Arzt und Recht - OUP 05/2014

Kündigung – formale Fallstricke erkennen

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Ist die Dauer eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer weder ausdrücklich im Arbeitsvertrag noch konkludent bestimmt, kann sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer gemäß § 620 Abs. 2 BGB das Arbeitsverhältnis kündigen. Für Arbeitsverhältnisse maßgeblich sind dann die Regelungen der §§ 622 ff. BGB, ergänzt durch einzelne spezialgesetzliche Vorschriften.

Ist ein Betriebsrat vorhanden, so ist dieser gemäß § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz vor der Kündigung zu hören. Hierbei sind dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitzuteilen.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf grundsätzlich der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, § 85 SGB IX.

Bedient sich der Kündigende eines bevollmächtigten Vertreters, so sollte der Vertreter eine auf ihn lautende Vollmachtsurkunde zusammen mit der Kündigung vorlegen, da andernfalls die Kündigung gemäß § 174 BGB allein aus dem Grunde unwirksam sein könnte, dass der Kündigungsempfänger die Kündigung unverzüglich wegen Fehlens der Vollmachtsurkunde zurückweist.

Soweit im Arbeitsvertrag keine abweichenden Regelungen getroffen wurden, gelten für ordentliche Kündigungen die Kündigungsfristen des § 622 BGB. Die Frist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber orientiert sich an der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses in dem Betrieb oder Unternehmen. Während einer vereinbarten Probezeit, längstens für die Dauer von 6 Monaten, kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden. Andere Kündigungsfristen können durch Tarif- oder Arbeitsvertrag vereinbart werden. Die Verkürzung der Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag ist lediglich in engen Grenzen möglich. Jedenfalls darf für die Kündigung durch den Arbeitnehmer keine längere Frist vereinbart werden als für die Kündigung durch den Arbeitgeber. Die außerordentliche „fristlose“ Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB kann unabdingbar nur innerhalb von 2 Wochen, beginnend mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, erfolgen.

Die Kündigung muss gemäß § 623 BGB zwingend in Schriftform erfolgen. Dies bedeutet, dass das Kündigungsschreiben gemäß § 126 Abs. 1 BGB mit der eigenhändigen Namens-Unterschrift versehen sein muss. Telegramm oder Telefax genügen nicht1. Ausreichend ist auch nicht die Übergabe einer Kopie des Kündigungsschreibens2, eine E-Mail oder SMS3.

Eine Begründung muss das Kündigungsschreiben grundsätzlich nicht enthalten. Lediglich bei der „fristlosen“ Kündigung gemäß § 626 BGB hat der Kündigende auf Verlangen des Gekündigten den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitzuteilen.

Der sicherste Weg für den Zugangsnachweis ist es, wenn das Kündigungsschreiben persönlich übergeben wird, der Gekündigte auf dem Kündigungsschreiben den Erhalt mit Datum und Unterschrift bestätigt und der Kündigende eine Kopie des Kündigungsschreibens mit dieser Bestätigung zu seinen Akten nimmt. Sollte eine persönliche Übergabe nicht möglich sein, stellt es den sichersten Weg dar, wenn ein Bote eine Kopie des Kündigungsschreibens mit dem Kündigungsschreiben vergleicht und nach Einlegen des Kündigungsschreibens in den Briefkasten auf der Kopie unter Angabe des Datums mit Unterschrift bestätigt, dass er das inhaltsgleiche Kündigungsschreiben in den Briefkasten eingelegt hat.

All diese formalen Anforderungen sind zu beachten, damit eine (nachweisbare) rechtzeitige Kündigung das Arbeitsverhältnis beenden kann. Da eine Begründung der Kündigung grundsätzlich im Kündigungsschreiben zunächst nicht erfolgen muss, erscheinen die inhaltlichen Anforderungen an das Kündigungsschreiben und dessen Bestimmtheit auf den ersten Blick unproblematisch. Gleichwohl sind auch hier Fallstricke zu umgehen, damit die Kündigung wirksam werden kann. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht in der folgenden Entscheidung Grundsätze aufgestellt, die es zu beachten gilt.

Bundesarbeitsgericht,
Urteil vom 20.06.2013,
Az. 6 AZR 805/11

Zum Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf betriebliche Gründe gestützten Kündigung. Die Klägerin war seit 01.08.1987 beschäftigt.

