Wissenschaft - Kurzbeiträge - OUP 10/2014

Leitliniengerechter Einsatz von Hyaluronsäure im Rahmen der symptomatischen Gonarthrosetherapie

Autoren: Dr. med. Gerrit Bonacker (Wetzlar), Dr. med. Dirk Danneberg (Darmstadt), Prof. Dr. med. Jörg Jerosch (Neuss), Dr. med. Knud Leonhardt (Schwarzenberg), Dr. med. Johannes Pfeifer (Frankfurt), Dr. med. Thomas Pfeifer (Frankfurt), Dr. med. Oliver Potrett (Meerbusch), Dr. med. Thomas Saalfrank (Kaiserslautern), Dr. med. Axel Schulz (Lüdenscheid), Prof. Dr. med. Alexander Völker (Berlin), Dr. med. Olaf Vollmert (Meerbusch), Dr. med. Jörn Wagner (Darmstadt)

Mit Publikation der internationalen Leitlinien zur nicht-operativen Behandlung der symptomatischen Gonarthrose wurden die zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen aufgrund der aktuellen Studienlage neu bewertet und eine Empfehlung für eine evidenzbasierte Behandlung der symptomatischen Gonarthrose gegeben. Als wesentliche Leitlinien sind hier die Empfehlungen des American College of Rheumatology (ACR), der American Academy of Orthopedic Surgeons (AAOS) und der Osteoarthritis Research Society International (OARSI) zu nennen [1, 2, 3]. Die Veröffentlichung der Nationalen Leitlinie zur Behandlung der Gonarthrose steht kurz vor der Publikation.

Alle systematisch entwickelten Leitlinien/Entscheidungshilfen über angemessene Vorgehensweisen bei speziellen diagnostischen und therapeutischen Problemstellungen lassen dem Arzt einen Entscheidungsspielraum und „Handlungskorridore“, von denen in begründeten Einzelfällen auch abgewichen werden kann [4].

Bei der Erstellung der Leitlinien haben die einzelnen Fachgesellschaften durchaus interessante Ansätze eingebracht: So unterscheidet zum Beispiel die AAOS zwischen statistisch signifikanten Unterschieden der untersuchten Wirkstoffe im Vergleich zu z.B. Placebo-Präparaten und klinisch signifikanten Ergebnissen und sie stützt
sich in der abschließenden Bewertung der Therapieoptionen vor allem/ausschließlich auf die klinisch signifikanten Ergebnisse. Die Leitlinienkommission der OARSI unterscheidet zwischen einer isolierten, unilateralen Gonarthrose und multilokulären Arthrose bei Patienten ohne und mit bestehenden Ko-Morbiditäten.

Unisono wird in allen Leitlinien die Patientenschulung, körperliche Aktivität und eine Gewichtsoptimierung empfohlen, dieses sollte als Basis der Behandlung der symptomatischen Gonarthrose dienen. Um akute Beschwerden adäquat adressieren zu können, werden neben dem aus unserer Sicht nicht nur bedingt sinnvollem Einsatz von Paracetamol selektive und nicht COX-2-selektive Nicht Steroidale Antirheumatika empfohlen, auch in der topischen Anwendung als Gel oder Salbe, besonders im Bereich des Knies sowie der Arthrosen der Hand [5]. Die topische Anwendung wird hierbei vor allem aufgrund der geringeren Nebenwirkungen empfohlen. Intraartikuläre Injektionen mit Kortikoiden und Hyaluronsäuren werden in den einzelnen Empfehlungen durchaus kontrovers diskutiert. Während ACR und OARSI die intraartikuläre Injektion mit Kortikoiden empfehlen, kommen die Autoren der AAOS zu einer gegenteiligen Aussage, hier wird der Einsatz von Kortikoiden aufgrund mangelnder Evidenz und nur kurzer klinisch relevanter Wirksamkeit nicht länger empfohlen.

