Arzt und Recht - OUP 09/2019

KV rechnet Schmerztherapie jahrelang unzutreffend ab
GOP 30700 EBM ist nicht mengenbegrenzt – Grundsatzentscheidung des Sozialgerichts Stuttgart rechtskräftig

Heiko Schott

In einem Honorarberichtigungsverfahren1 entschied nun das Sozialgericht Stuttgart zugunsten des durch den Verfasser vertretenen orthopädischen Schmerztherapeuten.

Hintergrund

Im Kern des Verfahrens ging es um die GOP 30700 EBM. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg hatte zulasten des Schmerztherapeuten für die Quartale I/2016 bis einschließlich I/2017 die Honorarberichtigung dergestalt betrieben, dass die GOP 30700 EBM auf 400 Fälle pro Quartal begrenzt wurde. Die hiergegen erhobenen Widersprüche beschied der Widerspruchsausschuss negativ, sodass Klage vor dem zuständigen Sozialgericht Stuttgart geboten war.

Die Kassenärztliche Vereinigung trug hier im Wesentlichen vor:

„Nach der Präambel zu Kapitel 30.7 Nr. 3 EBM ist die Berechnung der GOP 30702 auf höchstens 300 Behandlungsfälle je Vertragsarzt (…) pro Quartal begrenzt. Gleiches gilt nach der Präambel 30.7 Nr. 6 EBM für die Berechnung der GOP 30704 EBM. Insoweit darf die Gesamtzahl der schmerztherapeutisch betreuten Patienten die Höchstzahl von 300 Behandlungsfällen pro Vertragsarzt und Quartal nicht überschreiten. Dabei kann in beiden Fällen die Begrenzung auf 300 Behandlungsfälle aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten durch die Kassenärztliche Vereinigung – wie vorliegend auf 400 Patienten – modifiziert werden.

Aus Qualitätssicherungsgründen muss jedoch auch die Abrechnung der GOP 30700 EBM auf 400 Behandlungsfälle pro Vertragsarzt und Quartal begrenzt werden. Ansonsten kann eine ordnungsgemäße qualitätsgesicherte Leistungserbringung nicht mehr sichergestellt werden. (…) Zudem heißt es in der Präambel zu Kapitel 30.7 Nr. 6 EBM, dass die Gesamtzahl der schmerztherapeutisch betreuten Patienten die Höchstzahl von 300 Behandlungsfällen pro Vertragsarzt pro Quartal nicht überschreiten darf. Zu den schmerztherapeutisch betreuten Patienten gehören auch die Patienten, bei denen die GOP 30700 EBM zum Ansatz gelangt. Denn bei der GOP 30700 EBM handelt es sich um die Grundpauschale für die schmerztherapeutische Versorgung, welche nur einmal im Behandlungsfall berechnungsfähig ist. Die Begrenzung der GOP 30700 EBM ist daher nicht zu beanstanden.“

Der klagende Schmerztherapeut hingegen bezog sich auf den Wortlaut der Vorschrift. Er machte geltend, dass von einer rechtsfehlerhaften Quotierung der GOP 30700 EBM ausgegangen würde. Im Gegensatz zu den GOP 30702 und 30704 EBM unterliege gerade die GOP 30700 EBM keiner Mengenbegrenzung und sei daher nicht auf die oben dargestellten Fallzahlen beschränkt. Die GOP 30702 EBM beispielsweise stelle eine Zusatzpauschale dar, die nur in Ansatz gebracht werden könne, sofern überhaupt die Grundpauschale der GOP 30700 angefallen sei. Der durch die KV hierdurch gezogene Rückschluss allerdings könne nicht greifen; die GOP 30700 EBM könne auch anfallen, wenn die Zusatzpauschale nach GOP 30702 EBM nicht angefallen sei. Eine isolierte Beschränkung der GOP 30700 EBM sei daher gar nicht möglich.

Die entsprechenden Punkte der Präambel zu Kapitel 30.7 EBM, auf die sich die KV bezog, lauten konkret:

Ziffer 3: „Die Berechnung der Gebührenordnungsposition 30702 ist auf höchstens 300 Behandlungsfälle je Vertragsarzt, der über eine Genehmigung gemäß Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie gemäß § 135 Abs. 2 SGB V verfügt, pro Quartal begrenzt. Die vorgenannte Begrenzung auf 300 Behandlungsfälle kann aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten auf Antrag durch die zuständige Kassenärztliche Vereinigung modifiziert werden.“

Ziffer 6: „Voraussetzung für die Berechnung der Gebührenordnungsposition 30704 ist weiterhin, dass in der schmerztherapeutischen Einrichtung ausschließlich bzw. weit überwiegend chronisch schmerzkranke Patienten entsprechend der Definition der Präambel und des § 1 Abs. 1 der Qualitätssicherungsvereinbarung Schmerztherapie behandelt werden. (...) Die Gesamtzahl der schmerztherapeutisch betreuten Patienten darf die Höchstzahl von 300 Behandlungsfällen pro Vertragsarzt pro Quartal nicht überschreiten.“

Die Entscheidung

Das Sozialgericht folgte uneingeschränkt der klägerischen Ansicht und führte deutlich hierzu aus:

„Aus der Präambel ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten (KV) keine Begrenzung. Nach dem klaren Wortlaut wird eine Begrenzung nur hinsichtlich der Berechnung der GOP 30702 EBM (Präambel zu 30.7, Nr. 3) bzw. GOP 30704 EBM (Präambel zu 30.7, Nr. 6) vorgenommen. Dabei ist nach Ansicht der Kammer auch klar, dass die von der Beklagten (KV) zur Begründung ihrer Rechtsauffassung zitierte „Gesamtzahl der schmerztherapeutisch betreuten Patienten“ nach Nr. 6 der Präambel nicht Patienten, die allein im Rahmen der GOP 30700 EBM behandelt wurden, miteinschließt. Aus der Systematik ergibt sich eindeutig, dass sich dieser Passus nur auf die im Rahmen der Nr. 6 in Frage stehende Abrechnung der GOP 30704 EBM bezieht.“

Fazit

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vonseiten der Kassenärztlichen Vereinigung eingeräumt, dass seit Bestehen der Vorschrift die GOP 30700 EBM diese noch nie unbegrenzt vergütet wurde.

Insofern darf dringend angeraten werden, die Honorarbescheide und/oder Honorarberichtigungsbescheide auf diesen Punkt zu überprüfen. Es ist durchaus davon auszugehen, dass die jeweils zuständige KV (Widerspruchsausschuss) mit Blick auf diese, zwischenzeitlich rechtskräftige, Entscheidung hin einem Widerspruch abhelfen werden wird.

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