Übersichtsarbeiten - OUP 09/2015

Nachhaltigkeit in der Rehabilitation von Patienten mit Gonarthrose

Phase 2: Stabilisierungsphase

Zur Sicherung nachhaltiger mittelfristiger Reha-Effekte schließt sich der Aufbau- nun die Stabilisierungsphase über einen weiteren Zeitraum von 3 Monaten an, in denen die Patienten wohnortnah einmal wöchentlich jeweils 2–3 Stunden Anwendungen der Medizinischen Trainingstherapie, der Physio- und der Physikalischen Therapie in Form der klassischen Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) durchführen.

Phase 3: Erhaltungsphase

Zur langfristigen Konservierung der Interventionseffekte nach Abschluss der Stabilisierungsphase werden die Rehabilitanden in der Erhaltungsphase nun von Mitarbeitern der Rehabilitationseinrichtung in wohnortnahe, qualitätsgesicherte Gesundheits- bzw. Fitnesszentren überführt, um die individuellen Trainingsprogramme lebensbegleitend eigenverantwortlich fortzuführen.

Die Berufsgenossenschaften übernehmen die Kosten für die Aufbau- und Stabilisierungsphase und bezuschussen die Erhaltungsphase bei regelmäßiger Teilnahme der Versicherten mit 20 Euro monatlich.

Tabelle 1 fasst die durchgeführten Maßnahmen zur Sicherung der Nachhaltigkeit von Rehabilitationseffekten in den 3 Phasen der AAMR bei Gonarthrose zusammen.

Methodik

Patienten

41 männliche Beschäftigte (52,5 ± 8,4 Jahre; BMI: 28,9 ± 4,5) aus dem Bau- und Metallgewerbe mit degenerativbedingter Gonarthrose im Sinne der BK 2102 bzw. BK 2112 (n = 20) oder mit posttraumatischer fortgeschrittener Gonarthrose nach Ober-, Unterschenkelfraktur bzw. Ruptur des vorderen Kreuzbands (n = 21) nahmen freiwillig nach einer umfangreichen medizinischen Untersuchung auf Rehafähigkeit sowie nach einem ausführlichen Informationsgespräch zu Inhalten und Organisation der Maßnahme an der AAMR teil.

Messzeitpunkte und eingesetzte Assessmentinstrumente

Über einen Beobachtungszeitraum von 22 Monaten wurden zu Beginn (T1) und nach Beendigung der 3-wöchigen Aufbauphase (T2), nach Abschluss der Stabilisierungsphase (T3) sowie nach weiteren 6 Monaten (T4) und wiederum nach weiteren 12 Monaten (T5) folgende als Verlaufskontrollen dienende Assessmentinstrumente eingesetzt:

Erfassung der passiven Dehnfähigkeit der Mm. ischiocrurales und des M. rectus femoris mittels der Hydrogoniometrie (Abb. 1) [17] sowie der angulären Beweglichkeit des Kniegelenks in der Sagittalebene in Rückenlage durch die traditionelle Goniometrie [18].

Der 6-Minuten-Geh-Test zur Beurteilung der Geh- und körperlichen Leistungsfähigkeit; dokumentiert wird die maximal zurückgelegte Gehstrecke (m) nach dem Gehen über 6 Minuten auf einer ebenen 30-Meter-Bahn mit Wendepunkten [19].

Der Western Ontario and McMaster Universities Arthritis Index (WOMAC) als etablierter Patientenfragebogen zur Erfassung von Symptomen und physischen Funktionseinschränkungen im Alltag aufgrund von Beschwerden und Erkrankungen der Knie- oder Hüftgelenke. Bewertet werden die Parameter Schmerz, Steifigkeit und Funktionseinschränkungen anhand von 3 Scores jeweils von 0 (keine) bis (extreme) Beschwerden [20].

