Informationen aus der Gesellschaft - OUP 07-08/2014

Eröffnungsrede von Prof. Andrea Meurer
62. Jahrestagung der VSOU in Baden-Baden

Sicherlich, es gibt sie noch, die Beispiele: So hat gerade vor kurzem ein sehr illustrer Herrenclub per Wahl entschieden, auch weiterhin keine Frauen aufnehmen zu wollen. Und eine Studie hat ergeben, dass Frauen, die sich zu schlecht entlohnt fühlen, am erfolgreichsten sind, wenn sie angeben, ihr Mann habe ihnen geraten, ein höheres Gehalt zu fordern. Nun ja.

Ein wesentlicherer Grund liegt meines Erachtens darin, dass wir nach wie vor keine schlüssigen Konzepte zur Vereinbarung von Familie und Beruf oder gar Karriere in der Chirurgie haben. Wir leben in einem Land, in dem – sicher motiviert durch ein hohes Schutzbedürfnis – Schwangerschaft wie eine Krankheit behandelt wird. Im Moment der Bekanntgabe greifen Bestimmungen, die der Kollegin einen signifikanten Nachteil gegenüber ihren männlichen Kollegen zuweisen. Verbannt aus dem OP, manchmal sogar aus der Ambulanz, verdonnert zum Arztbriefschreiben und Papierkram, fehlt erhebliche Weiterbildungszeit. Auch die viel berufene Forschung lässt sich so nicht immer fortführen, je nachdem welcher Bereich es ist, und entschädigt auch nicht immer für das Verwehrte. Erstaunlich ist, wie unterschiedlich hiermit in verschiedenen Bundesländern umgegangen wird.

Dazu kommt die Stellensituation der meisten Kliniken, die keine Kompensation mehr zulässt. Personal ist so knapp bemessen, dass jede Schwangere eine Herausforderung an die Personalplanung stellt, jeder Ausfall kaum mehr kompensierbar ist. Es stellt hohe Anforderungen an die Kollegin wie auch an das Team. Und eine Kollegin geht noch irgendwie, aber 2, 3, 4, 5?! Wir haben hierfür keine Konzepte.

Ich bin der festen Ansicht, dass hier das Selbstbestimmungsrecht des Menschen greift und Schwangere natürlich geschützt, aber nicht entmündigt werden dürfen. Will eine Schwangere bei detaillierter Abwägung der Risiken weiter operativ tätig sein, dann muss es ihr ermöglicht werden. Will sie es nicht, dann muss es natürlich ebenso respektiert werden.

Zu beobachten ist jedoch auch, dass nicht wenige Kolleginnen gar keine Karrieregedanken entwickeln. Nach einer Generation, die geprägt war vom: „Dir soll es einmal besser gehen“ ihrer Mütter, nach einer Generation, die sich bewusst beweisen wollte, beobachte ich geradezu eine Retrobewegung unter den jungen Kolleginnen.

Verstehen Sie mich nicht falsch, daran ist überhaupt nichts auszusetzen! Es ist nicht meine Meinung, dass Karriere im Beruf das einzig Glück bringende ist. Was mich an dieser Stelle bewegt ist vielmehr eine andere Frage. Motivation hat viel mit Vorbildern zu tun, Lernen am Modell. Und so frage ich mich, ob wir, ob ich, am Ende gar kein gutes Vorbild bin? Verkörpern wir vielleicht etwas, von dem junge Frauen heute sagen: „Das halte ich nicht für erstrebenswert?“

Vielleicht ist aber auch doch noch zu sehr in unseren Köpfen das Rollenbild der warmen, nachgiebigen, beziehungsorientierten Frau geprägt, und die Eigenschaften, die einem Vorgesetzten zugedacht sind, sind weiterhin männlich belegt: Durchsetzungsvermögen, Härte, Stärke.

Bestes Beispiel: Als sich ein Amtskollege einer großen Operation durch mich unterzog, habe ich gedacht: Der hat aber Mut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch viel zu tun!

Vielen Dank.

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