Übersichtsarbeiten - OUP 02/2019

Knorpeltherapie am oberen Sprunggelenk

Bahman Ajali

Zusammenfassung:

Die regenerative Knorpeltherapie hat in den letzten Jahren einen deutlichen Wandel erfahren.
Bis vor 10 Jahren bestand die Knorpeltherapie im Wesentlichen aus Mikrofrakturierung bzw.
osteochondraler Transplantation. Bildung von minderwertigem Faserknorpel bzw. begrenzte
Verfügbarkeit der Knorpel-Knochen-Zylinder und die Entnahme-Morbidität waren Anlass für
weitere intensive Forschung, die in matrixassozierte bzw. zellbasierte Therapieverfahren führten. In diesem Artikel werden die verschiedenen regenerativen Knorpeltherapieverfahren mit den
jeweiligen Vor- und Nachteilen vorgestellt. Am Ende des Beitrags stellen wir die von uns bevorzugt eingesetzten Verfahren der zellfreien matrixassozierten Knorpeltherapie vor.

Schlüsselwörter:
azelluläre Matrix, Bassett-Ligament, AMIC, ACT

Zitierweise:
Ajali B: Knorpeltherapie am oberen Sprunggelenk. OUP 2019; 8: 100–105

DOI 10.3238/oup.2019.0100–0105

Summary: Regenerative cartilage therapy has undergone significant changes in recent years. 10 years ago,
cartilage therapy consisted mainly of microfracturing or osteochondral cylinder transplantation. The formation of low-quality fibrous cartilage or the limited availability of osteochondral cylinders and the donor site morbidity were the reasons for further intensive research, leading to matrix-associated and cell-based therapy. In this
article, the various regenerative cartilage therapy methods are presented with advantages and disadvantages of each method. Finally we list our preferred methods of cell-free matrix-associated cartilage therapy.

Keywords: acellular matrix, Bassett‘s Ligament, AMIC, ACT

Zitierweise: Ajali B: Ankle cartilage repair. OUP 2019; 8: 100–105 DOI 10.3238/oup.2019.0100–0105

Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Johanna-Etienne-Krankenhaus, Neuss

Einleitung

Das Sprungbein hat als einziger Knochen des Fußes unmittelbare Verbindung zum Unterschenkel. Es leitet die Last nach dorsal in Richtung Ferse und ventral in Richtung Mittel- und Vorfuß um. So nimmt der Talus eine Schlüsselrolle im Bereich der unteren Extremität ein. Die Knorpelschicht der Talusrolle ist mit 0,9–2,8 mm im Vergleich zum Knie deutlich dünner ausgebildet [17]. Der Anteil der Chondrozyten ist mit 5 % relativ gering. Diese sind jedoch gegenüber katabolen Reaktionslagen relativ resistent, vermutlich aufgrund der in diesen Zellen gesteigerten Proteoglykan-Synthese im Vergleich zu den Chondrozyten anderer Gelenke [6]. Die Knorpelschädigung am Talus betrifft häufig auch den subchondralen Knochen. Reine Knorpelläsionen sind meist traumatisch und an der lateralen Talusschulter lokalisiert [1].

Ätiologie

Die Ätiologie der Knorpelschäden am Sprunggelenk ist mannigfaltig. Ein OD der lateralen Talusschulter ist meist als Folge eines kürzlich zurückliegenden akuten Traumas zu sehen. Die Ätiologie der OD der medialen Talusschulter ist vermutlich auf chronische repititive Mikrotraumen mit Störung der Mikrozirkulation als Folge zurückzuführen. Achsenfehlstellungen, Entzündungen (Gichtarthropathie, Rheuma) oder Bandinstabilität sind weitere Ursachen für eine Knorpelschädigung. Selten kann auch ein akzessorisches Band, das sog. Bassett-Ligament, zur mechanischen Reibung an der lateralen Talusschulter führen.