Der PACT (Performance Assessment Capacity Testing) zur Selbsteinschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit [21, 22]; 50 Alltagsaktivitäten sind von den Patienten anhand einer 5-stufigen Skala (1 = möglich bis 5 = nicht möglich) zu beurteilen; der Gesamtscore (0–200 Punkte) spiegelt das selbsteingeschätzte Arbeitsbelastungsniveau wider.

Die Darstellung weiterer, in dieser Untersuchung eingesetzter, Assessmentinstrumente an dieser Stelle würde den Rahmen dieser Publikation übersteigen. Die Ergebnisse werden separat und in Kürze veröffentlicht.

Statistik

Die Auswertung der erfassten Daten erfolgte mit dem Computerprogramm SPSS Base 13.0 für Windows. Zu Beginn der Auswertung wurde der Datensatz durch eine Plausibilitätskontrolle mit dem System überprüft und die Normalverteilung der Stichprobe im Hinblick auf die jeweiligen zu untersuchenden abhängigen Variablen mittels des Kolmogorov-Smirnov-Tests bestätigt.

Neben den Verfahren der deskriptiven Statistik wurde die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholung und posthoc-Testdesign bei 5 Messzeitpunkten eingesetzt sowie die Korrelationsanalysen nach Pearson und Spearman-Rho durchgeführt.

Ergebnisse

Von den 41 Patienten der Gesamtstichprobe konnten 22 Rehabilitanden (53,7 %; Versuchsgruppe: VG) nach Ende der Stabilisierungsphase zu einer regelmäßigen Fortführung des Muskelaufbautrainings in einem Gesundheits- bzw. Fitnesszentrum in Wohnortnähe motiviert werden, das über 18 Monate im Durchschnitt 2,2-mal pro Woche ausgeübt wurde. Hingegen beendeten 19 Patienten (46,3 %; Kontrollgruppe: KG) nach der Stabilisierungsphase jegliche zielgerichtete Sportausübung (Tab. 2).

Ausgehend von einem annähernd homogenen Ausgangsstatus in T1 steigern beide Interventionsgruppen nach der Aufbauphase in gleichem Maße sowohl die passive Dehnfähigkeit der Oberschenkelmuskulatur, den Bewegungsumfang des Kniegelenks in der Sagittalebene als auch die erreichte Gehstrecke statistisch signifikant. Die Ergebnisse können in beiden Gruppen auch nach der 12-wöchigen EAP auf diesem Niveau stabilisiert werden (Tab. 3). Ohne die Weiterführung jeglicher Trainingsmaßnahmen remittieren die Messwerte in der KG kontinuierlich und erreichen 18 Monate (T5) nach der Stabilisierungsphase wieder den Status quo ante in T1. Auch in der VG ist ein Rückgang der Messwerte festzustellen, der jedoch milder ausfällt. Die Werte der VG liegen in T5 zwar noch über dem Niveau in T1, der Unterschied zur KG ist allerdings ausschließlich als tendenziell zu bezeichnen.

Eine analoge Entwicklung ist für die indikationsspezifischen Symptome und Funktionseinschränkungen (WOMAC, Tab. 4) sowie für die Selbsteinschätzung des Arbeitsbelastungsniveaus (PACT, Tab. 5) in der VG zu beobachten, während in der KG die Ausprägungen von WOMAC und PACT in T5 sogar unter das Ausgangsniveau in T1 steigen bzw. fallen.

Auffällige Korrelationen lassen sich in der Gesamtstichprobe für die Parameter Dehnfähigkeit der hinteren Oberschenkelmuskulatur, Gehstrecke und Beschwerdesymptomatik (WOMAC) über den Untersuchungszeitraum nachweisen: Je größer die Dehnfähigkeit bzw. je länger die erreichte Gehstrecke, desto geringer der Kniegelenkschmerz (r = –0,81/–0,75; p < 0,01), die Gelenk-steifigkeit (r = –0,57/—0,55; p < 0,05) und die Funktionseinschränkungen im Alltag (r = –0,78/–0,76; p < 0,01).

Diskussion

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