Übersichtsarbeiten - OUP 11/2014

Langzeitergebnisse beim schwerstverletzten Patienten

M. Frink1, S. Ruchholtz1, F. Debus1

Zusammenfassung: Die Behandlung von schwerstverletzten Patienten hat sich in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich verbessert. Entsprechend steht nun nicht mehr die Mortalität, sondern das funktionelle Ergebnis im Vordergrund. Neben der medizinischen Herausforderung für das behandelnde Team stellt die schwere Verletzung ein ernstes sozioökonomisches Problem dar. Für ein optimales Langzeitergebnis ist die Koordination aller beteiligten Disziplinen unter Einbeziehung einer psychologischen Mitbetreuung notwendig. Trotzdem verbleiben bei mehr als der Hälfte der Patienten Langzeitschäden. Eine Verbesserung des Zustands wurde aber auch noch im 2. Jahr nach Trauma nachgewiesen. Bei entsprechender medizinischer Behandlung und Rehabilitation gelingt bei einem großen Teil der Patienten eine berufliche Reintegration.

Schlüsselwörter: Polytrauma, Behandlung, Rehabilitation, Langzeitergebnis

Zitierweise
Frink M, Ruchholtz S, Debus F. Langzeitergebnisse beim schwerstverletzten Patienten.
OUP 2014; 11: 512–515 DOI 10.3238/oup.2014.0512–0515

Summary: The treatment of patients suffering from severe injuries improved over the last decades. Thus, the functional outcome becomes of great interest. Besides the challenge for the medical team major injuries represent a socioeconomic challenge. Aiming at optimal long-term results, an interdisciplinary team involving psychological support is required. However, in more than half of the patients long-term sequelae are present. An improvement of the patients’ conditions was shown even in the second year after trauma. Return to work was shown in more than 50 % of patients after a major injury under optimal care.

Keywords: major injuries, treatment, rehabilitation, long-term results

Citation
Frink M, Ruchholtz S, Debus F. Long-term results after major injury. OUP 2014; 11: 512–515 DOI 10.3238/oup.2014.0512–0515

Der schwerstverletzte Patient stellt trotz deutlicher Verbesserungen in der Versorgung immer noch ein medizinisches Problem dar. Nach den Zahlen des Traumaregisters DGU der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (TR-DGU) ist der polytraumatisierte Patient in ca. drei Viertel der Fälle männlich und hat ein Durchschnittsalter von knapp über 40 Jahren. Allein daraus wird die sozioökonomische Bedeutung dieser Patientengruppe deutlich: Häufig handelt es sich bei diesen Verletzten um den Ernährer der Familie, was die Folgekosten z.B. in Form von Ausgleichszahlungen und Berentungen in die Höhe treibt. In einer Studie aus der Schweiz verblieben bei 35 % der Patienten dauerhafte Beeinträchtigungen. Die Kosten für diese Patienten lagen ca. 9-mal höher als für die Patienten ohne Unfallfolgen. Von diesen finanziellen Belastungen entfielen ca. zwei Drittel auf die Folgen des Arbeitsausfalls [7]. Zudem sind schwere Verletzungen für den höchsten Verlust an potenziellen Arbeitsjahren verantwortlich und übertreffen dabei die Haupttodesursachen wie kardiovaskuläre Erkrankungen und maligne Tumoren [8].

Die Mortalität polytraumatisierter Patienten hat sich in den vergangenen 40 Jahren deutlich verbessert und liegt heute in großen Traumazentren knapp oberhalb von 10 %. Die Gründe für diese Verbesserung sind vielschichtiger Natur. Erhebliche Verbesserungen in der Prävention (Gurtpflicht, Helmpflicht, Obergrenzen für den Blutalkoholspiegel, etc.), aber auch in Fahrzeugbau und Arbeitssicherheit stehen neben den medizinischen Verbesserungen. Die Behandlung von Schwerstverletzten wird heute als interdisziplinäre Aufgabe gesehen und entsprechend wurde eine S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletztenbehandlung unter Mitwirkung der an der Versorgung teilnehmenden Fachgesellschaften erstellt. Diese hat das Ziel, die Behandlung polytraumatisierter Patienten durch Optimierung der Struktur- und Prozessqualität in den jeweiligen Kliniken zu verbessern.

Als Folge der verbesserten Behandlung sieht sich das medizinische Team neuen Herausforderungen gegenüber: Der Fokus der Behandlung lag über lange Zeit im Überleben des Patienten und verschiebt sich nun in Richtung einer Rehabilitation, die dem Patienten die Reintegration in die soziale Gemeinschaft und einen Beruf ermöglicht. Zudem sieht sich der behandelnde Arzt auch im Bereich der Polytraumaversorgung mit einer gestiegenen Erwartungshaltung des Patienten und dessen Angehörigen konfrontiert.

Im Anschluss an die medizinische Akutversorgung in einem Traumazentrum schließt sich heute regelhaft eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme an. Über den Erfolg dieser Therapie entscheidet nicht die Dauer, sondern die Qualität der Rehabilitation. Umso überraschender ist es, dass für die Rehabilitation schwerstverletzter Patienten lediglich im berufsgenossenschaftlichen Heilverfahren Standards hinsichtlich der Ausstattung entsprechender Kliniken existieren. Trotz des Vorhandenseins dieser Strukturen wurde nach schweren Verletzungen, die im Rahmen einer berufsgenossenschaftlich versicherten Tätigkeit auftraten, ein schlechteres Langzeitergebnis beschrieben [19].

Die Langzeitfolgen nach schweren Verletzungen sind in der bisherigen Literatur nur unvollständig erfasst. Zum einen bestehen Probleme hinsichtlich der zu erfassenden Parameter, für die nur unzureichende Empfehlungen existieren. Die nach Kenntnis der Autoren aktuellste wurde als Ergebnis eines Expertentreffens in England vor 2 Jahren publiziert. In diesem wurden allgemeine Outcome Scores wie die Glasgow Outcome Scale (GOS) empfohlen, die auch im TR-DGU enthalten ist, sowie der European Quality of Life 5D (EQ-5D). Für Verletzungen der Wirbelsäule favorisieren die Autoren den American Spinal Injury Association Impairment Scale (ASIA) und den Spinal Cord Independence Measure (SCIM). Für kindliche Schwerstverletzte werden der King’s Outcome for Childhood Head Injury (KOSCHI) und der Paediatric Quality of Life measure (Peds-QL) empfohlen [2]. Aus Sicht der Autoren ist die Standardisierung der zu erfassenden Parameter in den nächsten Jahren voranzutreiben, um eine Vergleichbarkeit von Behandlungs- und Langzeitergebnissen zu ermöglichen. Dies wird jedoch insbesondere im internationalen Vergleich noch durch diverse andere Aspekte wie unterschiedliche Verletzungsmechanismen, Rettungssysteme und Behandlungsalgorithmen erschwert. Zudem ist eine flächendeckende Versorgung von und Zugang zu Rehabilitationseinrichtungen bei Weitem nicht in allen Ländern in dem Maße gegeben wie in Deutschland.

Physische Folgen

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