Übersichtsarbeiten - OUP 02/2015

Minimalinvasive Zugangswege zur Hüfte

F. Bopp1

Zusammenfassung: Kaum ein Begriff verfängt bei
Patienten mit Coxarthrose so sehr wie „minimalinvasiv“. Dabei liegt eine allgemeingültige Definition des Begriffs nicht vor [1]. Blickfang für die Patienten ist sicher der kurze Hautschnitt, die Schichten darunter sind für ihn unsichtbar. Entscheidend für die Invasivität ist jedoch, wie schonend mit der Muskulatur, den Sehnen und den Leitungsbahnen während der Operation umgegangen wird. Dies ist plausibel,
es besteht jedoch die Frage: Kann durch die differenziertere Operationstechnik der Blutverlust und der postoperative Schmerz verringert und die Rehabilitation beschleunigt
werden? Oder zwingt die kleine Hautinzision womöglich zu einem rüderen Umgang mit den tieferen Schichten? Die Evidenz ist diesbezüglich noch mager, ganz zu schweigen davon, dass Langzeitergebnisse bei weitem fehlen. Darüber
hinaus hat der kleinere Zugang die Kehrseite der geringeren intraoperativen Übersicht und führt möglicherweise zu Komplikationen und Implantatfehllagen.

Ziel dieses Artikels ist es, die gängigen „minimalinvasiven“ Zugänge zu beschreiben, die wichtigsten anatomischen Strukturen herauszustellen und jeweils auf Fehler und Gefahren bzw. Vor- und Nachteile hinzuweisen.

Schlüsselwörter: Hüfte, minimalinvasiv, Zugang, anterior,
anterolateral, lateral posterior, chirurgische Technik

Zitierweise
Bopp F: Minimalinvasive Zugangswege zur Hüfte.
OUP 2015; 02: 085–089 DOI 10.3238/oup.2015.0085–0089

Summary: Minimally invasive operative procedures have become increasingly popular. Patients are particularly attracted by the small skin incision. What is happening underneath remains invisible. The belief is that a smaller incision should lead to limited tissue trauma and is therefore associated with reduced patient morbidity, lower blood loss, better scar cosmetics and improved functional recovery. On the other hand, potential disadvantages include reduced visualization contributing to a possible increased risk of iatrogenic injury and component malpositioning. The orthopaedic literature is deficient in well-designed scientific studies to support the idea that minimally invasive hip arthroplasty provides superior outcomes. This dilemma cannot be solved in this contribution. It is aiming at the description of the current minimally invasive approaches to the hip. Important anatomic structures are set off and risk and faults respectively advantages and disadvantages are pointed out.

Keywords: hip, minimally invasive, approach, anterior anterolateral, lateral, posterior, surgical technique

Citation
Bopp F: Minimally invasive approach to the hip.
OUP 2015; 02: 085–089 DOI 10.3238/oup.2015.0085–0089

Einleitung

Das Gelingen und der Erfolg operativer Eingriffe hängt zu einem großen Anteil vom manuellen Geschick und der Erfahrung des Operateurs ab. Während z.B. in der Viszeralchirurgie das Zielorgan die operative Herausforderung darstellt, spielt in der orthopädischen Chirurgie der Zugangsweg eine entscheidende Rolle. Einerseits benötigt der Chirurg gute Sicht und Handlungsmöglichkeiten, andererseits darf die Darstellung des Operationsgebiets nicht zur Schädigung der umgebenden Weichteile führen. Gerade die funktionellen Einheiten von Muskeln und Sehnen mit ihren zugehörigen Nerven und Gefäßen sind zu respektieren. So ist der perfekte Sitz einer Hüftendoprothese im Röntgenbild kein Beweis für eine gute Funktion. Erst das Zusammenspiel der geometrischen Rekonstruktion am Skelett und der anatomisch-funktionellen Integrität der Muskulatur führt zum Erfolg einer orthopädischen Operation.

Während bis Ende des letzten Jahrhunderts der Fokus auf der Suche nach den geeignetsten Materialien und der Entwicklung von abriebarmen Gleitpaarungen lag, rückt in jüngerer Zeit die Zugangsmorbidität ins Zentrum des Interesses. Diese Entwicklung lässt sich exemplarisch am Aufkommen des „Robodocs“ aufzeigen. Der Fräsroboter verfolgte das Ziel einer perfekten Positionierung und Verankerung des Hüftschafts im Knochen. Die dafür in Kauf genommene Zerstörung von Muskelgewebe und Knochendurchblutung führte aber zu schlechten funktionellen Ergebnissen, sodass der Niedergang des Verfahrens besiegelt war [2].

Die Schonung der Weichteile ist die Essenz der weniger invasiven Zugänge in der Hüftchirurgie. Für Patienten zeigt sich der Vorteil dieser Verfahren zunächst an kleineren Hautschnitten. Dies ist jedoch vordergründig, da ein kleiner Schnitt keinen Rückschluss auf die tieferen Schichten zulässt. Für das Gesamtergebnis ist die Schonung der Muskulatur ausschlaggebend. So definieren in Deutschland nur 33 % der Operateure minimalinvasiv über einen kürzeren Hautschnitt, 54 % hingegen über ein geringeres Weichteiltrauma [3].

In diesem Beitrag sollen Vor- und Nachteile der unterschiedlichen minimalinvasiven Zugänge zur Hüfte dargestellt werden. Ein Urteil – das sei vorweg gesagt – welcher Zugang der beste ist, kann dabei nicht gefällt werden, da die Erfahrung des jeweiligen Operateurs den entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis hat.

Der anteriore Zugang

Der Zugang wird im Muskelintervall zwischen den Musculi tensor fasciae latae, glutaei medius und minimus lateral und den Musculi sartorius und rectus femoris medial etabliert. Der Hautschnitt erfolgt 2 Querfinger unterhalb der Spina iliaca anterior superior entlang dem medialen Rand des Muskelbauchs des Tensor fasciae latae nach distal. Dabei ist auf den Hauptstamm des Nervus cutaneus femoris lateralis zu achten, der medial bleibt. Durch stumpfe Präparation wird der Musculus rectus femoris nach medial und die Musculi glutaei medius und minimus nach lateral gedrängt. Durch Einsatz von Hohmannretraktoren lässt sich der ventrale Aspekt der Hüftgelenkkapsel gut darstellen. Im distalen Anteil der Wunde wird der aufsteigende Ast der Arteria circumflexa femoris koaguliert [4].

Es folgen nun die üblichen Operationsschritte. Die Hüftgelenkkapsel wird eröffnet und bedarfsgerecht reseziert. Der Schenkelhals wird doppelt osteotomiert und das Schenkelhalssegment entnommen. Dies erleichtert die Entfernung des Hüftkopfs mit dem „Korkenzieher“ aus dem Acetabulum. Durch Einsatz von speziell gebogenen Hohmannhebeln wird der Pfanneneingang so dargestellt, dass ohne ungebührliche Quetschung von Weichteilen die Pfannenpräparation und Platzierung der Pfannenkomponente erfolgen kann.

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