Originalarbeiten - OUP 01/2012

Experimentelle Kraftmessungen als Beitrag zur Wirksamkeitsbeurteilung
von Schienbeinschonern im Fußballsport
Experimental measurement of forces as a contribution to evaluate the effectiveness of shin guards in soccer

P. Gorißen1, M. Staat1, W. van Laack2

Zusammenfassung: Diese Studie beschäftigte sich mit der Dämpfungswirkung von Schienbeinschonern, wie sie beim Fußball zum Einsatz kommen. Sie wurde mit Hilfe eines Pendelhammers durchgeführt, der verschiedene Aufschlagkräfte auf die Schoner ermöglichte. Dabei wurde deutlich, dass Schienbeinschoner die beste Wirkung bei Maximalkräften unterhalb von 5kN erreichen können, dass bei größerer Belastung allerdings Verbesserungsbedarf besteht. Hierfür konnte, u.a. durch den Einsatz neuer Materialien, ein guter Ansatzpunkt im „adäquaten Zusammenspiel von Schale und Polsterung“ der Schoner gefunden werden.

Die Untersuchung hat weiterhin gezeigt, dass zumindest teilweise eine deutliche Verbesserung der Dämpfungswirkung der Schienbeinschoner in den letzten Jahren erreicht werden konnte.

Schlüsselwörter: Fußball, Schienbeinschoner, Wirkung, Schutz, Dämpfung, Aufschlagversuch

Abstract: This study was conducted to test the damping effects of commercially available soccer shin guards on their damping effects. Therefore a pendulum impact apparatus with varying impact forces was used. It became clear that shin guards show the best effect at maximum forces of less than 5kN. There is however a need for improvement at greater impact forces. A good starting point was found in an „appropriate interaction of shell and padding” of the shin guard.

It was further clarified that a significant improvement on the damping effect could be achieved at least partially over the last years.

Keywords: Soccer, soccer shin guards, efficiency, protection, damping, impact test

Fußball ist eine der populärsten Sportarten der Welt. Die FIFA ermittelte in einer Zählung im Jahr 2006 265 Millionen aktive Fußballspieler weltweit [1]. In Deutschland nehmen laut dieser Studie 20% der Bevölkerung aktiv als Spieler oder als Schiedsrichter am Fußballspiel teil. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) ist der größte Fachverband im Deutschen Sportbund [7] und zählte im Jahr 2010 knapp sieben Millionen Mitglieder, die in über 25000 Vereinen organisiert sind [2].

Laut Henke & Gläser verletzen sich in Deutschland jedes Jahr 1,25 Millionen private Sportler in einem Ausmaß, das eine ärztliche Behandlung der Verletzung erfordert. Der Großteil dieser Verletzungen (45%) erfolgt beim Fußballspiel. Bei den männlichen Sporttreibenden liegt dieser Anteil gar noch höher (58%). Die Kosten für die Behandlung aller Sportverletzungen betrugen im Jahr 2000 mehr als 1,5 Milliarden [7].

Der Landessportverband Schleswig-Holstein verzeichnete im Jahr 1988 als hauptsächliche Verletzung im Fußball die Prellung (50,1%), wobei vornehmlich der Unterschenkel betroffen war. Die Prellungen wurden dabei in erster Linie durch Schläge oder Tritte hervorgerufen [9].

Zur Vermeidung dieser Verletzungen sollen unter anderem Schienbeinschoner dienen, die laut Regel 4 der offiziellen Fußballregeln des DFB 2010/2011 zur Grundausrüstung eines jeden Fußballspielers gehören [2, 3].Über den eigentlichen Nutzen dieser Schoner sind aber nur wenige Untersuchungen und Vorgaben bekannt. Dies wirft die Frage auf, ob tatsächlich Schutz vor einer Verletzung geboten werden kann oder ob es sich bei der Entwicklung eines Schoners stärker um Design und Optik als um Sicherheit dreht?

Zur Beantwortung dieser Fragestellung wurde eine Untersuchung über die Wirksamkeit von Schonern im Hinblick auf ihre Möglichkeit, maximale Kräfte zu reduzieren, indem sie die Stoßzeiten verlängern (Dämpfungswirkung), durchgeführt. Darüber hinaus wurden aus innovativen Überlegungen auch verschiedene andere Materialien im Zusammenspiel getestet, um einen Ansatzpunkt für eventuelle Verbesserungen zu finden.

Zunächst wurde ein Überblick über die Anatomie und Biomechanik des menschlichen Unterschenkels gewonnen, um so Verletzungsvorgänge beim Fußball besser nachvollziehen zu können.

Der Schienbeinschaft ist annähernd dreiseitig geformt und zwischen proximalem und distalem Ende leicht gedreht [8]. Allgemeine Aussagen zu Bruch- und Biegesteifigkeit der Tibia sind schwierig, da Knochen ihre Form entsprechend ihrer Belastung geringfügig ändern können. So weisen z. B. Tibia und Fibula eines trainierten Sportlers häufig einen größeren Querschnitt auf als der eines untrainierten Menschen [9]. Francisco et al. untersuchten die Schienbeine eines Mannes und einer Frau und stellten einen Bruch fest, wenn der Impuls bei einem Aufschlag eine Maximalkraft von (2927 ± 403) N hervorruft [5]. Im Vergleich dazu stellte van Laack schon 1982 fest, dass bei einer Krafteinwirkung von 3,28 kN eine Wahrscheinlichkeit von 50% für einen Bruch der Tibia herrscht [10]. Laut Brinckmann, Frobin und Leivseth [4] beträgt die Bruchspannung der äußeren Knochenschicht (Kortikalis) 150 N/mm² bei einer Bruchdehnung von 1,5%. Im Vergleich dazu weist Baustahl S 185 eine Bruchspannung von 290 – 510 N/mm² bei einer Bruchdehnung von 18% auf.

Experimenteller Aufbau

Während des Stoßvorganges wird der Impuls aufgrund der Krafteinwirkung geändert. Ist es durch den Schoner möglich, die Aufschlagzeit bei gleicher Impulsänderung zu vergrößern, kann also eine Verringerung der Maximalkraft erreicht werden. Das bedeutet, dass bei erhaltener Gesamtkraft die wirkende Maximalkraft verringert wird. Dies wird in Abbildung 1 verdeutlicht. Die beiden Kraft-Zeit-Diagramme zeigen deutlich, dass durch eine Verlängerung der Stoßzeit ? eine Verringerung der Maximalkraft Fmax bei gleichbleibender Impulsänderung p-p0 (das ist die Fläche unter dem Kraft-Zeit-Verlauf) erreicht werden kann.

Eine Skizze des Versuchsaufbaus ist Abbildung 2 zu entnehmen. Ein Pendelhammer mit einer daran angebrachten Hammerfinne schlug auf eine Holzwalze, die mit einem Durchmesser von 80 mm eine ähnliche Form wie ein Unterschenkel besitzen sollte und an der die Schienbeinschoner befestigt wurden. Durch eine Variation der Fallhöhe konnten verschiedene Impulse zum Einsatz gebracht werden.

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