Übersichtsarbeiten - OUP 01/2014

Läsionen des vorderen Kreuzbands im Kindes- und Jugendalter

Dennoch sind Wachstumsstörungen nach VKB-Ersatzplastiken beschrieben. Sie sind jedoch sehr selten und beruhen meist auf einem epiphysenfugen-überbrückenden Knochenblock nach Bone-Tendon-Quadricepssehnenplastik oder Bone-Tendon-Bone-Patellarsehnenplastik oder auf dem Einbringen der Interferenzschraube in die Fuge, hier kann sie einen Epiphyseodese-Effekt verursachen [11, 12, 17].

In der Metaanalyse von Frosch [5] findet sich bei fugenkreuzender Technik ein geringes Risiko für eine Wachstumsstörung von 2,1 %.

Die beim Erwachsenen durchgeführte Ersatzplastik sollte aufgrund der spezifischen anatomischen Gegebenheiten beim Kind nicht angewandt werden. Der Operateur sollte Erfahrung und Kenntnis des wachsenden Skeletts besitzen.

Für das Präparieren des femoralen Loches gilt es, die Wachstumsfuge beim Bohrvorgang in ihrer Peripherie mit dem angrenzenden Ranvier’schen Schnürring und dem fibrösen Ring von Lacroix nicht zu schädigen [5, 11, 17]. Daher empfiehlt sich keine Denudierung an der Hinterkante der lateralen Condyle. Ebenso sollte die Brücke vom Bohrloch zur Hinterkante 1,5–2 mm stark sein, um sicherzugehen, dass mit dem Bohrvorgang die perichondralen Strukturen nicht geschädigt werden. Zur femoralen Tunnelanlage sollte die Beugestellung des Kniegelenks nicht bei 120° sondern zwischen 90° und 100° liegen, um die Wachstumsfuge orthograd zu treffen.

Eine Verletzung der Wachstumsfuge der Tuberositas tibiae kann durch ein weiter mediodorsales Platzieren des Tibiakanals als beim Erwachsenen vermieden werden.

Um die Epiphysenfuge möglichst senkrecht zu eröffnen, sollte der tibiale Kanal steiler gebohrt werden.

Es ist darauf zu achten, dass kein Knochenblock oder Implantat die Epiphysenfuge überbrückt. Beide Epiphysenfugen müssen mit einer Sehne gefüllt sein.

Eine noch nicht geklärte Frage ist, inwieweit ein Transplantat beim Kind präkonditioniert werden sollte. Die Vermeidung einer zu hohen Transplantatspannung wird empfohlen, denn im Tierexperiment wurden Wachstumsstörungen bei hoher Transplantat-Spannung nachgewiesen.

Inwieweit die transepiphysär eingebrachten Ersatzplastiken eine Tenodese verursachen können, ist unklar. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass es bei moderater Anspannung zu keiner Fixierung kommt, sodass man davon ausgehen muss, dass sich das transplantierte Band mit entwickelt.

In Anbetracht der schlechten Verläufe nach konservativer Therapie von VKB-Rupturen ist die bislang vertretene operative Zurückhaltung hinsichtlich einer stabilisierenden Versorgung bei noch offenen Wachstumsfugen nicht mehr gerechtfertigt.

Für den plastischen Bandersatz des vorderen Kreuzbandes beim Kind wurde bereits fast jede rund um das Knie zur Verfügung stehende kollagene Struktur verwendet. An Transplantaten wurden herangezogen: Quadricepssehne, Patellarsehne, Semitendinosussehne, Fascia lata und Tractus iliotibialis (Abb. 1).

Eine weit verbreitete Technik ist die aus der Erwachsenenchirurgie stammende Semitendinosussehnen-Technik. Da diese Technik allseits bekannt sein dürfte, möchten wir hier nicht detaillierter darauf eingehen.

Auch im Kindesalter treten vordere Kreuzbandrupturen in Kombination mit Meniskusläsionen oder Seitenbandverletzungen auf. Die Therapie der Innenbandrupturen erfolgt konservativ mit einer Orthese oder einem Tutor für 4 Wochen in ca. 10°-Flexion. Meniskusläsionen können gleichzeitig mit der Operation des Kreuzbands versorgt werden, eine eingeklemmte Meniskusläsion sollte dabei dringlich versorgt werden (Abb. 2).

Schlussfolgerung

Durch die klinischen Erfahrungen lässt sich sagen, dass Vordere-KreuzbandErsatzplastiken gute klinische Ergebnisse erzielen. Durch eine an das wachsende Skelett angepasste Technik ist die Wahrscheinlichkeit gering, Wachstumsstörungen zu erleben. Operativ versorgte Kinder haben geringere Instabilitäten und geringere sekundäre Meniskusverletzungen. Die konservative Therapie sollte bei Teilrupturen durchgeführt werden. Bei Kindern mit geringem Aktivitätsniveau und guter Compliance kann eine konservative Behandlung erfolgen, diese Kindern sollten jedoch engmaschig kontrolliert werden.

Korrespondenzadresse

PD Dr. Francisco F. Fernandez

Orthopädische Klinik

Olgahospital

Bismarckstr 8

70176 Stuttgart

f.fernandez@klinikum-stuttgart.de

Literatur

1. Anderson AF. Transepiphyseal replacement of the anterior cruciate ligament in skeletally immature patients. A preliminary report. J Bone Joint Surg Am 2003; 85: 1255–1263

2. Engebretsen L, Svenningsen S, Benum P. Poor results of anterior cruciate ligament repair in adolescence. Acta orthop Scand 1988; 59: 684–86

3. Fehnel DJ, Johnson R. Anterior cruciate injuries in the skeletally immature athlete: a review of treatment outcomes. Sports Med 2000; 29: 51–63

4. Ford LT, Key JA. A Study of experimental trauma and attempts to stimulate growth of the lower femoral epiphysis in rabbits. J Bone Joint Surg Am 1956; 38: 84–92

5. Frosch KH, Preiss A. Knieverletzungen im Wachstumsalter: Trauma Berufskrankh 2013; 15: 52–58

6. Graf BK, Lange RH, Fujisaki CK et al. Anterior cruciate ligament tears in skeletally immature patients: meniscal pathology at presentation and after attempted conservative treatment. Arthroscopy 1992; 8: 229–233

7. Guzzanti V, Falciglia F, Gigante A et al. The effect of intraarticular ACL reconstruction on the growth plates of rabbits. J Bone Joint Surg Br 1994; 76: 960–963

8. Johnson JTH, Southwick WO. Growth following transepiphyseal bone grafts. J Bone Joint Surg Am 1960; 42: 1381–1395

9. Kannus P, Jarvinen M. Knee ligament injury in adolescents. Eight year follow-up of conservative management. J Bone Joint Surg Br 1988; 70: 772–776

10. Kerscher J, Xerogeanes J, Tannenbaum A et al. Anterior ligament reconstruction in skeletally immature: an anatomical study utilizing 3-dimensional magnetic resonance imaging reconstruction. J Pediatr Orthop 2009; 29: 124–129

11. Kocher MS et al. Management and complications of anterior cruciate ligament injuries in skeletally immature patients: survey of the Herodicus Society and the ACL Study Group. J Pediatr Orthop 2002; 22: 452–457

SEITE: 1 | 2 | 3 | 4