Originalarbeiten - OUP 01/2013

Mikrochirurgische Dekompression der lumbalen Spinalkanalstenose

Entfernt man die Lamina kompakt, d.h. durch Entfernung an ihren lateralen Rändern, kann sie prinzipiell wieder eingesetzt werden unter Verwendung verschiedener Verankerungsmöglichkeiten. Diese Technik der Laminoplastie wurde eigentlich für die Halswirbelsäule entwickelt, wird aber auch u.a. in Arbeiten von Tsuji für die Lendenwirbelsäule beschrieben [22].

Laminotomie als mikrochirurgische Dekompression

Die mikrochirurgische Dekompression (Abb. 6) kann unilateral oder bilateral erfolgen. Diese Technik fand unter anderem durch Arbeiten von Caspar et al. Verbreitung [3].

Wichtig ist, dass, im Gegensatz zur Laminektomie, Dornfortsatz, interspinöse Bänder und das mediale Ligamentum flavum erhalten bleiben und, sofern keine Hemilaminektomie erfolgt, auch Teile der Lamina erhalten bleiben.

Kleinere Inzisionen der Haut und eine geringere Präparation der Muskulatur lassen diesen Eingriff zu einem minimalinvasiven Zugang werden. Die Entwicklung von an den kleineren Zugang angepassten Spreizern und die Einführung des Operationsmikroskopes haben die Verbreitung dieser Operationstechnik vorangetrieben.

Facettektomie

Bei lateralen Recessusstenosen kann eine Facettektomie angebracht sein [7]. Hierbei erfolgt der Zugang ca. 1–2 cm lateral der Mittellinie und die Muskulatur wird so präpariert, dass nach Einsetzen des Spreizers das Gelenk der betroffenen Höhe und das darüber liegende Gelenk mit Ansatz des Querfortsatzes vollständig dargestellt sind.

Je nach Ausmaß werden mit Hilfe des Drillbohrers Teile des lateralen Gelenks und Teile oberhalb des Gelenks abgetragen sowie das Ligamentum intertransversarium und der Musculus intertransversarius durchtrennt.

Ausmaß der Dekompression

Die Frage, in welchem Segment bzw. bei wie vielen Segmenten eine Dekompression erfolgen sollte, wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Arbeiten von Epstein [9] sprechen für eine Dekompression aller stenosierten Höhen, demgegenüber stehen z.B. Studien von Sato, der eine Dekompression des klinisch relevanten Segmentes bevorzugt [19].

Bei der Entscheidungsfindung sollte festgestellt werden, ob Anamnese („Schildern Sie Ihre Beschwerden in einem Satz!“) und Klinik (evtl. einem oder mehreren Segmenten zuzuordnender Schmerz bzw. neurologische Ausfälle) kongruent zur Bildgebung (CT, NMR) sind.

Vor- und Nachteile der
operativen Therapie

Die Beurteilung des Erfolgs einer Operation hängt in starkem Maße von der Definition des Operationszieles ab, entsprechend kritisch sollten die Daten aus der Literatur interpretiert werden.

Eine Besserung der Gehstrecke wird allgemein als Erfolg einer Therapie der lumbalen Spinalkanalstenose angesehen.

Nach einer Metaanalyse von Turner ist nach Dekompression das Ergebnis bei 60–85 % gut bis exzellent [23]. In einer Studie von Deyo wird von vergleichbaren Erfolgen einer Dekompression verglichen mit Dekompression und Fusion berichtet, wobei mit zunehmendem Alter durch zusätzliche Stabilisierung die Mortalität um Faktor 2 und die Morbidität auf mehr als 18 % ansteigt [5]. Die Frequenz für einen Rezidiveingriff beträgt je nach Studie 10–30 %, die Wahrscheinlichkeit für einen Rezidiveingriff wächst mit zunehmendem Abstand zur ersten Operation, wobei prognostisch schlechte Faktoren wie z.B. kardiopulmonale Erkrankungen und Rheuma das Risiko erhöhen. Gründe für eine Reoperation sind z.B. eine erneute Stenose in operierter oder weiterer Höhe(n), nicht ausreichende Dekompression oder Beschwerden, die als Folge einer Instabilität interpretiert wurden [12].

Als weitere Risiken der Operation sind neben den allgemeinen Komplikationen wie Blutung, Infektion, tiefe Beinvenenthrombose, die Verletzung der Dura und eine Zunahme der neurologischen Symptome zu nennen. Die Wahrscheinlichkeit wird studienabhängig je nach untersuchter Komplikation mit 1–10 % angegeben.

Dekompression alleine oder Dekompression und Fusion

Als Möglichkeiten zur Fusion seien namentlich erwähnt:

  • die posterolaterale Fusion ohne Instrumentation
  • PLIF: posterior lumbar interbody fusion
  • TLIF: transforaminal lumbar interbody fusion
  • ALIF: anterior lumbar interbody fusion

Die Frage, ob bei einer lumbalen Spinalkanalstenose gleichzeitig zur Dekompression eine Stabilisierung erfolgen sollte, wird nach wie vor kontrovers diskutiert.

  • In einer Multicenterstudie mit prospektivem Design wurde nachgewiesen, dass der Hauptprediktor für oder gegen Fusion bei einer lumbalen Spinalkanalstenose der Chirurg selbst ist (p = 0,001) [12].
  • Risiko der Instabilität nach Laminektomie: 15 % (monosegmental), 6–10 % (bisegmental), 15 % (polysegmental) [20].
  • Auch bei degenerativer Spondylolisthesis und Skoliose gibt es Arbeiten, welche die alleinige Dekompression als ausreichend betrachten [9].

Zusammenfassung

  • Die lumbale Stenose wird typischerweise symptomatisch in Form der Claudicatio intermittens spinalis. Der Patient berichtet über Beinschmerzen, welche besser werden in Flexionhaltung, wie sie z.B. beim Radfahren oder Bergaufsteigen auftritt.
  • Die Standardtherapie einer Lumbalkanalstenose ist die operative Erweiterung des Spinalkanals und damit die Entlastung der zu den Beinschmerzen führenden lumbalen Nervenwurzeln. Ob eine alleinige Dekompression oder eine Dekompression mit Fusion durchzuführen ist, lässt sich anhand der derzeitigen Literatur weiterhin nicht sicher klären. Instabilitätsraten von 15 % bei Laminektomie scheinen aber eine alleinige Dekompression zu rechtfertigen.
  • Letztlich wird es aber immer eine Einzelfallentscheidung bleiben, bei der die Anamnese einen zentralen Stellenwert einnimmt. Bildgebende Verfahren wie NMR und Myelografikönnen dabei unterstützen.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Tobias Pitzen

Abteilung Wirbelsäulenchirurgie,
Orthopädie, Traumatologie

SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach

Guttmannstraße 1

76307 Karlsbad

Tobias.Pitzen@kkl.srh.de

Literatur

1. Arnoldi CC, Brodsky AE, Cauchoix J et al. Lumbar spinal stenosis and nerve root entrapment syndroms: Definition and classification. Clinical Orthopaedics 1976; 115: 4–5

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