Übersichtsarbeiten - OUP 09/2016

Klassifikation von Knorpelschaden und Arthrose

Die Qualität der MRT-Diagnostik beim Knorpelschaden hängt vor allem von der jeweiligen Knorpeldicke in der interessierenden Region ab. Liegen dicke Knorpelschichten (Patella, Femurcondyle) vor, so ist eine gute Validität zu erwarten. Schwerer ist hingegen die Beurteilung von Regionen mit dünner Knorpelschicht, z.B. im Bereich der Tibiaplateus (Abb. 2).

Die MRT, zumindest wie sie derzeit in der Routine angewandt wird, ist bezüglich der Beurteilung des Schweregrads von Knorpelschäden keineswegs sehr genau. Krampla et al. [5] fanden eine Sensitivität bei der Beurteilung der „Chondropathie“ von 33,8–44,7 % und eine Spezifität von 88,3–93,5 %. Die Interobserver-Korrelation betrug nur 0,262–0,262. Dabei hing die Reliabilität weniger von der technischen Ausstattung der MRT-Geräte (1,0–3,0 Tesla) ab, allerdings fanden sich höhere Interobserver-Korrelationen bei Radiologen mit längerer Berufserfahrung. McNicholas et al. [6] beurteilen die Güte der MRT-Diagnostik ebenfalls schlecht und halten sie nur für die Beurteilung der dicken Knorpelschicht an der Patella für valide. Spezielle MRT-Techniken verbessern die diagnostischen Möglichkeiten bei der Beurteilung des Gelenkknorpels. Schmid et al. [7] beurteilten die Reliabilität der Knorpeldiagnostik an der Patella bei Anwendung von MEDIC (2D multiple-echo data image). Für geringergradige Knorpelschäden (Grad 2) fanden sie dabei eine Genauigkeit von 79–81 % und bei tieferen Schäden (Grad 3–4) eine Genauigkeit von 83–91 %. Aber auch das dGEMRIC (delayed gadolinium-enhanced magnetic resonance imaging of cartilage ist kein Garant für eine hohe Interobserver-Reliabilität. Tiderius et al. [8] fanden dabei vor allem eine schlechte Interobserver-Varianz bei der Beurteilung dünner Knorpelschichten, vor allem im Lateralkompartiment des Knies. Auch Eckstein et al. [9] fanden für die Beurteilung der tibialen Gelenkabschnitte deutlich schlechtere Werte bezüglich der Genauigkeit und Spezifität im Vergleich zu Patella und Femurkondyl. Im Jahre 1988 beschrieben Wilson et al. [10] erstmals in der T2-Wichtung innerhalb der Spongiosa gelenknahe auftretende Hyperdensitäten. Im Hinblick auf die unbekannte Ätiologie bezeichnete er dieses als idiopathisches Knochenmarködem (bone marrow oedema). Diese BML wird heute in der Regel auch als transiente Osteoporose bezeichnet. Insbesondere in der angloamerikanischen Literatur wird dieses MRT-Symptom oftmals auch als BML (bone marrow lesion) bezeichnet. Die Ergebnisse einer eigenen Literaturrecherche haben gezeigt, dass BML ein wichtiges Symptom beim degenerativ veränderten Kniegelenk ist. Möglicherweise sind die BML sogar ein wesentlicher Prädiktor für die Arthroseprogression.

In verschiedenen epidemiologischen Studien bzw. auch Therapie-Kontrollstudien werden heute MRT-Scores verwendet, die eine Gesamtschau aller Befunde im Gelenk umfassen.

Die bekanntesten MRT-Scores sind dabei der Whole-Organ Magnetic Resonance Imaging Score (WORMS) and Boston-Leeds Osteoarthritis Knee Score (BLOKS) [11,12]. Diese schließen alle bei der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse ein. Für die klinische Praxis sind diese sehr aufwendigen Auswertungen jedoch derzeit untauglich. Möglicherweise erlangen diese Scores aber in Zukunft durch digitale Bildanalyse größere Bedeutung.

Arthroskopie

Bei circa 60–80 % aller Arthroskopien am Kniegelenk werden Schäden am hyalinen Gelenkknorpel vorgefunden. Die häufigsten Lokalisationen sind die Kniescheibenrückfläche sowie das mediale Kompartiment, hier vor allem die sogenannten Hauptbelastungszonen.

Bereits 1743 beschrieb Sir Wiliam Hunter[13] verschiedene Schweregrade der Erkrankung: Initial die Abweichung, als mittleres Stadium den Aufbruch mit einem Knorpelaufbruch bis zum Knochen herab und schließlich den kompletten Defekt (Knorpelglatze). Mit Etablierung der Arthroskopie wurden verschiedene Schweregradeinteilungen für den Knorpel entwickelt (< 50 verschieden Klassifikationen). Alle sind rein deskriptiver Natur, sie beschreiben entweder die Tiefenausdehnung der Schädigung, andere orientieren sich an der Flächenausdehnung und wieder andere unterscheiden nach einzelnen Gelenkkompartimenten oder fassen diese 3 Aspekte zusammen.

Wenngleich die Klassifikation nach Outerbridge [14] ursprünglich gar keine arthroskopische Klassifikation war, ist sie über Jahrzehnte die gebräuchlichste und wird auch heute noch in vielen Kliniken angewandt [15].

Für wissenschaftliche Publikationen und auch auf Empfehlung der Fachgesellschaften sollte die einheitliche Klassifikation der ICRS (International Cartilage Repair Society) [16] verwendet werden (Abb. 3).

Obwohl die Arthroskopie als Methode der Wahl für die Klassifikation von Knorpelschäden gilt, was mit der Möglichkeit einer direkten Betrachtung gesehen wird, hat sie bezüglich ihrer Validität ein Reihe von Limitationen. Sie ist eine rein deskriptive Methode, da sie allein vom subjektiven, visuellen Eindruck des Operateurs abhängt. Der Gebrauch eines Tasthakens ermöglicht es zwar dem Operateur, die Knorpelflächen zu sondieren, eine taktile Untersuchung ist es hingegen nicht, da der Operateur lediglich die Wirkung seiner Manipulationen auf dem Monitor verfolgt. Da es keinen „Standardtasthaken“ gibt, sondern die Spitzen der Haken unterschiedliche Größe und Form haben und der jeweilige Operateur mit individuellem Druck den Knorpel sondiert, unterliegt die Beurteilung der „Erweichung“ oder der „Eindringtiefe“ bei der Palpation einer großen Variabilität. Zudem können technische Details (z.B. Densität des Ergusses, Qualität des Equipments, Kameraeinstellung usw.) die Untersuchung beeinflussen [17].

Seit längerer Zeit wird daher versucht, diese individuellen, vom jeweiligen Operateur und von anderen Einflüssen abhängigen Untersuchungsergebnisse durch eine objektive Messung des Chondropathiegrads zu ersetzen. Prinzipiell ist es möglich, den Grad der Knorpelaufweichung mechanisch zu messen. Für die Arthroskopie sind solche Geräte jedoch zu groß und zu unhandlich, sodass sich diese Methode bisher nicht durchsetzen konnte [18].

Der Knorpel ist im physikalisch-chemischen Sinn ein Gel, welches sich im Verlauf der Schädigung in seiner stofflichen Zusammensetzung und der Konzentration von Wasser, Kollagen und anderen Bestandteilen verändert. Dies lässt sich durch eine NIRS-Spektralanalyse (Absorption von Licht im nahen Infrarotbereich, NIRS = Nah-Infra-Rot-Spektroskopie) sehr gut nachweisen.

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