Übersichtsarbeiten - OUP 06/2020

Hyaluronsäure intraartikulär bei Gonarthrose*
Katamnestische Erhebungen zur Effizienz

Bemerkenswert ist darüber hinaus, dass die Behandlungsresultate bei im Vordergrund stehenden femoropatellaren Veränderungen tendenziell günstiger waren als bei femorotibialen Aufbrauchserscheinungen. Hier ist wahrscheinlich die Tatsache mit ausschlaggebend, dass das Femoropatellargelenk im Alltag bei ebenerdiger axialer Belastung weniger gefordert wird.

Auch körperliches Übergewicht scheint ein prognostisch eher ungünstiger Faktor für eine intraartikuläre Hyaluronsäurebehandlung zu sein. Unter diesem Aspekt sollte der Patient zuvor dringlich zur Verminderung einer raschen Progredienz seiner Gonarthrose auf eine Normalisierung seines Körpergewichts achten.

Die genaue Wirkungsweise einer intraartikulären Hyaluronsäure-Applikation scheint auch weiterhin nicht eindeutig geklärt. Eine überwiegend mechanische Wirkung infolge einer Verbesserung der Gleiteigenschaften der Gelenkpartner ist für die über doch viele Monate andauernde durchaus gute Wirkung des Präparates (bei nur relativ kurzer intraartikulärer Präsenz) sicherlich nicht ausschlaggebend, auch wenn in nicht wenigen Fällen (n = 29) von einer deutlichen Besserung der Beschwerdesymptomatik bereits nach der ersten bzw. zweiten Injektion berichtet wurde. Möglicherweise interagiert die Hyaluronsäure mit dem Knorpelstoffwechsel biochemisch (Steigerung der körpereigenen Hyaluronsäuresynthese? [1]), diese Funktion ist allerdings nicht eindeutig belegt. Hierbei könnten histologische und oder biochemische Studien möglicherweise zur Klärung beitragen. Auch wenn keine verblindeten Vergleichsstudien vorliegen, scheint die Effizienz einer Hyaluronsäure-Injektion einem Placebo überlegen zu sein.

Ähnlich wie Jerosch es formulierte [8], scheint die intraartikuläre Applikation von Hyaluronsäurederivaten bei Gonarthrose aufgrund der hier vorgelegten katamnestischen Auswertung eines größeren Krankenguts im Rahmen der konservativen Behandlungsstrategien bei Versagen konventioneller medikamentöser und/oder physikalischer bzw. bewegungstherapeutischer Maßnahmen einen durchaus akzeptablen Stellenwert zu besitzen.

Während Studien aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts [5, 6, 10] teilweise eine unzureichende Effizienz intraartikulär applizierter Hyaluronsäure im Falle einer Gonarthrose publizierten, scheint in neueren größeren Metaanalysen [9, 13, 2, 3, 12] doch eine gesicherte Wirksamkeit belegt. Die Nebenwirkungsrate wird als sehr niedrig beschrieben, durch die Optimierung der Herstellung (Verzicht auf Hahnenkammpräparate) wurden deutlich weniger Allergisierungen verzeichnet.

Hochmolekulare Hyaluronsäurepräparate müssen speziell für eine Einmalinjektion (Vorteil: geringeres Infektionsrisiko) zugelassen sein. Hier erwies sich Hylan GF-20 bei Einmalgabe als durchaus effizient, allerdings eher an Gelenken wie Schulter, Hüfte und Sprunggelenk, weniger am Kniegelenk [4]. Andere neuere Studien dokumentieren, dass Einmalinjektionen hochmolekularer Substanzen Serieninjektionen von Präparaten mit niedrigerem Molekulargewicht gleichwertig sind. Andererseits fanden Zóboli et al. 2013 heraus, dass eine Einmalgabe von 6 ml einer linearen Hyaluronsäure im Hinblick auf die Schmerzreduktion weniger effektiv ist als 3 Einzeldosen von 2 ml, appliziert in wöchentlichen Abständen [14].

Abschließend kann bezüglich des Einsatzes von Hyaluronsäurepräparaten in Anlehnung, Ergänzung und Modifikation der Richtlinien, publiziert von Madry/Kohn [11], aktuell für die Indikationsstellung Folgendes festgehalten werden:

  • 1. als Zweitstrategie bei nicht ausreichender Effizienz, Kontraindikation oder Notwendigkeit einer Dauermedikation von NSAIDs;
  • 2. bei moderater bis mittelschwerer Gonarthrose bei radiologisch noch erhaltenem Gelenkspalt;
  • 3. bei Patienten jünger als 70 Jahre;
  • 4. nur in Ausnahmeindikationen bei ausgeprägter Adipositas;
  • 5. zur temporären Beschwerdelinderung im Sinne eines „Disease-modifying-Effekts“ (i.A. für 6–9 Monate);
  • 6. 3–5 intraartikuläre Injektionen in 1–3-wöchigen Abständen.

Interessenkonflikt:

keine angegeben

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Dr. Annemieke Heisel

Jörglestraße 15/2

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