Übersichtsarbeiten - OUP 06/2021

Konservative Therapieoptionen bei rheumatischen Affektionen

„Rheuma-Mittel - Sterben auf Rezept“ - ein Artikel des „Stern“ aus dem Jahre 1984: „Mehr als 500 Anti-Rheumamittel sind in der Bundesrepublik im Handel - viele davon gefährlicher als das Rheuma selbst. Keines der Mittel behandelt die Ursachen, alle kurieren nur an den Symptomen der häufigsten und teuersten Volkskrankheit“ - „Heiner Geißler, der Bundesgesundheitsminister, regiert ein Volk von Siechen und Lahmen“ [1].

Innovative Therapieoptionen

Die Wende

Mit der Einführung von Methotrexat 1987 begann das Zeitalter moderner, immunsuppressiver Rheumatherapien mit „Disease-Modifying-Anti-Rheumatic-Drugs (DMARD). MTX ist bis heute der Goldstandard in der medikamentösen Therapie der RA und PsA. Als weiteres DMARD folgte 1999 Leflunomid, welches als Ausweich- bzw. Kombinationsmedikament durchaus eine Bedeutung erlangt hat.

Auch die Grundlagenforschung machte in den 80er und 90er Jahren rasante Fortschritte. Wissenschaftler erforschten, dass verschiedene Proteine, u.a. Zytokine, bei entzündlichen Vorgängen im Körper eine wesentliche Rolle spielen. Sie detektierten den Tumornekrosefaktor alpha, des Weiteren Interleukine bzw. Oberflächenstrukturen auf B- und T-Zellen. Nach diesen Erkenntnissen war der Weg der Forschung frei für die gezielte Hemmung bestimmter Zellen oder Unterbindung von Signalübertragungswegen. Die Sensation um das Jahr 2000 durch die Einführung der Biologika: Rheuma ist behandelbar, Ziel der Therapie ist jetzt aber eine Remission, zumindest eine niedrige Krankheitsaktivität.

Die TNF-alpha Blocker Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Certolizumab und Golimumab bekamen von 2000–2009 die Zulassung für entzündlich rheumatische Erkrankungen, zunächst für die RA, nachfolgend für die PsA und axSpA. Zulassungen für die Hemmung der T-Zell-Aktivierung durch Rituximab und die B-Zell-Aktivierung durch Tocilizumab folgten im gleichen Zeitraum für die RA. Mit alternativen Wirkprinzipien bekamen die IL-17-A Inhibitoren Secukinumab und Ixekizumab für die PsA und axSpA sowie der IL-6-Inhibitor Sarilumab für die RA die Zulassung, bevor eine neue Ära mit den Jak-Inhibitoren eingeleitet wurde. Seit 2015 sind in Deutschland verschiedene TNF-alpha-Blocker als Biosimilar (bsDMARD) zugelassen, für Etanercept, Adalimumab, Infliximab und Rituximab. Diese sind deutlich kostengünstiger als die Originalpräparate und werden bei weitestgehend gleicher Wirksamkeit und Verträglichkeit von den Krankenversicherungen empfohlen bzw. bestimmte Prozentzahlen vorgeschrieben.

2017 erfolgte die erste Zulassung für einen Januskinase-(JAK)-Inhibitor-(tsDMARD) für die RA. Während die TNF-alpha-Blocker subcutan verabreicht werden, sind die small molecules oral einzunehmen. Diese hemmen keine komplette Zellgruppe, sondern lediglich intrazelluläre Signalwege. Tofacitinib und Baricitinib waren die ersten Jak Inhibitoren mit Zulassung 2017 für die RA, Tofacitinib 2018 auch für die PsA. Als letzte Substanzen haben Upadacitinib für die RA, PsA und ankylosierende SpA sowie Filgotinib für die RA eine Zulassung 2020 erhalten.

Turbulente Zeiten in der
Rheumatologie

Die letzten 30 Jahre zeichnen sich durch dramatische Entwicklungen in der Pharmakologie aus. Spielen nicht medikamentöse Therapien heutzutage überhaupt noch eine Rolle? Bei früher Diagnose und frühem Therapiebeginn eher eine untergeordnete. Packungen, Umschläge und Heilerde sind vermutlich obsolet. Lediglich geringe Evidenz gibt es für die Effektivität von Massagetherapien, Kälte- und Wärmeapplikationen. Aber: „Nichtmedikamentöse Interventionen (Physiotherapie, Bewegungstherapie und Sporttherapie, Sport und körperliche Aktivität sowie Ergotherapie) sind ein wesentlicher Bestandteil der RA und auch der frühen RA“ [8]. „Im Speziellen wird angestrebt, Schmerzen und Schwellungen zu lindern und Gelenkmobilität, Kraft und Ausdauer zu steigern, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern“. „Schonung und Ruhe haben mehr negative als positive Folgen für die meisten Patienten mit RA und können zu zunehmender Schwäche und funktioneller Beeinträchtigung führen; dem wirkt die Bewegungstherapie entgegen“. Die Aufforderung an die behandelnden Ärzte lautet: Verordnen Sie allen Patienten mit Funktionseinschränkungen Physiotherapie. Fördern Sie die Motivation Ihrer Patienten zu sportlicher Aktivität und Bewegung. Einschränkungen in Bezug auf bestimmte Sportarten sind nicht erforderlich. Empfehlenswert ist das Funktionstraining der Rheuma Liga und der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew. „Ziel dieses Trainings ist es, Schmerzen zu lindern, die Beweglichkeit zu erhöhen, Kraft und Ausdauer zu trainieren und die Koordinationsfähigkeit zu stärken [7]. Insbesondere in der Therapie der axialen Spondyloarthrits haben Sport, Bewegung im Alltag und regelmäßige Bewegungstherapie neben der medikamentösen Versorgung eine herausragende Bedeutung [5].

Konservative
Therapieoptionen bei der rheumatoiden Arthritis

Die konservative Therapie der rheumatoiden Arthritis richtet sich in Deutschland in erster Linie nach der S2e-Leitlinie: „Therapie der rheumatoiden Arthritis mit krankheitsmodifizierenden Medikamenten“, die im März 2018 durch den Vorstand der DGRh verabschiedet wurde und eine Gültigkeit bis April 2023 hat. „Sie gibt Empfehlungen für die Therapie nach dem Prinzip „Treat-to-Target mit etablierten und neuen krankheitsmodifizierenden Medikamenten (DMARDs), einschließlich der Biologika und JAK-Inhibitoren. „Medikamentöse Therapiestrategien zur Behandlung der RA sind entscheidend für den Langzeitverlauf. Sie dienen dem Ziel, durch frühe und konsequente Unterdrückung der Entzündung Gelenkzerstörungen zu verhindern und damit die Funktion zu erhalten“.

Empfehlungen zur Therapie der RA gemäß der S2e-LL der DGRh von 2018 (Tab. 1) [2]

Sobald die Diagnose einer RA gestellt ist, soll eine Therapie mit DMARD begonnen werden.

Ziel der Therapie ist das Erreichen und die Erhaltung einer Remission.

Methotrexat (MTX) soll als erstes cs-DMARD eingesetzt werden.

Falls MTX nicht einsetzbar ist, soll eine Therapie mit Leflunomid oder Sulfasalazin begonnen werden.

Glukokortikoide (GC) sollen bei initialer Therapie ergänzend zum cs-DMARD gegeben werden. Die GC-Therapie soll auf 3–6 Monate beschränkt werden. Eine zusätzliche intraartikuläre GC-Gabe kann sinnvoll sein.

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