Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Evaluation der Knorpelqualität am Talus
Kompressionsinduzierte Strömungspotenziale (SPI) und Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)Compression-induced streaming potentials (SPI) and near infrared spectroscopy (NIRS)

Die Entwicklung arthroskopisch anwendbarer Tastsonden stellt somit einen deutlichen Fortschritt dar. Die Anwendung des arthropec one hat bereits klinisch [26], das Arthro-BST nur experimentell [15, 21] für die Bestimmung von SPI und NIRS in der Anwendung am Knie gute Werte in Bezug auf die Reproduzierbarkeit verschiedener Untersucher gezeigt. In dieser Studie konnte die Messung von NIRS und SPI zur Bestimmung der Knorpelqualität am Talus relativ reproduzierbar mit einem ICC von 0,87 für die SPI-Messungen und 0,76 für die NIR-Messungen durch verschiedene Untersucher erfolgen. Im Vergleich zum MRT, welches bei der Einschätzung von Knorpelschäden in einer Studie von Krampla et al. lediglich eine Inter-Untersucher-Reliabilität von 0,37 aufweist [27], sind die Ergebnisse deutlich besser. Allerdings ist die Praktikabilität des Arthro-BST eingeschränkt durch eine hohe Anzahl von Fehlmessungen und einer geringeren Intra-Untersucher-Reliabilität als beim arthrospec one. In einer vorausgegangenen Studie mit dem Arthro-BST am Knie konnten Becher et al. bereits eine gewisse Lernkurve in der Handhabung des Geräts feststellen [15]. Diese Lernkurve ist durch die Schwierigkeit, den sphärisch geformten Indentor auf den konvex geformten Talus präzise aufzusetzen, hier als noch problematischer einzuschätzen.

Allerdings wurden in dieser Studie für die Anwendung am Talus für beide Geräte keine Korrelationen im Vergleich zum ICRS- und Mankin-Score gefunden. Dies steht im Gegensatz zu den bekannten klinischen und experimentellen Ergebnissen am Knie [8, 15–18, 21]. Bei der Interpretation sind allerdings mehrere Punkte zu beachten: Die Präparate zeigten hauptsächlich geringe Veränderungen der Knorpeloberfläche. Die meisten Tali (n = 58) wiesen einen ICRS-Grad 0 auf und nur n = 3 bzw. n = 11 den hauptsächlich interessanten Bereich eines ICRS-Grad 2–3. Ob bessere Korrelationen, insbesondere bei tatsächlich vorliegenden osteochondralen Läsionen, bei größerer Anzahl verfügbarer Präparate möglich gewesen wäre, bleibt unklar. Die Knorpeldicke der Tali war deutlich geringer als dies bei Untersuchungen des Knies der Fall war. Eine mögliche Abhängigkeit der Anwendbarkeit des Arthro-BST bei geringer Knorpeldicke wurde bereits von Sim et al. beschrieben [16]. Für das arthrospec one soll die Dicke der Knorpelschicht allerdings keinen Einfluss auf das Messergebnis haben [8]. Weiterhin wurde für das Arthro-BST ein neuer Parameter QP (Quantitative Parameter) entwickelt, welcher sich streng umgekehrt proportional zu den SPI verhält. Der Vorteil liegt in der einfacheren Berechnung und seiner geringeren Anfälligkeit gegenüber Störungen in Bezug auf die Ausrichtung des Indentors und der Geschwindigkeit, mit der Druck auf die zu messende Probe gebracht wird [16]. Falls bei Durchführung der Studie der QP bereits zur Anwendung gekommen wäre, hätten die Ergebnisse evtl. anders ausfallen können. Bisher liegen für die NIR-Spektren am Talus keine Referenzwerte vor. In dieser Studie bezogen sich die Werte auf die bekannten Referenzwerte zur Knorpelqualitätsbestimmung am Knie. Ob eine Differenzierung letztendlich möglich ist, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten.

Zusammenfassend kann experimentell in-vitro mit beiden Geräten reproduzierbar die Messung von SPI und NIRS am Talus erfolgen. Allerdings sind bei fehlenden Referenzwerten momentan mit keinem der Geräte valide Aussagen über die Güte und die Einstufung der Werte hinsichtlich der Knorpelqualität am Talus möglich. Zudem muss die Verwendung in-vivo und die arthroskopische Anwendbarkeit in weiteren Untersuchungen noch überprüft werden.

Interessenkonflikt: Keine angegeben

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Christoph Becher

HKF – Internationales Zentrum für Hüft-, Knie- und Fußchirurgie

ATOS Klinik Heidelberg

Bismarckstraße 9–15

69115 Heidelberg

becher.chris@web.de

Literatur

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2. Curl WW, Krome J, Gordon ES, Rushing J, Smith BP, Poehling GG: Cartilage injuries: a review of 31,516 knee arthroscopies. Arthroscopy. 1997; 13: 456–60

3. Brittberg M. Cell carriers as the next generation of cell therapy for cartilage repair: a review of the matrix-induced autologous chondrocyte implantation procedure. Am J Sports Med. 2010; 38: 1259–71

4. Hunter DJ, Schofield D, Callander E: The individual and socioeconomic impact of osteoarthritis. Nat Rev Rheumatol. 2014; 10: 437–41

5. Becher C, Waizy H, Thermann H, Stukenborg-Colsman C: Bildgebende Diagnostik und Klassifikation chondraler und osteochondraler Läsionen am Talus. FussSprungg. 2012; 10: 106–13

6. Jerosch J, Castro WH, de Waal Malefijt MC, Busch M, van Kampen A: [Interobserver variation in diagnostic arthroscopy of the knee joint. „How really objective are arthroscopic findings?“]. Unfallchirurg. 1997; 100: 782–6

7. Oakley SP, Portek I, Szomor Z et al.: Accuracy and reliability of arthroscopic estimates of cartilage lesion size in a plastic knee simulation model. Arthroscopy. 2003; 19: 282–9

8. Spahn G, Felmet G, Baumgarten G et al.: [Evaluation of cartilage degeneration by near infrared spectroscopy (NIRS): methodical description and systematic literature review]. Z Orthop Unfall. 2013; 151: 31–7

9. Becher C, Waizy H, Stukenborg-Colsman C, Thermann H: Therapieoptionen in der Behandlung chondraler und osteochondraler Läsionen am Talus. FussSprungg. 2012; 10: 114–20

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