Übersichtsarbeiten - OUP 09/2014

Konservative Therapie bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises

P. Grebe1, A. Trimborn1, M. Henniger1, S. Rehart1

Zusammenfassung: Bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises stellen, neben der operativen Versorgung, konservative Therapiemaßnahmen eine unverzichtbare Komponente eines umfassenden Behandlungsplanes dar. In Kombination mit den in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelten medikamentösen Therapieverfahren sollen mögliche Funktionseinbußen des Patienten in vollem Ausmaß verhindert werden, zusätzlich ist eine vollständige Remission mit einhergehendem Schmerzverlust anzustreben. Dafür steht ein breites Spektrum von therapeutischen Möglichkeiten zur Verfügung, die nach einer eingehenden Anamnese und Befunderhebung jeweils individualisiert an den einzelnen Patienten angewendet werden können.

Schlüsselwörter: Remission, konservative Therapie, interdisziplinäres Team, Aktivitäten des täglichen Lebens

Zitierweise
Grebe P, Trimborn A, Henniger M, Rehart S. Konservative Therapie bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.
OUP 2014; 9: 420–425 DOI 10.3238/oup.2014.0420–0425

Abstract: The management of the rheumatic diseases is beside the surgical care, a conservative therapy measure an inalienable component of a comprehensive plan of treatment. In combination with the medicamental therapy procedures, clearly developed during the last years, possible functional losses of the patient should be thereby prevented in full magnitude. Additionally, an entire remission reducing pain should be aimed. A wide spectrum of the therapeutic possibilities which should be brought after a detailed anamnesis and findings elevation in each case individualized to the single patient in use is available for it.

Keywords: remission, conservative treatment, interdisciplinary team, activities of daily life

Citation
Grebe P, Trimborn A, Henniger M, Rehart S. Conservative therapy for rheumatic diseases.
OUP 2014; 9: 420–425 DOI 10.3238/oup.2014.0420–0425

Einleitung

Nach der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie leitet sich der Begriff Rheuma aus dem Griechischen „rheo“ („ich fließe“) ab und beschreibt mehr als 100 verschiedene rheumatische Erkrankungen, die abhängig vom Beschwerdebild das Bewegungssystem, die Haut, innere Organe oder auch das Nervensystem betreffen können.

Anhand der Beschwerdebilder lassen sich 4 Hauptgruppen des rheumatischen Formenkreises einteilen:

  • 1. Entzündlich-destruierende Erkrankungen (z.B. Rheumatoide Arthritis, Spondyloarthritis – im Endstadium als ankylosierender M. Bechterew – Kollagenosen und Vaskulitiden),
  • 2. Degenerative rheumatische Erkrankungen (z.B. die Arthrose als Gon- oder Koxarthrose),
  • 3. Erkrankungen des Bewegungssystems durch Störungen des Stoffwechsels (z.B. Kristallarthropathien, Arthropathien bei Bluterkrankungen),
  • 4. Weichteil-rheumatische Erkrankungen (z.B. Tendomyopathien, Engpasssyndrome).

Bei den o.a. entzündlich-destruierenden Erkrankungen ist die Ätiologie im Sinne eines Auslösers meist unbekannt. Bei 80 % der Patienten wird im Erkrankungsverlauf eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert. Es handelt sich hierbei um Autoimmunreaktionen, die durch das Auftreten von autoreaktiven B- und T-Zellen bestimmt sind. Faktoren, die das Entstehen von Autoimmunerkrankungen begünstigen, stellen die genetische Disposition und Umweltfaktoren (z.B. Schadstoffexposition, Rauchen, Infektionserkrankungen) dar [1].

Pathophysiologie

Bei entsprechender genetischer Disposition sowie durch verschiedene Umwelteinflüsse mit Exposition unbekannter Antigene, kann es zu einer intraartikulären Entzündungsreaktion kommen. Unter Beteiligung von Lymphozyten, Makrophagen und Zytokinen kommt es an den Gelenken zu einer Synovialitis mit Ergussbildung. Es kommt im Verlauf zu einer zunehmenden sekundären Gelenkdestruktion durch chondro- und osteoklastische Enzyme sowie Destruktionen von Kapseln und Ligamenten [1].

