Editorial - OUP 11/2016

Hüftgelenktraumatologie

Medizin ist im Fluss, dies gilt auch für „etablierte“ Indikationen und Osteosyntheseverfahren an Azetabulum und Femur. Die Fortschritte ergeben sich aus verbesserten Implantaten, aber auch neuen Zugangswegen und geänderten klinischen Anforderungen. Letztere werden durch die älter werdende und länger aktiv bleibende Bevölkerungsstruktur bestimmt.

Gerade für das Hüftgelenk und den Oberschenkel gilt, dass es regelhaft 2 prinzipielle Verletzungsformen gibt. Zum einen die kleinere, aber hoch anspruchsvolle Kohorte junger Patienten, die ein Hochrasanztrauma erleiden, und bei denen begleitend sehr oft eine Polytraumatisierung vorliegt. Auf der anderen Seite die große Gruppe der betagten Patienten, die schon bei niedriger Rasanz Frakturen erleiden, oft bei vorbestehender Osteoporose oder bei einliegenden Implantaten. Beide Patientengruppen haben einen hohen, aber jeweils spezifischen Anspruch an die Versorgung mit dem Ziel, Funktion und Lebensqualität wiederherzustellen.

Dieses Themenheft hat nicht den Anspruch, die Frakturen von Hüftgelenk und Oberschenkel didaktisch umfassend darzustellen. Vielmehr sollen aktuelle Standards und neuere Entwicklungen mit dem Potenzial zur Etablierung als Regelversorgung dargestellt werden. Die klassischen Zugangswege zum Hüftgelenk in der Traumatologie werden von Christoph Erichsen, Mario Perl und
Alexander Woltmann beschrieben. Aktuell gewinnt der weichteilschonende retroperitoneale und direkte Zugang zum Hüftgelenk zunehmend an Beachtung. Marius Keel und Andreas Thannheimer beleuchten den sogenannten Pararectus-Zugang als bedenkenswerte Alternative und berichten über ihre Erfahrungen und Ergebnisse.

Die Behandlung proximaler Femurfrakturen beim älteren Menschen wird heute als ganzheitliche Therapie mit der Notwendigkeit einer sofort belastbaren Versorgung gesehen. Hier berichten federführend Severin Langer, Thomas Klier und Martin Lorenz über das heute in der BG Unfallklinik Murnau und am Klinikum Garmisch-Partenkirchen etablierte Konzept, das sich durch konsequente Interdisziplinarität auszeichnet. Ergänzt wird diese Übersicht durch eine Ursachenanalyse für das Versagen von Marknägeln im Bereich des proximalen Femur. Bei den hoch instabilen Frakturformen sind Brüche der Marknägel leider nicht selten. Ursachenanalyse und Revision erfordern fundierte biomechanische Kenntnisse.

Die beiden weiteren Artikel sind Sondersituationen des Oberschenkels gewidmet. Wolfgang Lehmann und Mark Lenz analysieren die Biomechanik der periprothetischen hüftgelenknahen Frakturen. Diese nehmen in den letzten Jahren nicht nur stetig, sondern exponentiell zu. Biomechanische Kenntnisse sollen helfen, bei der prothetischen Erstimplantation und späteren notwendigen Versorgung wiederum das Ziel einer Vollbelastbarkeit und sicheren Knochenheilung zu erreichen. Mehretagenfrakturen des Oberschenkels sind selten, hinsichtlich ihrer Versorgungstaktik beim zumeist polytraumatisierten Patienten jedoch anspruchsvoll. Christian von Rüden fasst federführend die in Murnau etablierten operativen Strategien insbesondere mit Hinweisen zu den Möglichkeiten einer Kombination extra- und intramedullärer Osteosynthesen zusammen.

Wir wünschen dem Leser eine informative Lektüre und sind für jegliche Anregungen und Bemerkungen jederzeit dankbar.

Prof. Dr. med. Volker Bühren

Ärztlicher Direktor

BG Unfallklinik Murnau

Dr. med. Christian von Rüden

Oberarzt

BG Unfallklinik Murnau

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