Originalarbeiten - OUP 01/2012

Evaluation der Inter- und Intra-Untersucher-Reliabilität
eines neuen Instrumentes zur Messung der tibiofemoralen Rotation
Reliability testing of a new device to measure tibial rotation

M. Brockmeyer1, R. Seil2, D. Kohn1, O. Lorbach1

Zusammenfassung: In der vorliegenden Studie wurde getestet, ob sich mit einem neuen digitalen nichtinvasiven Messgerät zur Objektivierung der tibiofemoralen Rotation, dem sogenannten Rotameter, reliable Messergebnisse in Bezug auf die Inter- sowie Intra-Untersucher-Reliabilität erzielen lassen. Es wurden 30 Probanden (15 Männer, 15 Frauen) mit einem durchschnittlichen Alter von 24 (21–27) Jahren untersucht. Gemessen wurde die Außen- und Innenrotation an beiden Kniegelenken in 30º Knieflexion bei einem definierten Drehmoment von 5, 10 und 15 Nm in Bauchlage der Testperson. Die Messungen wurden zu zwei verschiedenen Zeitpunkten und durch zwei unabhängige Untersucher durchgeführt. Mit Hilfe des Intraklassen-Korrelationskoeffizienten (ICC) wurde die Inter- und Intra-Untersucher-Reliabilität ermittelt. Der Pearson-Korrelationskoeffizient wurde eingesetzt, um einen Seitenvergleich des linken mit dem rechten Kniegelenk durchzuführen. Es zeigten sich eine hohe Intra-Untersucher-Reliabilität und eine hohe Inter-UntersucherReliabilität für die Außen- und Innenrotation sowie für die Gesamtrotation bei einem Drehmoment von 5, 10 und 15 Nm. Im Seitenvergleich wurde ebenfalls eine hohe Korrelation der Messwerte deutlich. Mit dem Rotameter lassen sich zuverlässige und reproduzierbare Messwerte für die tibiofemorale Rotation im Kniegelenk bestimmen.

Schlüsselworte: Rotationsstabilität, Messgerät, tibiofemorale Rotation, Knielaxität, vorderes Kreuzband

Abstract: The aim of this study was to evaluate the reliability of a newly developed device to measure tibial rotation, the Rotameter. Thirty healthy subjects (15 males, 15 females) with a mean age of 24 [21–27] years were examined with the Rotameter measurement device. Internal and external rotation of the tibia in relation to the femur was measured in 30° flexion of the knee joint with the testperson lying prone. The measurements were performed at an applied axial tibial torque of 5, 10 and 15 Nm by two independent examiners in order to test the inter-observer reliability. The subjects were retested by the same examiners to test the intra-observer reliability. By using the intraclass correlation coefficient (ICC) the inter- and intra-observer reliability was assessed. The Pearson correlation coefficient was selected to identify the side-to-side-difference. A high intra-observer reliability and a high inter-observer reliability was found at 5, 10 and 15 Nm of applied torque for the external rotation, the internal rotation and the rotational range. High correlations in the Pearson correlation coefficient were also identified for the comparison of left versus right knee joint rotation at all applied torques. In conclusion, the Rotameter testing device for the measurement of tibiofemoral rotation provides reliable results. It might be used in a wide field as a non-invasive instrument to objectively determine rotational stability and to investigate the restoration of the rotational stability after surgical procedures.

Keywords: Rotational stability, Measurement device, Knee laxity, ACL, Tibial rotation

Einleitung

Zur Beurteilung der Knielaxität in der sagittalen Ebene stehen sowohl subjektive Untersuchungen wie der Lachmantest oder die Schubladentests als auch objektive, validierte Messsysteme zur Verfügung. Zu diesen zählen u.a. das KT 1000/2000 Arthrometer® (MEDmetric Corporation, San Diego, Californien) [8] sowie das Rolimeter® (Aircast Europe Ltd, London, England) [10].

Die Rotationsfähigkeit des Kniegelenks lässt sich hingegen bisher lediglich mit subjektiven Tests wie dem Pivot-Shift-Test [22], dem Losee-Test [18] und dem Dial-Test [14] bewerten. Ein objektives Messinstrument ist unseres Wissens zurzeit noch nicht etabliert.

In Zusammenarbeit mit der Universität Luxemburg wurde ein Gerät zur Messung der tibiofemoralen Rotation entwickelt, welches sich am Dial-Test orientiert. Dieses digitale Messgerät wurde Rotameter genannt (Abb. 1).

In den vergangenen Jahren geriet die klassische Einzelbündeltechnik zur Ersatzplastik des VKB in die Diskussion [9] und parallel hierzu wurden Operationstechniken entwickelt, bei denen das vordere Kreuzband mit zwei oder mehr Sehnenbündeln ersetzt wird [7]. Die Wiederherstellung der nativen Kniegelenksstabilität ist ein wichtiges Ziel bei der Ersatzplastik des VKB. Als Vorteil der Doppelbündeltechnik wurde hypothetisch und aufgrund von In-vitro-Untersuchungen eine im Vergleich zum Einzelbündel verbesserte Wiederherstellung der Rotationsfähigkeit genannt [7, 11]. Klinisch steht die Bestätigung dieser Hypothese nach wie vor aus. Im Rahmen dieser Diskussion wäre ein objektives Gerät zur Messung der tibiofemoralen Rotationslaxität von großer Bedeutung, um zum einen eine pathologische Rotationslaxität feststellen zu können und zum anderen die Wiederherstellung der physiologischen Rotationslaxität nach verschiedenen VKB-Rekonstruktionstechniken besser miteinander vergleichen zu können [2].

Neben Einsatzmöglichkeiten im Bereich der Kreuzbandchirurgie sind weitere Anwendungen denkbar. Das Rotameter könnte im Rahmen einer prä- und postoperativen Knieevaluation Aufschluss über das Ergebnis von Kapselbandrekonstruktionen in Bezug auf die Wiederherstellung der Rotationslaxität geben. Die Verbesserung der Diagnostik von Verletzungen posterolateraler Strukturen des Kniegelenks mit Hilfe des Rotameters ist denkbar, da das Gerät sich am Dial-Test orientiert und einen quantitativen Vergleich der Rotationswerte zwischen gesunder und verletzter Seite ermöglicht. Der Dial-Test dient der Bewertung der posterolateralen Kniegelenkslaxität [14]. Ein weiterer Einsatzbereich des Rotameters ist im Rahmen der Therapiekontrolle und Rehabilitation sowie der Entwicklung und Verbesserung von funktionellen Kniebandagen vorstellbar. Grundlegend ist die Bestimmung der physiologischen Werte der Knierotation für Männer, Frauen und Kinder. Die Evaluation möglicher Einflussfaktoren auf die tibiofemorale Rotation erscheint ebenso als sinnvoll wie die Entwicklung eines normalen Gelenkprofils und exakter biomechanischer Kniemodelle.

Material und Methoden

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