Diagnostik

Zu den am häufigsten auftretenden entzündlich-rheumatischen Erkrankungen gehört die hier exemplarisch aufgeführte chronische Polyarthritis (CP) oder Rheumatoide Arthritis (RA). Sie betrifft ca. 1 % der Erwachsenen [2]. Eine frühzeitige Diagnose ist Voraussetzung für eine gute Prognose, da schon innerhalb der ersten Monate irreversible, destruierende Gelenkschäden neben massiver Schmerzhaftigkeit entstehen können.

Patienten, die an Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises leiden, zeigen oft nur unspezifische Allgemeinsymptome:

Müdigkeit,

Appetitlosigkeit,

Subfebrile Temperaturen,

Intermittierende Parästhesien der Hände und Füße,

Abgeschlagenheit.

Die betroffenen Gelenke präsentieren meist die klassischen Entzündungszeichen: Schwellung, Überwärmung, Rötung, Schmerz und gestörte Funktion. Im Kontext müssen entsprechend bestehende Gelenkbeteiligungen sorgsam analysiert und gedeutet werden, um den Verdacht auf eine rheumatische Erkrankung zu bekräftigen:

mono-, oligo-, polyartikulärer Gelenkbefall,

symmetrischer/asymmetrischer Gelenkbefall,

Größe der betroffenen Gelenke,

Weichteilschwellung,

Morgensteifigkeit,

Alter,

zeitlicher Verlauf der Gelenkbeschwerden,

extraartikuläre Manifestationen,

nächtliche Schmerzen.

Generell sollte ein Patient mit unklar geschwollenen Gelenken über mehrere Wochen und ohne erkennbare Ursache bei einem internistischen oder orthopädischen Rheumatologen vorgestellt werden. Zur weiteren Sicherung der Diagnose können laborchemische und radiologische Untersuchungen durchgeführt werden.

Folgende laborchemische Parameter weisen auf entsprechende Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises hin, wobei CRP und BSG als Screening-Parameter zu behandeln sind und sich bei Bedarf weitere laborchemische Marker anschließen (vgl. Leitlinien DGRh):

C-reaktives Protein (CRP),

Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG),

Rheumafaktor,

Cyclische-Citrullin-Peptid-Antikörper (CCP-AK),

HLA-B-27,

antinukleäre Antikörper (ANA),

Doppelstrang-DNS-Antikörper (ds-DNS-AK),

Autoantikörper gegen extrahierbare nukleäre Antigene (ENA-AK),

Granulozyten-Cytoplasma-Antikörper (ANCA).

Radiologische Diagnostik

Die Sonografie ist eine schnelle sowie kostengünstige Methode und eignet sich zur Frühdiagnostik und Therapiekontrolle entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Mittels der Arthrosonografie können entsprechende Gelenkveränderungen (Gelenkerguss, Bursitis oder eine Tenosynovialitis) dargestellt und der Verlauf beobachtet werden. Über eine Doppler-Untersuchung lassen sich hyperämische Veränderungen akuter entzündlicher Prozesse nachweisen. Zudem hat die Sonografie mittlerweile einen wichtigen Platz zur Diagnostik von Vaskulitiden eingenommen.

Konventionelles Röntgen: Hier lassen sich bereits einsetzende Knochenveränderungen wie Gelenkspaltverschmälerung, Entkalkungen, Erosionen und periartikuläre Weichteilschwellungen nachweisen sowie Konzepte operativer Behandlungsindikationen anhand der radiologischen Einteilung nach Larsen, Dale und Eek („LDE-Klassifikation“ aller Gelenke) ableiten.

Schnittbilddiagnostik: Diese Verfahren (MRT) eignen sich hervorragend, um Aussagen über Veränderungen an der Schulter, vor allem aber auch bei neurologischen Symptomen an der Wirbelsäule zu treffen. Weiterhin lassen sich bei unklaren Befunden die Weichteile sehr gut darstellen. Außerdem wird die MRT heutzutage bei entzündlichen Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen in der Frühdiagnostik, zur Differenzialdiagnostik, bei der Abschätzung der Prognose (Nachweis des Knochenödems) und zur Therapiekontrolle eingesetzt [3].

Knochenszintigrafie: Bei der Skelettszintigrafie werden Technetium-99m-markierte Phosphonate angewendet, die sich am entzündlich veränderten Knochen/Gelenk anlagern und einen Rückschluss auf die Gelenkaktivität zulassen. Diese Unter- suchungsmethode hat heute lediglich noch einen Stellenwert bei Tumorausschlüssen oder bei Lockerungen von Implantaten und wird in den Frühstadien im Allgemeinen keinen Erkenntnisgewinn ergeben.