Bei der Bewertung von Hyaluronsäuren kommt das ACR zu dem Schluss, dass eine Indikation zur Behandlung mit Hyaluronsäuren bei Versagen der „first-line“ Behandlung sinnvoll sein kann. Die AAOS kommt für die gesamte Gruppe der Hyaluronsäuren zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Hyaluronsäuren nicht empfohlen werden kann, beschreibt aber, dass der Großteil der statistisch signifikanten, positiven Ergebnisse der Hyaluronsäuren aus RCTs mit hochmolekularer, quer vernetzter Hyaluronsäure (Hylan G-F 20) resultieren, es also zumindest statistisch signifikante Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit zwischen hochmolekularer, quer vernetzter Hyaluronsäure und Placebo gibt.

Andere Injektabilia wie ACP und PRP wurden von den Fachgesellschaften nicht empfohlen bzw. konnten aufgrund fehlender RCTs nicht beurteilt werden.

Ein allgemeiner, aber unumgänglicher Schwachpunkt der Guidelines ist sicherlich die jeweils isolierte Betrachtung einzelner Therapiemaßnahmen und der damit verbundenen Herauslösung aus einem Therapiekonzept. Dieses ist momentan jedoch unumgänglich, da Studien zur Evaluation von Therapiekonzepten derzeit nicht oder nur unzureichend vorliegen. Daher sei an dieser Stelle der Hinweis erlaubt, dass im Rahmen eines Arthrosemanagements mehrere aufeinander abgestimmte Therapieoptionen parallel eingeleitet werden müssen, um einen entsprechenden langfristigen Therapieerfolg erreichen zu können.

Vor diesem Hintergrund hat sich ein Expertengremium im Rahmen des 4. Deutschen Arthroskongresses getroffen und den Einsatz von Hyaluronsäure unter Berücksichtigung der aktuellen internationalen Guidelines diskutiert. Dem Expertengremium ging eine schriftliche Evaluation der individuellen Therapiegewohnheiten der symptomatischen Gonarthrose in der Institution der berufenen Experten voraus, deren Ergebnisse als Grundlage der Diskussion dienten.

Die folgenden Punkte wurden nach intensiver Diskussion konsentiert und können als Entscheidungshilfe für den Einsatz von Hyaluronsäure in der Praxis gelten:

Die Behandlung der symptomatischen Gonarthrose sollte initial (first-line) basierend auf den Empfehlungen der evidenzbasierten Leitlinien erfolgen.

Ziel muss es sein, für den Patienten ein individuelles Therapiekonzept zu erstellen, dass neben der medikamentösen Therapie auch die Patientenschulung, körperliches Training und ggf. ein Gewichtsmanagement enthält.

Risikofaktoren bzgl. etwaiger Medikamentenunverträglichkeit, Nebenwirkungspotenzial und Unverträglichkeiten müssen abgefragt und berücksichtigt werden.

Bei ausbleibendem Therapieerfolg der first- line Behandlung können, wie in den Leitlinien empfohlen, auch Therapieoptionen eingesetzt werden, die aufgrund der Erfahrungen des behandelnden Arztes und der Ergebnisse klinischer Studien/RCTs zur Beschwerdelinderung beitragen können.

Hyaluronsäure ist ein wesentlicher Bestandteil des Arthrosemanagements und stellt gemäß der Empfehlung des ACR bei Patienten mit peristierenden Beschwerden eine weitere empfehlenswerte Therapieoption dar [1]. Bei der Auswahl des Präparats sollte auf eine in RCTs bestätigte placebo-überlegene Wirksamkeit geachtet werden. Hier besteht – gemäß der Darstellung der AAOS – insbesondere für Hylan G-F 20 eine valide Datenlage.

Auch bei Patienten, die Kontraindikationen für eine Behandlung mit COX-2-Inhibitoren aufweisen und bei denen bei einem „trockenen“ Gelenk keine Indikation für eine Behandlung mit Kortikoiden besteht, stellt die Hyaluronsäuretherapie eine valide Therapiealternative dar.

SEITE: 1 | 2