Wissenschaft - Kurzbeiträge - OUP 11/2015

Neue Methode „Fracturoscopy“
Repositionshilfe und -kontrolle bei Tibiakopffrakturen

Matthias Krause1, Karl-Heinz Frosch2

Prof. Dr. Karl-Heinz Frosch und Dr. Matthias Krause stellten auf dem DKOU in Berlin eine Studie über die Fracturoscopy zur
Behandlung von komplizierten Tibiakopffrakturen vor.

Tibiakopffrakturen haben einen Anteil von 1,3 Prozent an allen knöchernen Verletzungen, stellen jedoch die behandelnden Fachdisziplinen aufgrund ihrer meist hohen Komplexität und begleitender Weichteilverletzungen vor besondere Herausforderungen (Abb. 1) [1]. Das Ziel der Frakturversorgung ist die möglichst exakte Gelenkflächenrekonstruktion, um eine schnelle Rehabilitation zu gewährleisten und das Risiko einer posttraumatischen Arthrose zu verringern. Bekanntermaßen ist die fluoroskopisch gestützte Fragmentreposition der arthroskopisch gestützten Reposition bei einfachen Tibiakopffrakturen in Bezug auf das klinische Outcome ebenbürtig [2]. Bei komplexen Tibiakopffrakturen konnte dies bisher nicht gezeigt werden. Studien belegen vielmehr, dass es gerade bei komplexen Tibiakopffrakturen in bis zu 45 Prozent der Fälle zu unbefriedigenden Repositionsergebnissen (Stufenbildung > 2 mm) kommt [3]. Das primäre Ziel der vorliegenden Studie war es, die Überlegenheit der Methodik des zusätzlich offenen Einführens einer arthroskopischen Optik als Repositionshilfe und -kontrolle (sogenannte Fracturoscopy) gegenüber der alleinigen offenen Reposition in Kombination mit der Fluoroskopie zu untersuchen [4, 5].

In einer prospektiven Querschnittstudie wurden 17 Tibiakopfmehrfragmentfrakturen (Typ C nach AO-Klassifikation), (7 Frauen [60,3 ± 11,3 Jahre], 10 Männer [46,4 ± 12,2 Jahre]) offen reponiert und mittels Fracturoscopy assistiert versorgt. Präoperative CT-Aufnahmen dienten der Frakturklassifikation (nach AO und Moore) und Bestimmung des Fragmentabstands und der -depression. Zusätzlich wurde der Tibiakopf in 4 Quadranten und 8 Segmente eingeteilt um die postoperative Stufenbildung und das Ergebnis der Reposition zu lokalisieren. Intraoperativ erfolgte zunächst die offene und fluoroskopisch gestützte Reposition. Dann wurde ein Endoskop (Optik 2,8 oder 2,4 mm) zur Repositionskontrolle entweder trocken oder unter laufender Spülung offen eingeführt (Fracturoscopy) und die Gelenkflächenreposition begutachtet. Bei verbliebenen Stufen, die fluoroskopisch nicht erkannt wurden, erfolgte die Nachreposition unter direkter endoskopischer Sicht. Erfasst wurde, ob nach primär für den Operateur zufriedenstellender Reposition (Kombination aus offener Reposition und Fluoroskopie) persistierende Gelenkstufen mittels Fracturoscopy festgestellt und beseitigt werden konnten. Postoperativ erfolgte eine Computertomografie zur Repositionskontrolle (Abb. 2). Mittelwertunterschiede wurden mittels ungepaartem Student’s T-Test bei einem Signifikanzniveau von 5 Prozent getestet.

Bei allen 17 Frakturen konnten mittels Fracturoscopy die Frakturen und insbesondere die Reposition gut dargestellt werden (Abb. 3). In 10 von 17 Fällen zeigten sich in der Fracturoscopy nach Primärreposition noch eine verbliebene Stufenbildung (> 2 mm), welche primär nicht erkannt wurde und der Nachreposition bedurfte (Typ II (n=1), Typ V (n = 5) nach Moore). Dabei war 8-mal das posterolateral-zentrale Segment involviert (p = 0,004). Die Fälle, welche von der Fracturoscopy profitierten, präsentierten primär eine signifikant größere Gelenkstufe (12,2 ± 6,4 mm vs. 3,5 ± 2,5 mm; p = 0,020) und einen signifikant größeren Frakturspalt (9,8 ± 6,0 mm vs. 2,5 ± 1,2 mm; p = 0,027) im Vergleich zu offen und fluoroskopisch bereits zufriedenstellend reponierten Frakturen. Die postoperative CT-Kontrolle zeigte bei allen Fällen eine gute Gelenkflächenrekonstruktion ohne Stufenbildung in der jeweiligen Tragzone.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Fracturoscopy bei der exakten Gelenkflächenrekonstruktion, insbesondere bei grob dislozierten, komplexen Tibiakopfmehrfragmentfrakturen, der rein fluoroskopischen Fragmentreposition überlegen ist. Insbesondere bei Beteiligung des posterolateralen-zentralen Segments ist eine alleinige intraoperative Fluoroskopie nicht ausreichend und sollte durch die Fracturoscopy ergänzt werden. Bei der Fracturoscopy handelt es sich dabei nicht um eine Arthroskopie, sondern um ein offenes Einführen des Endoskops zur Repositionskontrolle der Gelenkflächen. Eine zusätzliche Weichteilkompromittierung kann dadurch vermieden werden.

Literatur

1. Moore TM, Patzakis MJ, Harvey JP. Tibial plateau fractures: definition, demographics, treatment rationale, and long-term results of closed traction management or operative reduction. Journal of orthopaedic trauma. 1987; 1: 97–119

2. Lobenhoffer P, Schulze M, Gerich T et al. Closed reduction/percutaneous fixation of tibial plateau fractures: arthroscopic versus fluoroscopic control of reduction. Journal of orthopaedic trauma. 1999; 13: 426–431

3. Barei DP, Nork SE, Mills WJ, et al. Complications associated with internal fixation of high-energy
bicondylar tibial plateau fractures utilizing a two-incision technique. Journal of orthopaedic trauma. 2004; 18: 649–657

4. Enderle E, Frosch KH. [Arthroscopy-assisted management of knee fractures]. Der Unfallchirurg. 2013; 116: 311–317

5. Krause M, Enderle E, Akoto R et al. Arthroskopisch gestützte Frakturversorgung am Kniegelenk. Arthroskopie 2014; 27: 291–298

Fussnoten

1 Assistenzarzt am Chirurgisch-Traumatologischen Zentrums der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg

2 Leiter des Chirurgisch-Traumatologischen Zentrums der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg

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