Der Arbeitsvertrag vom 22.11.1990 sieht unter anderem vor:

„Vertragsdauer und Kündigung

  • 1. Der Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von jedem Vertragspartner unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Vierteljahresschluß durch schriftliche Erklärung gekündigt werden.

...“

Am 01.05.2010 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 03.05.2010. Das Kündigungsschreiben lautet auszugsweise:

„Sehr geehrte Frau B.,

(...) Als Insolvenzverwalter spreche ich hiermit die ordentliche

Kündigung

des Arbeitsvertrages zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus.

Der Kündigungszeitpunkt richtet sich nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemäß § 622 BGB. Wenn das Arbeitsverhältnis keine 2 Jahre bestanden hat, wirkt die Kündigung mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende des Kalendermonats. Bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 2 Jahren endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einem Monat zum Ende des Kalendermonats und bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als 5 Jahren mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Besteht das Arbeitsverhältnis mehr als 8 Jahre, so endet das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Kalendermonats. Bei noch älteren Arbeitsverhältnissen greift gemäß § 113 Abs. I S. 2 InsO die Kündigung ebenfalls regelmäßig mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats. Die noch längeren Fristen gemäß § 622 Abs. II BGB werden auf die Dreimonatsfrist des § 113 Abs. I S. 2 InsO reduziert. Bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer werden Zeiten, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, nicht berücksichtigt.

Für ein Arbeitsverhältnis, bei dem sich zwar aus § 622 Abs. II BGB eine kürzere als eine dreimonatige Kündigungsfrist ergeben würde, bei dem jedoch einzelvertraglich oder tarifvertraglich eine längere Kündigungsfrist vereinbart ist, wirkt sich § 113 Abs. I S. 2 InsO dahingehend aus, dass die vereinbarte Frist insoweit maßgeblich ist, als sie die Dreimonatsfrist nicht überschreitet. Ist sie länger als diese, so gilt die reduzierte Dreimonatsfrist, so dass solche Arbeitsverhältnisse ebenfalls mit einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Kalendermonats enden.

Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis wirkt sich § 113 Abs. I InsO so aus, dass mit der Dreimonatsfrist gekündigt werden kann, sofern der Befristungszeitpunkt später liegt. Läuft die Frist vorher ab, so erlischt das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es dieser Kündigung bedarf.

...“

Mit ihrer am 18.05.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt.

Aus den Gründen

Die Kündigung vom 03.05.2010 beendete nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis mit dem 31.08.2010.

Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erklärte Kündigung sei darauf gerichtet gewesen, das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2010 zu beenden. Die Annahme des vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichts, die Kündigungserklärung sei bereits deswegen unwirksam, weil sie nicht ausreichend bestimmt sei, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Bei der Auslegung einer Kündigung sei nicht allein auf ihren Wortlaut abzustellen. Zu würdigen seien auch alle Begleitumstände, die dem Erklärungsempfänger bekannt waren und die für die Frage erheblich sein können, welchen Willen der Erklärende bei Abgabe der Erklärung hatte4. Der Erklärungsempfänger müsse aus dem Wortlaut und den Begleitumständen der Kündigung unter anderem erkennen können, wann das Arbeitsverhältnis enden soll. Bei Zugang der Kündigung müsse für ihn bestimmbar sein, ob eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung gewollt ist und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll5.

Dafür genüge im Fall einer ordentlichen Kündigung regelmäßig die Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist. Ein Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen oder tariflichen Regelungen reiche aus, wenn der Erklärungsempfänger dadurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Auch eine Kündigung zum nächstzulässigen Termin sei möglich, wenn dem Erklärungsempfänger die Dauer der Kündigungsfrist bekannt oder für ihn bestimmbar ist. Eine Kündigung sei allerdings nicht auslegungsfähig und damit nicht hinreichend bestimmt, wenn in der Erklärung mehrere Termine für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses genannt werden und für den Erklärungsempfänger nicht erkennbar ist, welcher Termin gelten soll6.

Die Würdigung des vorinstanzlichen Landesarbeitsgerichtsgerichts, die Kündigungserklärung vom 03.05.2010 „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ sei unbestimmt, weil der Klägerin nicht das maßgebliche „Rechenprogramm“ (gesetzliche, tarif- oder arbeitsvertragliche Regelungen) und die maßgeblichen Tatsachen (insbesondere die Dauer der Betriebszugehörigkeit) mitgeteilt worden seien, werde diesen Grundsätzen nicht gerecht.

