Übersichtsarbeiten - OUP 01/2016

Knochenstrukturanalyse nach Oberflächenersatz an der Schulter

Michael Hahn1, Thorsten Schulz2, Klaus Peikenkamp2, Jörg Jerosch2

Zusammenfassung: Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der retrospektiven Analyse der knöchernen Reaktion nach erfolgter Therapie mit einer Oberflächenersatz-Endoprothese am Humerus.

Material und Methodik: Insgesamt 13 explantierte Oberflächenersatz-Endoprothesen mit unterschiedlichen Standzeiten wurden im Verbund mit anhaftendem Knochengewebe für die histologischen Untersuchungen unentkalkt aufgearbeitet. Es folgte eine qualitative Befundung und quantitative Analyse etablierter Knochenstrukturparameter. Diese wurden in Zusammenhang mit der Standzeit sowie mit dem Alter der Patienten bewertet.

Ergebnisse: Die Untersuchungen zeigen, dass die Knochenzellaktivität bzw. der Knochenumbau in den meisten Fällen reduziert ist, wobei vereinzelt eine Knochenverdichtung am Kappenrandbereich zu finden ist. Generell ist aber ein Knochensubstanzverlust unterhalb der Kappe zu beobachten. Der Knochensubstanzverlust ist altersunabhängig, korreliert aber signifikant mit der Standzeit der Implantate.

Fazit: Die Ergebnisse werden als Resultat einer veränderten mechanischen Belastungssituation nach Einbau des Implantats interpretiert. Das heißt, der Knochen unter der Kappe passt sich hinsichtlich Form, Struktur und Masse der neuen funktionellen Beanspruchung durch das Implantat an, was bei einer notwendigen Wechseloperation zu berücksichtigen ist.

Schlüsselwörter: Schulter, Oberflächenersatz, Knochenverlust

Zitierweise
Hahn M, Schulz T, Peikenkamp K, Jerosch J: Knochenstrukturanalyse nach Oberflächenersatz an der Schulter
OUP 2016; 1: 054–060 DOI 10.3238/oup.2015.0054–0060

Summary: This study attends to the retrospective analysis of bony reaction after the ensured therapy with a humeral head resurfacing prosthesis.

Material and Methods: Overall 13 explanted humerus caps with different lifetimes in combination with adherent bone tissues could be refurbished for the histological analysis. Afterwards there was a qualitative appraisal and a quantitative analysis of established bone tissue parameters. These were evaluated with the lifetime as well as the patient’s age.

Results: Our findings show that the bone cell activity respectively the bone remodeling was reduced in most cases. Some cases show a bone densification at the edge of the cap. Generally bone loss is observed beneath the cap. The bone loss does not depend on the age, but correlates significantly with the lifetime of the implants.

Conclusion: The outcomes are interpreted as a result of the changing mechanical stress situation after the implantation. Therefore the bone beneath the cap adapts his form, structure and mass to the new functional load of the implant (Transformation law of Wolff).

Keywords: shoulder, resurfacing, bone loss

Citation
Hahn M, Schulz T, Peikenkamp K, Jerosch J: Reaction of the bone
below a resurfacing at the shoulder?
OUP 2016; 1: 054–060 DOI 10.3238/oup.2015.0054–0060

Einleitung

Zur Therapie pathologisch veränderter Schultergelenke kommen seit geraumer Zeit vermehrt Oberflächenersatz-Implantate zum Einsatz. Diese Implantate sind von verschiedenen Herstellern auf dem Markt, wobei die Implantate grundsätzlich vergleichbar aufgebaut sind. Sie bestehen alle aus einer annähernden Halbkugelschale (Kappe) mit einem darin liegenden Zapfen. Das Implantat dient zur Rekonstruktion des zerstörten Caput Humeri und zur Wiederherstellung der Anatomie bei minimaler Knochenresektion, wodurch sich Rückzugswege für den späteren Einsatz einer Endoprothese im Zuge eine Wechseloperation ergeben [1]. Unterschiede gibt es im Material, und auch das Design weist zum Teil Besonderheiten auf, wie z.B. Beschichtungen.

Wichtig für die Implantation ist, dass ausreichend Knochensubstanz zur Verankerung der Kappe vorhanden ist. Fink et al. [2] weisen darauf hin, dass es gerade bei jungen Patienten indiziert sei, eine Kappe zu implantieren, da mit dem Oberflächenersatz bei dieser Patientengruppe der Einsatz einer Totalendoprothese für einige Jahre überbrückt werden kann. Diese setzt voraus, dass es durch den langjährigen Einsatz der Oberflächenimplantate zu keiner gravierenden Veränderung des periprothetischen Knochengewebes kommt und sich der nach der Explantation der Kappe verbleibende Knochen als Lager für eine Totalendoprothese eignet.

Klinisch von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Frage, wie sich der Knochen unter dem Oberflächenersatz nach längerer Standzeit des Implantats verhält, und ob mögliche Veränderung Auswirkungen auf eine nachfolgende Implantation haben.

Material und Methoden

Für die Untersuchungen standen 13 explantierte Kappenendoprothesen der Schulter mit dem verbliebenen Knochengewebe innerhalb der Kappe zur Verfügung. Die Explantate wurden über einen Zeitraum von 6 Jahren gesammelt. Für alle 13 Fälle lagen die klinischen Daten vor. Sieben Fälle stammen von weiblichen und 6 von männlichen Patienten im Alter von 50–84 Jahren. Die untersuchten Kappen unterteilen sich in 4 verschiedene Modelle (Abb. 1). Alle Kappen wurden im Zeitraum von 2005–2012 implantiert und zwischen 2006 und 2012 explantiert. Die Standzeit variierte zwischen 3 und 79 Monaten, der Mittelwert lag bei 19,6 Monaten, der Median hingegen bei 7 Monaten. Die häufigste
Diagnose, die zum Einbau der Oberflächenersatzendoprothesen geführt hat, war die Omarthrose (n = 6), gefolgt von der Defektarthropathie (n = 3), Rheuma (n = 1), sekundäre Omarthrose nach Defektarthropathie (n = 1) und posttraumatische Arthrose nach Plattenosteosynthese einer Oberarmkopffraktur (n = 1). Bei einem Fall konnte die Diagnose aus den Unterlagen nicht nachvollzogen werden. Die Explantation der Kappenimplantate erfolgte aufgrund unterschiedlicher Diagnosen, die in Tabelle 1 aufgeführt sind.

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