Therapie

Bei der Therapie der Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises profitiert der Patient von einer intensiven interdisziplinären Teamarbeit verschiedenster Fachrichtungen (Tab. 1). So beeinflussen die internistische und orthopädische Rheumatologie, die Physiotherapie und Ergotherapie, die Orthopädietechnik sowie die Psychotherapie wesentlich den Krankheitsverlauf. Eine Heilung der Erkrankung ist bisher noch nicht möglich und es gilt, den Patienten die bestmögliche Linderung der Beschwerden und den Funktionserhalt der betroffenen Region im Rahmen einer „Remission“ zu ermöglichen [4]. Der Erhalt der eigenen Mobilität und die Möglichkeit der Verrichtung der Dinge des alltäglichen Lebens („activities of daily life = ADLs“) stellen eine zentrale Größe im Leben mit Rheumatoider Arthritis dar.

Als Therapieoptionen kommen medikamentöse, konservative und operative Verfahren zur Anwendung. Das angestrebte Therapieziel ist die Remission der Krankheitsaktivität. Dauerschäden, insbesondere die Zerstörung im Gelenkbereich und die daraus resultierenden funktionellen Defizite sollen verhindert werden. Um dies zu erreichen, sollten regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Die erste Evaluation des Patienten erfolgt frühestens nach 6, in der Regel nach 12 Wochen [5]. Krankheitsaktivität und Remission können anhand validierter Instrumente erfasst und dokumentiert werden. Als mögliches Messinstrument dient hier der Disease Activity Score 28 (DAS28).

Mit dieser Übersicht wird ein kleiner Teil des großen Angebots der verschiedenen Therapiemöglichkeiten bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises beschrieben. Der Schwerpunkt ist hierbei auf die konservativen physikalisch therapeutischen Möglichkeiten ausgerichtet.

Medikamentöse Therapie

Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Therapie bei Rheumatoider Arthritis ist der Einsatz von krankheitsmodifizierenden Medikamenten. Die sogenannten DMARDs (disease modifying anti-rheumatic drugs), z.B. Methotrexat oder Leflunomid, sollten möglichst frühzeitig innerhalb der ersten 3 Monate nach Symptombeginn eingesetzt werden [6]. Meist in Kombination mit einer Kortikosteroidtherapie, da die Wirkung der synthetischen DMARDs erst verspätet eintritt und Cortison nachweislich die Entwicklung von Gelenkschäden aufhält. Nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) stellen, zumindest temporär, eine sinnvolle Ergänzung dar [7]. Herauszuheben ist die Gruppe der Biologika (Antikörper, Zytokine). Sie haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass bei einer bestehenden Rheumatoiden Arthritis erstmals das Therapieziel einer Remission propagiert werden konnte. Sie haben somit eine neue Ära eingeleitet und finden in Deutschland Anwendung bei 10–25 % der Patienten mit Rheumatoider Arthritis [8]. Die Medikamente müssen sorgsam entsprechend der Vorerkrankungen des Patienten und möglicher Nebenwirkungen angepasst und regelmäßig überwacht werden.

Infiltrationstherapie

Die lokale Infiltrationstherapie mit Glukokortikoiden bietet die lokal antiinflammatorische Beeinflussung der Gelenke und eine schnelle Schmerzlinderung für den Patienten. Zu beachten ist das aseptische und leitliniengerechte Vorgehen nach AWMF. Die Indikation zu einer Gelenkinfiltration ist sorgsam zu stellen, da bei Patienten mit Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eine erhöhte Infektionsgefahr besteht [9].

Eine weitere Möglichkeit, eine lokale Abschwächung der Synovialitis zu erreichen, besteht in der Anwendung der Synoviorthese (RSO, CSO), bei der mit einem Radionuklid (RSO) oder chemisch (CSO) eine Verödung der Synovialmembran stattfindet. Diese Maßnahme wird häufig in Verbindung mit operativen Verfahren (Synovialektomie) angewandt. Im Allgemeinen findet sie nach arthroskopischen Schleimhautentfernungen Anwendung, ansonsten nach Ausreizung der anderen lokalen Behandlungen.