Der Zeitpunkt, zu dem die ausdrücklich als ordentliche Kündigung bezeichnete Erklärung vom 03.05.2010 das Arbeitsverhältnis beenden sollte, lasse sich dem Kündigungsschreiben entnehmen. Die Erklärung des Beklagten beschränke sich nicht auf eine ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, sondern gebe zugleich an, nach welchen Vorschriften sich die Kündigungsfrist bestimmt. Für die Klägerin sei deshalb nicht unklar gewesen, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis gekündigt werden sollte. Sie habe der Erklärung entnehmen können, dass nach § 113 InsO eine dreimonatige Kündigungsfrist galt, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich war. Sie habe die Erklärung so verstehen müssen, dass ihr Arbeitsverhältnis mit einer dreimonatigen Frist zum 31.08.2010 gekündigt wurde, ohne dass weitere Angaben des Beklagten erforderlich gewesen wären.

Der Arbeitgeber könne in der Regel davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer seine Betriebszugehörigkeit kennt. Ausnahmsweise – z.B. im Fall eines zweifelhaften Betriebsübergangs – könne anderes gelten. Im Regelfall sei die Kündigungserklärung hinreichend bestimmt, wenn das Kündigungsschreiben die maßgeblichen Kündigungsfristen nennt. Der Arbeitnehmer sei dann unschwer in der Lage zu bestimmen, zu welchem „nächstmöglichen Zeitpunkt“ der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden möchte.

Fazit

Häufig scheitern Kündigungen bereits wegen formaler Fehler, sodass es auf das Vorliegen von Kündigungsgründen und somit deren materiell-rechtlicher Überprüfung gar nicht mehr ankommt. Die Durchsetzung berechtigter Kündigungsgründe sollte jedoch nicht bereits aus lediglich formalen Gründen scheitern.

Gegen eine rechtswidrige Kündigung ist vom Arbeitnehmer gemäß § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung zu erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Allein die mangelnde Schriftform der Kündigung kann noch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist geltend gemacht werden, weil § 4 Satz 1 KSchG nur für schriftliche Kündigungen gilt7. Für den Arbeitgeber läuft hingegen keine Klagefrist. Sein Klagerecht ist in zeitlicher Hinsicht lediglich durch die sogenannte Verwirkung begrenzt, wobei strenge Anforderungen zu stellen sind. Verwirkung tritt ein, wenn die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhoben und dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird. Zwar gibt es Rechtsprechung, die ein Jahr als verhältnismäßig kurz ansieht8. Diese Zeitvorgabe kann jedoch nicht auf jeden Einzelfall übertragen werden, sodass Vorsicht geboten und grundsätzlich keine Zeit unnötig zu verlieren ist.

Auch wenn die oben dargestellte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts im konkreten Fall den Interessen der Arbeitgeberin entspricht, dürften die Grundsätze generell auch auf die Eigenkündigung des Arbeitnehmers anzuwenden sein. Dieser Fall kommt jedoch in der Realität faktisch kaum vor. Die Umsetzung sollte jedenfalls nur nach einzelfallbezogener Prüfung erfolgen.

Korrespondenzadresse

RA Dr. Christoph Osmialowski

Kanzlei für ArztRecht

Fiduciastraße 2

76227 Karlsruhe

kanzlei@arztrecht.org

Fussnoten

1 vgl. BGH, Urteil vom 28.01.1993, Az. IX ZR 259/91.

2 LAG Hamm, Urteil vom 04.12.2003, Az. 4 Sa 900/03.

3 LAG Hamm, Urteil vom 17.08.2007, Az. 10 Sa 512/07.

4 vgl. BAG, Urteil vom 05.02.2009, Az. 6 AZR 151/08.

5 vgl. BAG, Urteil vom 15.12.2005, Az. 2 AZR 148/05.

6 vgl. BAG, Urteil vom 21.10.1981, Az. 7 AZR 407/79.

7 vgl. BAG, Urteil vom 28.06.2007, Az. 6 AZR 873/06.

8 vgl. BAG, Urteil vom 10.10.2007, Az. 7 AZR 448/06.

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