Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Ergotherapie in der Rheumatologie

Die eigentliche Objektivierung ist in der Ausführlichkeit bedarfsgerecht gestaltet. Sie beinhaltet neben der Erhebung eines aktiven und passiven Bewegungsbefundes sämtlicher Gelenke und des Achsorganes die Ermittlung von Kraft, Geschicklichkeit, Sensibilität und Hauttrophik. Symptomorientiert werden Schwellungen, Kapselzustand etc. registriert. In Folge werden passende Behandlungsansätze ausgewählt. Kontrollierende Statuserhebungen in größeren Abständen zeigen Tendenzen auf.

Ein wesentlicher begleitender Anteil ist bei der Ergotherapie der Gelenkschutz. Weiterhin sind Schwerpunkte in Selbsthilfetraining, physikalischen Maßnahmen, Schienenversorgung, Funktionstraining und adäquater Begleitung zu sehen [2].

Behandlungsansätze

Gelenkschutz

Zu den gelenkschonenden Maßnahmen werden neben Erleichterungsmethoden auch Kenntnisse der Krankheitssituation und Kontrakturprophylaxe gezählt. Hier ist zum einen umfassende Aufklärung erforderlich. Was alles zum Gelenkschutz gezählt wird, von Pausen über gleichmäßige Belastung bis hin zu achsengerechter Bewegung z.B. im Bereich des Handgelenkes - darüber sollte der Patient informiert sein (Abb. 3).

Zum anderen muss der Betroffene den eigenen Alltag reflektieren und für Belastungssituationen ggf. Umlernen, eventuell Bewegungsabläufe anders organisieren. Bewusste Arbeitsorganisation und ergonomische Einrichtung sowie Hilfsmittel und Adaptionen/Schienen gehören dazu (Abb. 9). In amerikanischen Studien konnte bei Patienten mit Rheumatoider Arthritis festgestellt werden, dass nach Teilnahme an entsprechenden psychoedukativen Interventionen weniger Beschwerden und eine bessere Selbstwirksamkeit vorhanden waren [1].

Schienen/Orthesen

Um Schmerzen, Kontrakturen und möglichst Deformitäten zu umgehen, werden ergänzend zur Funktionstherapie statische oder auch dynamische Schienen konservativ wie postoperativ eingesetzt. Häufige Anwendung finden statische Schienen wie beispielsweise Handgelenkslagerungsschienen (volare oder dorsale Schienen, mit/ohne Daumeneinschluss), Daumenabduktionsorthesen, Schwanenhalsringe, Knopfloch-Orthesen oder auch die Antiulnardeviationsschiene (AUD) (Abb. 1, 2, 6). Manche davon gibt es in Form passender Fertigschienen, wobei insbesondere bei veränderten Körperpartien eine Individualanfertigung meist der passgenauere Weg ist, was in Folge zur günstigeren Verträglichkeit und meist größerer Akzeptanz führt. In der Ergotherapie/Handtherapie werden solche Schienen bei Bedarf auf Verordnung individuell mit niederthermoplastischem Material hergestellt. Es sollte immer bedacht werden, ob eine Orthese eine Funktionshilfe darstellt oder eher eine zusätzliche Behinderung im Alltag ergibt. Eine genaue Indikationsstellung ist als Voraussetzung relevant. In Folge kann etwa im Alltag mit mehr Stabilität durch die Unterstützung zugefasst werden.

Hilfsmittel und ADL

Um die Gelenke weniger stark zu strapazieren, kann der Betroffene auf eine Vielzahl an Hilfsmittelmöglichkeiten zurückgreifen. Kleinere Alltagshilfsmittel sind für den Bereich Körperpflege und Küche ganz typisch. Glas- und Flaschenöffner kommen hier genauso zum Einsatz, wie Griffverdickungen im ganzen Haushalt Anwendung finden können (Abb. 3–4). Der Einsatz dieser Utensilien zielt darauf ab, eine Gelenkentlastung zu erzeugen - den Schutz der Gelenke zu stützen. Hebelgesetze finden genauso Anwendung, wie Informationen über Belastungssituationen im Alltag thematisiert werden. Sofern möglich, sollte der Körper beispielsweise eher bilateral statt unilateral belastet werden, was eine günstigere Verteilung der Anforderung zur Folge hat (Abb. 7). Auch können an einem Büroarbeitsplatz verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, wie die Nutzung einer natürlichen Position durch eine vertikale Mouse (Abb. 5). Individuell wird hierzu beraten. Die wesentliche Absicht ist, den Einzelnen in seiner Selbstständigkeit zu stärken und diese nach Möglichkeit zu erhalten.

Alltagstraining kann erforderlich sein und genauso Inhalt der Ergotherapie. Um Alltagsbewältigung zu trainieren, wird dies mit Hilfsmittelnutzung oder Schienen unter Umständen kombiniert. Konkrete Situationen bestmöglich zu verändern, erfordert manchmal, diese gemeinsam zu betrachten und weiter zu entwickeln.

Funktionelle Therapie und thermische Anwendungen

Angemessene Mobilisation, Kräftigung und Anleitung zu Eigenübungen sind ein wesentlicher Bestandteil des Interventionsangebotes. Wärmeanwendungen in Form von Körnerbädern oder Paraffinbäder können zum Beispiel zur Senkung von Muskeltonus und Anhebung der Schmerzgrenze angeboten werden (Abb. 8). Bei akuten entzündlichen Prozessen wird Kälte angewandt. Bei manchen Krankheitsbildern kommt es ganz auf die aktuelle Phase an, was als besonders hilfreich empfunden wird.

Darüber hinaus kann das Angebot der Interventionen in den Einrichtungen auch um kognitive und körperliche Angebote erweitert sein. Selbstmanagement, Tai-Chi oder Yoga ergänzen das Programm mitunter.

Oft geht es um bestmögliche individuelle Kompromisse zwischen Wünschen des Einzelnen, Möglichkeiten, Akzeptanz und Erfordernissen aus rein sachlicher Sicht.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Bernhard Greitemann

Klinik Münsterland der DRV Westfalen

Auf der Stoewwe 11

49214 Bad Rothenfelde

greitemann@klinik-muensterland.de

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