Operative Therapie

Bei therapieresistenten Verläufen mittels der vorhandenen konservativen Möglichkeiten mit anhaltender arthritischer Aktivität, d.h. Synovialitis, erosiven Gelenkdestruktionen und damit einhergehenden Funktionseinschränkungen, kann eine operative Sanierung notwendig werden. Gelenk- und sehnenerhaltende Operationen stehen hier ersetzenden Verfahren gegenüber. Dabei ist es für das Erzielen des optimalen Ergebnisses entscheidend, den passenden Zeitpunkt des jeweiligen Vorgehens zu treffen.

Konservative Therapie

Den Rahmen der Therapieplanung stellen die Linderung der jeweiligen Beschwerden des einzelnen Patienten dar, wodurch die dafür passende Behandlungsmöglichkeit ausgewählt und gegebenenfalls kombiniert wird. Weiterhin muss die eigene Zielsetzung des Patienten beachtet werden. Ziel aller konservativen Therapiemaßnahmen ist neben der Schmerzlinderung die Verbesserung der Beweglichkeit und die Verminderung des entzündlichen Reizzustands, um ein Fortschreiten der destruierenden Vorgänge zu vermeiden. Aber gerade chronisch-entzündliche Erkrankungen gehen auch gehäuft mit Komorbiditäten einher und weisen eine erhöhte Inzidenz auf, etwa für kardiovaskuläre Ereignisse [10]. Im multimodalen Behandlungskonzept sind physikalische und rehabilitative Maßnahmen zur Therapiebegleitung dringend notwendig, wenngleich sie auch nicht die Evidenz der medikamentösen Therapieoptionen erreichen.

Physiotherapie und
Physikalische Therapie

Ähnlich wie die Problematik einer genauen Differenzierung und Zuordnung im weiten Feld von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, stellt auch der exakte Einsatz der zahlreichen Maßnahmen aus dem Bereich der physikalischen Therapie eine besondere Herausforderung dar. Dabei ist es sinnvoll, sich das Potenzial der jeweiligen Therapiemaßnahme auf der einen Seite und die Besonderheiten der zu behandelnden Strukturen auf der anderen Seite zu verdeutlichen. Nur durch eine genaue Strukturanalyse (klinische und radiologische Diagnostik) kann anschließend ein entsprechendes Übungsprogramm mit den Zielen der Verbesserung der Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer und Koordination erstellt werden. Dahingehend werden die entsprechenden physikalischen Maßnahmen ausgerichtet. Gefahrenpotenzial besteht durch forcierte Beanspruchung der Strukturen, wodurch sich Gelenkschäden entwickeln bzw. bestehende funktionelle Einschränkungen verschlechtern könnten. Zudem könnten somit (weitere) Entzündungen provoziert werden. In diesem Zusammenhang ist eine aktuelle Befunderhebung essenziell. Ebenso wichtig ist eine sorgfältige Überwachung der Trainingstherapie, um bei wechselndem Krankheitsstadium die Möglichkeit einer Anpassung der Therapie zu gewährleisten, wodurch sich eine weitere Progression von Gelenkschäden vermeiden bzw. minimieren lässt.

Zusammenfassend gilt es, eine mögliche Inaktivität des Patienten zu vermeiden und eine dem Ausmaß der entzündlichen Aktivität angepasste Form der Bewegungstherapie durchzuführen. Regelmäßige Bewegung senkt die Mortalität um bis zu 30 % [11]. Die Anwendung der verschiedenen Therapiemöglichkeiten ist abhängig vom akut entzündlichen oder nicht entzündlichen Stadium.

Florides/akut entzündliches
Stadium

Hier bieten sich eher passive Maßnahmen an, z.B. Traktion/passive und assistive Bewegungen sowie die Anwendung von Kryotherapie zur Schmerzlinderung und zum Erhalt der Beweglichkeit. Der von der Applikationsart und -dauer abhängige, antiphlogistische Effekt von lokaler Kurzzeit- und Langzeitkryotherapie konnte mittels Powerdopplerultraschall bei Rheumatoider Arthritis gezeigt werden [12]. Die Erhöhung der Toleranz des Patienten gegenüber einer aktiven Therapie kann ebenfalls zum Positiven beeinflusst werden. Durch Lymphdrainage und isometrische Übungen wird begleitend die Trophik des Gewebes verbessert. Mit der manuellen Therapie können Muskeldetonisierungen sowie Entlastungen von entzündeten Strukturen und Gelenken erreicht werden. Manipulationen sind im akuten Stadium kontraindiziert.

