Aktuelles - OUP 01/2018

Masquelet-Technik mit PMMA-Spacer füllt auch große ossäre Defekte
Knochenchirurgie

Die Entdeckung, dass sich durch PMMA-Implantate eine hoch vaskularisierte Membran induzieren lässt, die dann die weitere Knochenheilung unterstützt, ist einem Zufall zu verdanken, berichtete Prof. Gerhard Schmidmaier, Universität Heidelberg. Seither wurde die Technik weiterentwickelt, u.a. durch den Einsatz Antibiotika-haltiger Zemente, denen z.B. Clindamicin oder Vancomycin zugefügt wurde (PALACOS®, COPAL® G+C COPAL® G + V).

Der Erstbeschreiber, Alain Masquelet aus Paris, verwendet Zement ohne Antibiotika. „Aber wir sehen durchaus einen Sinn darin, den Zement als Träger für eine hoch dosierte Antibiotika-Gabe zu verwenden“, meinte Schmidmaier. Gentamicin und Vancomycin decken etwa 80 % der potenziell vorhandenen Pathogene ab.

Das Prinzip des Eingriffs: Nach sorgfältigem und ausgedehntem Débridement wird der PMMA-Spacer eingebracht. Er induziert eine Fremdkörperreaktion, in deren Folge sich die sog. Masquelet-Membran bildet. Wichtig ist, weder zu viel noch zu wenig Zement zu verwenden: Der eingebrachte Spacer sollte auf Knochenniveau abschließen und etwas auf den gesunden Knochen überlappen, um das Anheilen des Grafts zu verbessern.

Nach 6–8 Wochen wird der Spacer unter Schonung der Membran wieder entfernt, der Defekt mit autologer Spongiosa aufgefüllt und die Membran darüber wieder verschlossen.

Eine gute Durchblutung ist für die Knochenheilung essenziell, und hier stellt die Masquelet-Technik einen großen Fortschritt dar. Denn zuvor war das Arsenal der Möglichkeiten, die Perfusion zu verbessern, sehr begrenzt. „Jetzt können wir Chirurgen quasi ein Neoperiost züchten und damit auch Defekte von einer Größe schließen, bei der früher undenkbar war, sie nur mit Spongiosa zur Ausheilung zu bringen“, betonte Schmidmaier.

Die hohe lokale Antibiotikakonzentration stellt dabei sicher, dass eventuell beim Débridement verbliebene Bakterien abgetötet werden. Beim Eingriff gewonnene Gewebeproben werden zudem mikrobiologisch aufgearbeitet, um sicherzugehen, dass das im Zement enthaltene Antibiotikum greift. Die Knochenheilung kann zusätzlich mit Wachstumsfaktoren (Bone Morphogenetic Proteins, BMP) unterstützt werden.

In Heidelberg werden Knochendefekte laut Schmidmaier heute praktisch immer zweizeitig mit Masquelet-Technik operiert, auch wenn kein Anhalt für eine Infektion vorliegt. Die Patienten akzeptieren das Prozedere gut, wenn man ihnen erklärt, dass dies Durchblutung und Heilung verbessert. Das Masquelet-Verfahren lässt sich problemlos mit gängigen Stabilisierungstechniken wie dem Zementnagel kombinieren, indem ein mit Knochenzement beschichteter Marknagel platziert und wie gewohnt nach 6–8 Wochen entfernt wird.

Zur Spongiosa-Gewinnung eignen sich die Entnahme aus dem Beckenkamm oder die RIA-Technik (Reaming Irrigation Aspiration). Im Vergleich enthält das mit der RIA-Technik aus dem Markraum des Trochanters gewonnene Zellgemisch Wachstumsfaktoren und Stammzellen und ist biologisch hochwertiger als die Spongiosa aus dem Beckenkamm, erklärte Schmidmaier.

Die dem Zement beigemischten Antibiotika haben offenbar einen Einfluss auf die Membranbildung, ergänzte Prof.
Ingo Marzi, Universität Frankfurt. Bei Gentamicin und Vancomycin ist die entstehende Membran sehr robust, hochwertig und besonders gut perfundiert, fanden die Frankfurter in Tiermodellen heraus [1]. Schmidmaier bestätigte, dass dies auch der klinischen Erfahrung in Heidelberg entspricht.

Wichtig ist, Keime auf implantierten Prothesen und Osteosynthesematerialien früh zu eliminieren, erklärte Prof. Andrej Trampuz, Universitätsklinikum Charité Berlin. Das Makroproblem der Infektion beginnt nämlich mit einem Mikroproblem, dem Biofilm. „Wir haben es immer mit einem Biofilm zu tun, egal um welche Bakterien es sich handelt und um welches Material“, so der Infektiologe. Hinzu kommt, dass die Phagozytose in der Umgebung von Fremdkörpern nicht adäquat funktioniert.

Schon eine geringe Keimzahl um 200 Zellen reicht aus, damit sich auf einem Implantat ein Biofilm bilden kann. Junge Biofilme, die weniger als 4–6 Wochen bestehen, lassen sich ohne Implantatwechsel durch Débridement und gezielte Antibiotika eradizieren. Bei reifen Biofilmen gelingt das nicht mehr, hier muss das Implantat gewechselt werden. Unverzichtbare Voraussetzung ist in jedem Fall das ausgiebige chirurgische
Debridement, ohne das Implantat-Wechsel und Antibiotikatherapie erfolglos bleiben werden, betonte Trampuz.

Literatur

  • 1. Nau C, Seebach C, Trumm A et al.: Alteration of Masquelet’s induced membrane characteristics by different kinds of antibiotic enriched bone cement in a critical size defect model in the rat’s femur. Injury 2016; 47: 325–34

Quelle: Satellitensymposium „Infekt – Defekt – Regeneration. Probleme der septischen Knochenchirurgie“, Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie, Berlin, 26. Oktober 2017, Veranstalter: Heraeus

Autorin: Manuela Arand

Diese Sonderpublikation erscheint im Auftrag und inhaltlichen Verantwortungsbereich der Heraeus Medical GmbH, Philipp-Reis-Str. 8/13, 61273 Wehrheim

Die Rubrik Markt enthält Beiträge, die auf Unternehmensinformationen basieren. Einzelne Beiträge sind ganz oder teilweise von einem Unternehmen gesponsert und separat gekennzeichnet. Diese Rubrik erscheint außerhalb der Verantwortung der Schriftleitung der OUP – Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis.

SEITE: 1