Klassifikation

Die Klassifikation nach Outerbridge und ICRS-Klassifikation können für jedes Gelenk eingesetzt werden und sind weit verbreitet. Die Einteilung nach Berndt und Harty [2] (Tab. 1) basiert auf radiologischer Diagnostik und wird wegen ihrer Einfachheit in der Klassifikation der OCL oft verwendet (Tab. 2, Abb. 1a–d). Die Klassifikation von Giannini et al. ist speziell für das Sprunggelenk entwickelt worden [9]. Diese unterscheidet zwischen akuter/chronischer Schädigung, Beschaffenheit der Knorpeloberfläche, Größe des Knorpeldefekts und die Tiefe eines evtl. vorhandenen Knochendefekts. Entsprechend für jedes Stadium wird eine Therapieempfehlung ausgesprochen.

Klinische Symptomatik

Patienten berichten anfangs über meist umschriebene belastungsabhängige Schmerzen, die im weiteren Verlauf auch in Ruhe auftreten können, verbunden mit Schwellneigung und Ergussbildung. Gelenkblockade kann ein Hinweis für freie Gelenkkörper sein, z.B. als freies Dissekat.

Diagnostik

Abhängig von der Genese der Knorpelschädigung werden die diagnostischen Mittel eingesetzt. Eine Nativ-Aufnahme des OSG in 2 Ebenen sollte man bei jedem Patienten mit Schmerzen im Sprunggelenksbereich anfertigen lassen. Bei Verdacht auf eine chronische Instabilität brauchen wir zusätzlich gehaltene Aufnahmen beider Sprunggelenke. Zur Beurteilung einer Knorpelläsion bzw. Feststellung einer ossären Läsion/eines Knochenmarködems ist eine MRT erforderlich. Bei akuter traumatischer Schädigung ist gelegentlich die Anfertigung einer CT zur genaueren Beurteilung des Ausmaßes der knöchernen Beteiligung sehr hilfreich – auch im Hinblick auf die präoperative Planung und Aufklärung des Patienten über die Operation.

Therapie

Grundsätzlich therapieren wir nur symptomatische Knorpelläsionen. Die Rolle der asymptomatischen, zufällig entdeckten Knorpelläsionen in der Entstehung der Arthrose ist fraglich [7]. Typisch für diese nicht symptomatischen Knorpelschädigungen ist das fehlende Knochenmarködem in der MRT [28].

In den frühen Stadien (Stadium 1 und 2 nach Outerbridge) können durch die konservative Therapie in der Regel gute Ergebnisse erzielt werden. Diese sind die Einnahme von Antiphlogistika, Injektion von Hyaluronsäure, Einnahme von Chondroprotektiva, Einlagenversorgung zur Korrektur einer evtl. Fußfehlstellung, Stabilisierung des Sprunggelenks durch Bandagen/knöchelumgreifende Schuhe, Kräftigung der Unterschenkelmuskulatur.

Indikation für eine operative Knorpeltherapie sind:

umschriebene Knorpelläsion Grad 3 und 4,

stabiles Gelenk (ggf. Knorpeltherapie in Kombination mit Bandstabilisierung)

intakte korrespondierende Gelenkfläche.

Bei Achsfehlstellungen sollten diese ein- oder zweizeitig adressiert werden.

Grundsätzlich gibt es in der regenerativen Knorpeltherapie 2 Grundüberlegungen:

  • 1. Knochenmarkstimulierende Verfahren (Mikrofrakturierung, AMIC, retrograde Anbohrung)
  • 2. Zellbasierte Therapie mit Einbringen von differenziertem Knorpel- bzw. Knorpel-Knochen-Gewebe.

In unserer Klinik beschreiten wir sozusagen einen 3. Weg: Der Knorpeldefekt wird mit einem zellfreien Kollagenmatrix (Chondrofiller) aufgefüllt. Die subchondrale Lamelle wird bewusst intakt belassen. Die Chondrozyten wandern von der Umgebung im Laufe der Wochen in die Kollagenmatrix ein und führen die Chondrogenese durch. Dieses Verfahren wird arthroskopisch durchgeführt. Auch wenn wir per Arthrotomie am Gelenk arbeiten müssen, z.B. bei einem großen dorsal gelegenem osteochondralen Defekt, kann nach Auffüllen des Defekts mit Spongiosa die Kollagenmatrix in Gelform eingebracht werden.

Mikrofrakturierung

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