Zusätzlich können Verfahren der Elektrotherapie angewandt werden. Man unterscheidet die Niederfrequenz- sowie die Mittel- und Hochfrequenztherapie. Die Niederfrequenztherapie (z.B. TENS, Iontophorese) dient der Muskelrelaxation und der Analgesie. Mit der Mittelfrequenztherapie (Interferenzstrom) kann die muskuläre Schmerzkomponente gut behandelt werden, während die Hochfrequenztherapie hauptsächlich subakute und chronisch-entzündliche Beschwerden gut anspricht.

Nicht-entzündliches Stadium

Im nicht-entzündlichen Stadium profitiert der Patient von aktiven Bewegungsübungen, die die körperliche Aktivität fördern. Dagfinrud et al. konnten die positive Beeinflussung der Wirbelsäulenbeweglichkeit bei Patienten mit Spondylitis ankylosans nachweisen [13]. Durch die Kräftigung der Muskulatur und Förderung der Koordination können die angrenzenden bzw. betroffenen Gelenke entlastet werden, wodurch eine Schmerzlinderung erreicht wird. Die Schmerzlinderung sollte auch das führende Therapieziel darstellen. Die jeweiligen Therapieformen müssen dem aktuellen Zustand des Patienten angepasst werden. Es sind sowohl konzentrische, exzentrische als auch ausdauernde und koordinative Übungen zu empfehlen. Auf den entsprechenden Gelenkschutz ist zu achten. Hier ist eine fachkundige Anleitung unerlässlich. Die Anwendungen können in einer Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt werden. Durch Aufklärung und Schulung können dem Patienten Therapieinhalte besser vermittelt und eine bessere Compliance erreicht werden. Innerhalb des Krankheitsverlaufs leistet dies auch einen wichtigen Beitrag zur körperlichen und psychischen Stabilisierung des Patienten [14]. Durch isometrisches Training konnte beispielsweise eine Reduktion der Synovitis erreicht werden [15]. Isometrisches Training ist besonders sinnvoll, da der Körper keinen Impulsbelastungen ausgesetzt wird und die Übungen nach entsprechender Anleitung entweder zu Hause oder im Rahmen einer Medizinischen Trainingstherapie an Geräten ausgeführt werden können (Abb. 1).

Van den Ende et al. konnten beispielsweise für Patienten mit Rheumatoider Arthritis über 65 Jahren einen positiven Einfluss auf Muskelstärke und Body-Mass-Index (BMI) durch Medizinische Trainingstherapie (MTT) nachweisen [16]. Mithilfe eines speziellen Gelenkschutzübungsprogramms konnte eine Besserung der Morgensteifigkeit sowie eine Minderung der Handdeformitäten erreicht werden [17, 18]. Allgemein ist zum Einstieg von Bewegungsübungen eine geringe Trainingsintensität zu empfehlen, die entsprechend den geäußerten Beschwerden des Patienten gesteigert oder auch reduziert werden kann. Auch geringe Gewichte können mit mehrfachen Wiederholungen bereits einen entsprechenden Muskelaufbau bewirken. Bei länger anhaltenden Schmerzen nach dem Training sollte eine Änderung des Behandlungsplanes vorgenommen werden. Besonders wichtig ist die aktive körperliche Beanspruchung auch zur Therapie möglicher Begleiterkrankungen, die sich aus den bestehenden, schmerzhaften Bewegungseinschränkungen bei Rheumatoider Arthritis entwickeln können. Hierzu zählen etwa die Osteoporose, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen (Tab. 2). Regelmäßige Trainingseinheiten führen zu einer Verbesserung der aeroben Kapazität und Muskelkraft [19].

Sinnvolle Bewegungssportarten für Rheumatiker können in diesem Zusammenhang Walking, Radfahren und Schwimmen sein. Wenn diese nach Anleitung ausgeführt werden, sind kontinuierliche Bewegungsabläufe ohne hohe Belastungsspitzen zu erwarten.

