand oder der Füße. Allerdings können auch weitere, vor allem größere Gelenke wie beispielsweise die Schulter, das Ellbogengelenk und das Kniegelenk sowie das Achsenorgan betroffen sein.

Wesentlicher Schwerpunkt ergotherapeutischer Interventionen ist insbesondere die obere Extremität, daher soll auf die Veränderungen an der rheumatischen Hand besonders eingegangen werden. Die klassische Veränderung ist hierbei die sogenannte Z-Deformität der Hand. Hierbei kommt es durch die entzündlichen Schwellungen zu einer Radialabweichung im eigentlichen Handgelenk sowie zu einer ulnarwärts gerichteten Deviation der Langfinger in den MCP-Gelenken. Meist ist dies begleitet mit einer Bajonettfehlstellung oder eine vermehrte Palmarflektion im Handgelenk. Ursache für die Veränderungen in den MCP-Gelenken sind die radialseitig schwächeren Kapselapparate. Am Handgelenk selbst führt die Zerstörung des ulnaren Seitenbandapparates zum Caput ulnae Syndrom.

Nicht selten kommt es an den Langfingern zur Knopflochdeformität oder zu Schwanenhals-Fingern, am Daumen zum sogenannten 90–90-Daumen. Am Daumen kommt es zu einer streckseitigen Ausweitung der Kapsel am Grundgelenk mit Abrutschen der Strecksehnenzügel seitlich nach palmar und Überstreckung im Endgelenk. Der Daumen als wichtigster Finger und Gegenpart zu den Langfingern ist für ein festes Zugreifen unverzichtbar und dadurch gilt es dieser Deformität insbesondere entgegenzuwirken. Bei der Knopflochdeformität kommt es durch die entzündlichen Schwellungen zu einer streckseitigen Ausweitung der Gelenkkapsel mit Zerstörung des Sehnenmittelzügels und Abrutschen der Seitenzügel nach palmar. Das Grundgliedköpfchen disloziert streckseitig, reflektorisch kommt es zu Überstreckung im Endgelenk. Bei der Schwanenhalsdeformität kommt es zu einer beugeseitigen Ausweitung der Kapsel am PIP-Gelenk durch die entzündlichen Veränderungen, zur Anhebung der kurzen Strecksehne im MCP-Gelenk. Es resultiert eine Überstreckung im PIP-Gelenk mit schwanenhalsartiger Beugefehlstellung im Endgelenk. Die Veränderungen an Hand und Finger der Rheumatiker führen, wenn nicht frühzeitig behandelt, zu bleibender Invalidisierung.

Ergotherapeutische
Befundung

Im Rahmen der verordneten Ergotherapie wird zuerst ein Gesamtstatus des Patienten erhoben. Im Rahmen des ergotherapeutischen Befundes findet zunächst ein Gespräch statt, worin der Patient seine Herausforderungen und Probleme im Alltag schildert. Es wird sowohl die körperliche Problematik betrachtet, wie etwa Deformitäten, Schwellungen etc. und auch die Beeinträchtigung der Partizipation in der persönlichen Umwelt. Dazu gehören auch die Miterfassung der Probleme oder Fehlverhalten bei Alltagsverrichtungen (ADL-Verhalten).

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