Übersichtsarbeiten - OUP 07/2018

Gelenkerhaltende operative Therapiemöglichkeiten bei Arthrose

Gunter Spahn1, Gunther O. Hofmann2, Thomas Conrad3, Lars Victor von Engelhardt4, 5, Jörg Jerosch6

Zusammenfassung: Gelenkfehlfunktionen (Arthrose) gehören zu den häufigsten orthopädisch-unfallchirurgischen Erkrankungen. Trotz Fortschritten in der Endoprothetik in den letzten Jahrzehnten haben auch gelenkerhaltende operative Maßnahmen weiterhin ihren Stellenwert, vor allem bei jüngeren, aktiven Patienten.

Eine generelle, für jeden Patienten zutreffende Therapieempfehlung kann trotz vorhandener Leitlinie nicht gegeben werden. Jeder Fall ist individuell auf die Bedürfnisse und die jeweiligen Umstände des Patienten abzustellen. Weiterhin ist zu beachten, dass auch die einzelnen Gelenke völlig unterschiedliche Funktionen haben und damit unterschiedliche pathophysiologische Besonderheiten aufweisen.

Daher sind sämtliche operativen Möglichkeiten des Gelenkerhalts wie bioregenerativen Therapien, Debridement, Arthrolyse, Osteotomie, aber auch Arthrodesen und Resektionsarthroplastiken in der Indikation im Einzelfall abzuwägen.

Schlüsselwörter: Arthrose, Arthroskopie, Arthrolyse, Osteotomie, Arthrodese

Zitierweise
Spahn G, Hofmann GO, Conrad T, von Engelhardt LV, Jerosch J:
Gelenkerhaltende operative Therapiemöglichkeiten bei Arthrose.
OUP 2018; 7: 388–395 DOI 10.3238/oup.2018.0388–0395

Summary: Joint malfunctions (osteoarthritis) are the most common diseases in orthopaedic and trauma surgery.
Despite the progress of the arthroplasty in recent decades, also articulated-sustaining surgical measures are important, especially for younger and active patients. A general recommendation for one appropriate therapy for all patients cannot be given, even with existing guidelines. Each case has to be treated individually, according to the needs and circumstances of the patient. Furthermore, joints are completely different in function and thus different pathophysiological particularities have to be considered. Thus all actual surgical therapies have to be considered, as there are bioregenerative therapies, debridement, arthrolysis, and osteotomy.

Keywords: Osteoarthritis, arthroscopy, arthrolysis, osteotomy, arthrodesis

Citation
Spahn G, Hofmann GO, Conrad T, von Engelhardt LV, Jerosch J:
Joint-preserving operative therapies in osteoarthritis.
OUP 2018; 7: 388–395 DOI 10.3238/oup.2018.0388–0395

1 Praxisklinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Eisenach und Universitätsklinikum Jena

2 Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Universitätsklinikum Jena; Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Klinikum Bergmannstrost Halle

3 Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, BG Klinikum Bergmannstrost Halle

4 Private Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit; 5 Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin, Katholisches Karl-Leisner Klinikum Kleve

6 Abteilung für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Definition von Knorpelschaden, Früharthrose und manifester Arthrose

Arthrose ist eine Gelenkfehlfunktion (Arthrosis deformans = „verstümmeltes Gelenk“) aufgrund struktureller Schäden. Den pathophysiologischen Kernprozess dieser Erkrankung bilden die Schäden am hyalinen Gelenkknorpel und am subchondralen Knochen. In die Erkrankung sind aber auch die Synovia mit den zahlreichen Rezeptoren sowie die Bänder, die Faserknorpel-Scheiben (Meniskus, Diskus), die ansetzende Muskulatur und schließlich die gesamte Extremität einbezogen.

Im Gegensatz zur Arthrose stehen Gelenkbeschwerden, die oft als funktionell bezeichnet werden, bei denen trotz intensiver Diagnostik keine strukturellen Veränderungen gefunden werden können.

Über viele Jahre stellte das Röntgen den Goldstandard in der Diagnostik der Arthrose dar. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Veränderungen im Röntgenbild (subchondraler Knochen mit Gelenkspaltverschmälerung, Sklerose, Geröllzystenbildung und Osteophyten-Entwicklung) Spätsymptome der Erkrankung sind. Bereits in den 50-er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Kellgren und Lawrence einen radiologischen Score für die Schweregradbeurteilung von Arthrosen im Bereich der Hüfte und des Kniegelenks. Auch wenn es für einige andere Gelenke hier in Analogie ähnliches gibt, ist diese Klassifikation nach wie vor Basis aller Schweregradeinteilungen [1].

Durch die verbesserten Möglichkeiten der MRT, der Arthroskopie und moderner Verfahren wie der Spektroskopie [2] können heute wesentlich früher initiale Gelenkveränderungen detektiert werden, vor allem am hyalinen Knorpel.

Unabhängig von den nachgewiesenen strukturellen Veränderungen innerhalb der Gelenke bestehen unterschiedliche Krankheitssymptome (Schmerzen, Bewegungseinschränkungen mit daraus resultierenden Funktionseinschränkungen und Verminderung der Lebensqualität des Betroffenen). Dabei besteht oft eine große Diskrepanz zwischen klinisch-radiologischem Befund und dem individuellen Leidensdruck des jeweiligen Menschen. Ebenso sind Leitsymptome der Erkrankung bei unterschiedlichen Gelenken zum Teil recht verschieden. So ist beispielsweise der Knieschmerz ein ubiquitäres Phänomen in allen entwickelten Industrieländern. Die Knieschmerzen sind sicherlich das Leitsymptome der Gonarthrose, aber der Schweregrad der Arthrose korreliert keineswegs mit der Symptomatik. Bereits Kellgren und Lawrence konnten zeigen, dass nur ca. 70 % aller Patienten mit einer schweren radiologischen Arthrose auch wirklich ernsthafte Knieprobleme hatten [1]. Dagegen besteht innerhalb der Bevölkerung bereits ab dem 14. Lebensjahr eine Knieschmerz-Prävalenz von 30 % (gelegentlich bis ständig) [3].

Bei vielen anderen Gelenken stehen dagegen oft die Funktionseinschränkungen im Vordergrund. So ist das Leitsymptom zumindest im frühen Stadium der Koxarthrose nämlich nicht der Leistenschmerz, sondern die Bewegungseinschränkungen und die damit verbundenen Gangstörungen. Andere radiologisch nachgewiesenen Arthrosen verursachen bei den Betroffenen häufig überhaupt keine Symptome oder Schmerzen (z.B. ausgeprägte Heberden-Arthrosen der Finger).

Unabhängig davon, wie man die Arthrose definiert (klinische, nativ-radiologische, symptomatische radiologische Arthrose oder anhand von sonstigen diagnostischen Methoden), geht man davon aus, dass ca. 20–25 % aller Menschen in Deutschland in irgendeiner Weise unter diesem Krankheitsbild leiden.

Die Arthrose-Prävalenz steigt dabei mit zunehmendem Lebensalter kontinuierlich an. Zwischen dem 30. bis 40. Lebensjahr gibt es dabei keine Geschlechtsunterschiede, allerdings kommt es jenseits dieser Altersgruppe bei Frauen bis zum 70. Lebensjahr und darüber zu einer Verdopplung der Arthrose-Prävalenz. Die Inzidenz der Erkrankung steigt innerhalb der Lebensalter-Dekaden um jeweils 10 % [4].

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