Weitere physikalische Alternativen bietet das Bewegungsbad. Es ist eine sehr gute Möglichkeit, den gesamten Körper aktiv unter Aufhebung der Schwerkraft zu mobilisieren. Zusätzlich kommen lokale Wärmeanwendungen in Betracht, z.B. in Form von Fango oder Moorpackungen. Hier wird durch eine Durchblutungssteigerung und Muskelentspannung im Behandlungsareal eine Schmerzlinderung erreicht.

Zudem dient die Therapie mit Schlingentisch zur Schmerzlinderung und zum Funktionserhalt. Durch die Abnahme der Schwerkraft können Gelenke und umgebende Strukturen entsprechend entlastet, aber auch mit entsprechenden Übungen gekräftigt werden (Abb. 2).

Als weitere Option zeigen Ultraschallapplikationen eine Wirksamkeit auf die Gelenkfunktion bei Rheumatoider Arthritis [20]. Die Wirksamkeit dieser Therapieform beruht auf einer thermischen und mechanischen Wirkung.

Auch die Lasertherapie („low-level laser“) kann zur Schmerzlinderung bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises eingesetzt werden. Laut Studienlage kann hiermit eine Linderung der Morgensteifigkeit erreicht werden [21].

Ergotherapie

Die Ergotherapie ermöglicht dem Patienten durch gezielte Übungen der ADL die Selbstständigkeit zu erhalten sowie durch Anpassung spezieller Hilfsmittel (z.B. ergonomisch geformtes Essbesteck) die Eigenversorgung zu ermöglichen. Zu den Hauptaufgaben gehört die Therapie der Hand und Fingergelenke. Bewegungsabläufe, die täglich ausgeführt werden müssen, werden trainiert und bestmöglich für den Patienten angepasst. Verschiedene Studien zeigen einen positiven Effekt bei Rheumatoider Arthritis [22] und den Spondyloarthritiden [23]. Es finden Gelenkschutzunterweisungen und die Vermittlung von Eigenübungsprogrammen zur Kontrakturprophylaxe statt. Auch die Schulung von Angehörigen gehört zu den Aufgaben der Ergotherapie.

Orthopädietechnik

Ein weiteres, wichtiges Glied in der Versorgung der Patienten stellt der Orthopädietechniker / Orthopädieschuhtechniker dar. Die individuelle Anpassung von Hilfsmitteln, z.B. Einlagenversorgung/Maßschuhe/Schuhzurichtungen, ermöglicht dem Patienten einen Erhalt der Selbstständigkeit unter Beachtung einer möglichst geringen Einschränkung durch die orthopädietechnische Versorgung selbst.

Medizinische Beratung und
psychologische Betreuung

Patienten, die an einer Erkrankung des rheumatischen Formenkreises leiden, kommen oft erst nach mehrfachem Aufsuchen eines Arztes zu der entsprechenden Diagnose. Die medizinische Beratung hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit und des Umgangs mit der Erkrankung sollten die Therapie des Patienten ergänzen.

Selbsthilfegruppen, z.B. die Rheumaliga oder die Dt. Vereinigung M. Bechterew, geben den Patienten Raum zum Gespräch mit anderen Erkrankten und Perspektiven für den Umgang mit der Diagnose. Der Austausch mit Gleichgesinnten fördert die Motivation und den Therapieerfolg des Patienten.

Fazit

Patienten, die an Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises leiden, profitieren von einem interdisziplinären Behandlungsregime. Die Einbindung und Zusammenarbeit von Ärzten, Physio- und Ergotherapeuten sowie einer entsprechenden Orthopädietechnik ist für den bestmöglichen Behandlungserfolg unabdingbar. Obwohl mittlerweile starke Fortschritte in der medikamentösen Therapie bei rheumatischen Erkrankungen erreicht werden konnten, profitiert der Patient weiterhin von einer ergänzenden konservativen Therapie. Die psychosoziale Einbindung in ein Netzwerk von Betroffenen stärkt die Therapie-Motivation und gibt Raum für gemeinsame, aufbauende Gespräche.

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass keine Interessenkonflikte im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors bestehen.

Korrespondenzadresse

Peter Grebe

Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie

Agaplesion Markus Krankenhaus

Akademisches Lehrkrankenhaus der Goethe Universität Frankfurt

Wilhelm-Epstein-Straße 4

60431 Frankfurt

Peter.Grebe@fdk.info

Literatur

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Fussnoten

1 Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Agaplesion Markus Krankenhaus, Akademisches Lehrkrankenhaus der Goethe Universität Frankfurt/M

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