Originalarbeiten - OUP 01/2013

Mikrochirurgische Dekompression der lumbalen Spinalkanalstenose

J. Drumm1, I. Branea1, T. Pitzen1

Zusammenfassung: Die lumbale Spinalkanalstenose ist eine Erkrankung, die durch eine chronisch progrediente Verringerung des Durchmessers des Spinalkanals verursacht wird. Man unterscheidet verschiedene Formen, wobei die degenerativ verursachte Stenose die Häufigste ist. Die Kompression der lumbalen Nervenwurzeln kann in Form der Claudicatio intermittens spinalis symptomatisch werden. Die Linderung der Beschwerden durch Flexionshaltung und die dadurch physiologische Erweiterung des Spinalkanals ist ein möglicher Hinweis zur differenzialdiagnostischen Abklärung gegenüber Krankheiten, welche ebenfalls zu Bein- oder Rückenschmerzen führen. Kernspintomografie und Myelografie sind wichtige diagnostische Hilfsmittel, die zusätzlich zur Planung einer Operation herangezogen werden. Als klassische operative Verfahren gelten die Laminektomie mit und ohne Fusion bzw. die mikrochirurgische Laminotomie. Kritisch wird das Ausmaß der operativen Dekompression diskutiert wegen der möglichen Gefahr einer operativ unterstützten und klinisch relevanten Instabilität.

Schlüsselwörter: Übersichtsarbeit, Lendenwirbelsäule, lumbale Stenose, Mikrochirurgie, Dekompression

Abstract: Lumbar spinal stenosis in most cases is due to
progressive degeneration of the spine, resulting in thicking of facet joints and flave ligament. Thus the diameter of
lumbar spinal canal is reduced to less than 12 mm in a.p.-direction. Typically complaints consist in neurogenic claudication. Patients usually experience improvement of pain when bending their back or walkin a hill up. Diagnosis of lumbar spinal stenosis is confirmed by MRI. CT-myelographie may help to detect, where compression is most pronounced. Surgical treatment should be based on the clinical symptoms of mostly elderly people, should be performed as microsurgical decompression or in case of clinically instability as TLIF

Keywords: lumbar spine, lumbar spinal stenosis, microsurgery, decompression, neurogenic claudication

Einführung

Die lumbale Spinalkanalstenose ist eine Erkrankung der Wirbelsäule, vornehmlich des älteren Menschen. Sie führt zu einer Kompression der lumbalen Nervenwurzeln und dadurch zu Bein- und/oder Rückenschmerzen. Da die Hauptursache der lumbalen Stenose die Degeneration ist, gewinnt diese Krankheit bei einer zunehmend älter werdenden und aktiv am Leben teilnehmenden Bevölkerung an Bedeutung. Ziel dieses Artikels ist es, einen allgemeinen Überblick zu geben über die lumbale Spinalkanalstenose.

Definition

Die lumbale Spinalkanalstenose ist eine angeborene und/oder erworbene Verengung des Spinalkanals und/oder des Nervenkanals innerhalb der Lendenwirbelsäule mit durch die Enge bedingter Kompression des Duralsackes und des in ihm enthaltenen lumbosakralen Anteils des Rückenmarks, der lumbalen, sakralen Nervenwurzeln und/oder versorgender Gefäße (Abb. 1).

Historie

Die erste in der Literatur erwähnte Dekompression in Form einer Laminektomie zur Behandlung einer Kompression der Cauda Equina ist datiert auf das Jahr 1893 [13]. Die methodische Analyse, eine Beschreibung der pathomorphologischen Veränderungen ist verbunden mit Arbeiten von Verbiest in den 50-er [24] und Epstein in den 70-er Jahren [6].

Epidemiologie

Eine Studie von Hart und Mitarbeiter [11] spricht für die USA von 1,2 Millionen Patienten mit Rückenschmerzen und/oder Claudicatio-assoziiert mit einer lumbalen Stenose. Die häufigste Form der lumbalen Spinalkanalstenose ist degenerativen Ursprungs. Sie manifestiert sich im Alter von 50–69. Die angeborene Spinalkanalstenose wird im Alter von 20–39 symptomatisch. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Exakte Angaben zur Prävalenz erweisen sich als schwierig. Zum einen besteht keine Korrelation der zu beobachtenden anatomischen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der angegebenen Beschwerden [2, 16]. Zum anderen gibt es eine Vielzahl von Differenzialdiagnosen mit Symptomen, welche auch bei der Lumbalkanalstenose beschrieben werden.

Formen der lumbalen
Spinalkanalstenose

Eine Klassifikation der verschiedenen Arten der Spinalkanalstenose nach Äthiologie und Lokalisation erfolgte durch Arnoldi [1].

  • Verbiest unterscheidet 2 Formen einer zentralen Stenose , eine relative Stenose mit einem mittleren sagittalen Durchmesser von 10–12 mm, und eine absolute Stenose mit einem mittleren sagittalen Durchmesser < 10 mm.
  • Epstein beschreibt eine weitere Form der Stenose, die laterale oder Recessusstenose mit Einengung im Bereich der Neuroforamina [14].

Die zentrale Stenose und die Recessusstenose können gemeinsam auftreten und degenerativen Ursprungs sein. Die am häufigsten betroffenen Segmente sind insbesondere L4/5 und L3/4 [8]. Die Enge kann in einem Segment oder in mehreren Segmenten auftreten. In bis zu 5 % symptomatischer Patienten tritt zusätzlich zur degenerativen lumbalen Stenose eine degenerative zervikale Stenose mit Zeichen einer zervikalen Myelopathie auf [10].

Pathophysiologie der
degenerativen Form

Ursächlich für die degenerative Lumbalkanalstenose ist die Degeneration der Bandscheibe [26].

Hierdurch kommt es zu einer Höhenreduktion (Abb. 2).

  • Hinteres Längsband und Ligamentum flavum bleiben in ihrer Ausdehnung unverändert und wölben sich in den Spinalkanal vor.
  • Auch die dehydrierte Bandscheibe kann sich in den Spinalkanal vorwölben („bulging“) und so eine Kompression von Duralsack und Nervenwurzel bedingen.
  • Die Facettengelenke werden stärker belastet, als Folge können arthrotische Veränderungen und/oder Synovialzysten auftreten, welche ebenfalls den Raum im Spinalkanal und Recessus einengen.
  • Osteophyten der der degenerierten Bandscheibe benachbarten Wirbel können zur Verschmälerung des Spinalkanals und Recessus führen.
  • Eine Höhenminderung der Bandscheibe bedingt aber auch eine erhöhte Mobilität (Abb. 3).
  • Je nach Ausmaß der sagittalen Ausrichtung der Gelenkflächen der lumbalen Facettengelenke kann es zu einer relevanten Verschiebung in anterior-posteriorer Richtung kommen, mit der Folge einer degenerativen Spondylolisthesis. Die dadurch vorhandene „Stufe“ führt zu einer Kompression des Duralsackes.
  • Erfolgt die Verschiebung nicht nur in sagittaler Richtung, sondern auch in transversaler und longitudinaler Richtung, entsteht das Bild der degenerativen Skoliose mit insbesondere auf der konkaven Seite vorhandener Enge des Recessus und Spinalkanals.

Klinische Symptomatik (Claudicatio intermittens spinalis)

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