Arzt und Recht - OUP 02/2019

Jameda-Rechtsprechung
Update und Überblick

Heiko Schott

„Patienten gegenüber herablassend.“, „Der Arzt ist eine Katastrophe”, „Schulnote 5 bis 6“ – so liest es sich bei einigen Ärzten auf dem Bewertungsportal Jameda.

Kaum jemand hinterfragt aber, wer sich hinter dem Kommentar verbirgt – tatsächlich ein schlecht behandelter Patient? Ein Neider? Ein Konkurrent? Sowohl aus persönlichen Gründen der Eitelkeit, als auch aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Aspekten heraus sind negative Portalbewertungen für Ärzte naturgemäß ein Dorn im Auge. Es stellt sich daher die Frage, was ist zulässig, was nicht, oder besser: Was muss man eigentlich tatsächlich hinnehmen?

Chronologie der
BGH-Rechtsprechung

In den letzten Jahren beschäftigte das Bewertungsportal öfters Gerichte aller Instanzen, mehrfach bis zum Bundesgerichtshof. In einem ersten Urteil zum Ärztebewertungsportal vom 01.07.2014 (BGH, Az. VI ZR 345/13) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Ärzte im Falle persönlichkeitsverletzender Bewertungen zwar Unterlassung – und somit Löschung – verlangen könnten, aber keine Auskunft über die Daten des bewertenden Patienten. Lediglich 2 Monate später (BGH, Az. VI ZR 358/13) ging es in einer weiteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum ersten Mal darum, die Zulässigkeit der Aufnahme eines Arztes auf dem Bewertungsportal gegen dessen Willen zu prüfen. Das Gericht sprach dem damals klagenden Arzt keinen Anspruch auf Löschung seiner Daten vom Portal zu, da das öffentliche Interesse höher zu bewerten sei als das Recht des Arztes auf die sogenannte informationelle Selbstbestimmung.

Die ersten strengen Grundsätze stellte der Bundesgerichthof sodann erst in der Entscheidung vom 01.03.2016 (BGH, Az. VI ZR 34/15) auf, indem er dem Bewertungsportal deutlich weitergehende Prüfungspflichten auferlegte, um bei Beschwerden von Ärzten über falsche und persönlichkeitsverletzende Inhalte nachzugehen. Schließlich folgte sodann die aus Arztsicht zwar äußerst positive Entscheidung vom 20.02.2018 (BGH, Az. VI ZR 30/17), die allerdings in Bezug auf ihre tatsächliche Reichweite bedauerlicher Weise zunächst oftmals überschätzt wurde. Mit diesem Urteil stellte das Gericht fest, dass nach § 35 II 2 Nr. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) personenbezogene Daten zu löschen seien, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Dies sei hier der Fall gewesen, da Jameda mit dem Angebot zahlungspflichtiger Premiumpakete – anders als noch im Jahre 2014 – seine Stellung als „neutraler” Informationsvermittler verlassen habe. Dieser Gesichtspunkt habe sich im Rahmen der Interessensabwägung nach § 29 I 1 Nr. 1 BDSG entscheidend gegen Jameda ausgewirkt. Die klagende Ärztin erreichte so, dass Daten von Ärzten, die nicht bei Jameda gelistet werden wollen, gelöscht werden müssen. Jameda hat diesbezüglich sofort nach Urteilsverkündung reagiert: In der auf das Urteil folgenden Pressemitteilung hieß es, man habe die „Anzeigen mit sofortiger Wirkung zur weiteren rechtmäßigen und vollständigen Listung von Ärzten entsprechend angepasst”.

Und genau hier liegt das Problem – was auf den ersten Blick als eindeutiges Urteil erscheint, verblasst auf den zweiten Blick deutlich. Der BGH hat den Informationsanspruch der Patienten nämlich grundsätzlich bestätigt und dabei auf die entsprechenden früheren Urteile verwiesen – der Löschungsanspruch, der sich aus dem aktuellen Urteil ergibt, wird lediglich aufgrund der im Vordergrund stehenden wirtschaftlichen Interessen der Plattformbetreiber ermöglicht. Wenn Jameda also, wie unmittelbar geschehen, die Premiumpakete beseitigt oder die Listen für alle gleich darstellend, besteht weiterhin kein Anspruch darauf, seine Daten von der Plattform löschen zu lassen. Die vom Bundesgerichtshof angeführte und oben dargestellte Grundrechtsabwägung fällt dann nämlich – entsprechend der vorausgegangenen Rechtsprechung – wieder zugunsten des Informationsanspruchs und somit zugunsten von Jameda aus.

Eine gestärkte Rechtsposition für Ärzte lässt sich daher rein tatsächlich dieser Entscheidung nicht entnehmen.

Handlungsmöglichkeiten und Voraussetzungen

Keineswegs ist es auch und gerade in Anbetracht der dargestellten Rechtsprechung so, als müsse der Bewertete alles akzeptieren, was über ihn veröffentlicht wird. Geschützt sind nämlich nur Meinungsäußerungen und die Darstellung wahrer Tatsachen. Unwahre Tatsachen hingegen sind nicht geschützt.

Die juristische Unterteilung kann grob wie folgt gezogen und definiert werden:

Eine Meinungsäußerung ist gekennzeichnet durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens und des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.09.2015, Az. 1 BvR 3217/14). Im Gegensatz zu Tatsachenbehauptungen sind Meinungsäußerungen wegen des subjektiven Bezug des Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung nicht dem Beweis zugänglich, das heißt nicht überprüfbar im Sinne von wahr oder falsch.

Im Gegensatz zu einer Meinungsäußerung handelt es sich bei einer Tatsachenbehauptung um eine Äußerung, die einer objektiven Klärung zugänglich und damit, wenn sie wahr ist, beweisbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.03.2017, Az. 1 BvR 3085/1).

Diese Unterteilung ist alltäglich von immenser Bedeutung, da eine mehr als nur erhebliche Anzahl der Bewertungen Tatsachenäußerungen enthält, die durch das Portal zu entfernen sind, wenn sie sich als nicht beweisbar wahr darstellen. Beispielweise seinen hier Bewertungen genannt wie:

„Der Arzt hat die falsche Diagnose gestellt.“, oder „Der Arzt hat einen Bandscheibenvorfall übersehen“.
Bei derartigen Veröffentlichungen müsste Jameda durch Rückfrage bei dem Bewertenden Informationen beibringen, die die getroffene Bewertung als wahre Tatsache beweisen können. Die ist allerdings selten und in wenigen Konstellationen möglich, weshalb die Einträge in diesen Fällen zu löschen sind. Es besteht gegen das Bewertungsportal ein Unterlassungsanspruch.

Fazit

In der täglichen anwaltlichen Praxis hat sich herausgestellt, dass die anwaltliche Überprüfung von negativen Bewertungen mit dem Ziel der Löschung und Entfernung äußerst sinnvoll erscheint und oft zielführend ist.
Wegen der teilweise gegebenen Komplexität der juristischen Klassifizierung von anzugreifenden Bewertungen, sollte Abstand vom „Selbstversuch“ genommen werden. Durch die korrekte außergerichtliche Korrespondenz mit dem Portalbetreiber gelingt es regelmäßig, negative Bewertungen ohne gerichtliche Verfahren aus der Welt zu schaffen. Schlussendlich sei noch darauf hingewiesen, dass Rechtschutzversicherer grundsätzlich – versichertes Risiko vorausgesetzt – die Kosten der Rechtsverfolgung tragen.

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