Übersichtsarbeiten - OUP 05/2019

Operative Intervention im Bereich der Wirbelsäule bei rheumatischen Affektionen

Das grundlegende Problem der Spondylitis ankylosans ergibt sich aus den assoziierten ossären Umbauvorgängen, welche im Verlauf der Krankheit zu einem Haltungsverfall und einer Fehlstatik führen. Die Folge ist eine Einschränkung der Mobilität sowie eine erhöhte Sturzgefährdung. Dadurch, aber auch bedingt durch die fehlende Pufferfunktion zwischen den einzelnen Wirbelsäulensegmenten, ist das Risiko von Frakturen deutlich erhöht. Erschwerend kommt die oft noch vorliegende osteopene bzw. osteoporotische Knochenstruktur dazu. Insbesondere der Anteil an instabilen Flexions-/Distraktionsfrakturen ist mit über 65 % sehr hoch [1]. Hauptmanifestationsort ist mit bis zu 80 % die Halswirbelsäule, gefolgt von thorakalen Frakturen [16].

Für den Heilungsverlauf problematisch wirken sich die durch die Verknöcherung bedingten langen Hebelarme beidseits des Frakturspalts aus. Die konservative Therapie ist nicht zuletzt deswegen in den meisten Fällen nicht zielführend und mit einer hohen Komplikationsrate vergesellschaftet (Abb. 8).

Neben der Versorgung instabiler Frakturen stellt auch eine fortgeschrittene sagittale Dysbalance eine Operationsindikation dar. Neben der Horizontalisierung der Blickachse muss die Wiederherstellung der sagittalen Balance dabei als Ziel definiert werden [6].

Als weitere Indikation gilt die sogenannte Anderson-Läsion, welche 1937 erstmalig beschrieben wurde. Sie findet sich bei bis zu 10 % der Patienten mit Spondylitis ankylosans und manifestiert sich als destruktive diskovertebrale Läsion. Ohne Behandlung mündet sie meist in einer hoch instabilen Situation. Die Ätiologie ist abschließend nicht geklärt. Diskutiert werden inflammatorische Prozesse sowie Pseudoarthrosen im Rahmen von Ermüdungsfrakturen oder nach tatsächlichem Traumata.

Entscheidend für die Wahl des operativen Vorgehens ist die Frage nach der Notwendigkeit einer Korrektur des sagittalen Profils.

Die Frakturversorgung ohne angestrebte Korrektur der Deformität kann meist perkutan durchgeführt werden, wobei die Instrumentierung mindestens 3 Segmente auf jeder Seite der Fraktur miteinschließen sollte. Eine additive ventrale Gegenstabilisierung ist in den meisten Fällen hier nicht notwendig. Auch zervikale Frakturen sollten von dorsal instrumentiert und fusioniert werden, da die alleinige ventrale Spondylodese mittels Platte nicht die notwendige Stabilität erreicht.

Zur Wiederherstellung des sagittalen Profils bedarf es einer langstreckigen Aufrichtungsspondylodese und Osteotomie. Dabei stehen in Abhängigkeit vom Ausprägungsgrad der Deformität verschiedene Techniken zur Verfügung (Abb. 9).

Bei der Smith-Peterson-Osteotomie (SPO) erfolgt nach Darstellung der Laminae die Entfernung eines V-förmigen Resektionskeils aus der Lamina und dem Dornfortsatz (Abb. 9a). Durch die dorsale Kompression wird der Osteotomiespalt nachgehend über ein Schrauben-Stab-System geschlossen und so die Relordosierung erreicht. Dabei können segmentale Korrekturen von 8–12° erzielt werden, bei additiver ventraler Osteotomie sogar bis 25° [1].

Bei der Pedikelsubstraktionsosteotomie (PSO) erfolgt nach Laminektomie des Zielwirbels sowie partieller Dekompression der Nachbarlaminae die Resektion der Pedikel beidseitig bis zur Hinterkante (Abb. 9b). Anschließend wird ein nach ventral zulaufender Keil mitsamt der darüber liegenden Hinterkante aus dem Wirbelkörper entfernt. Durch dorsale Kompression kommt es zum Verschluss der Osteotomie und zur segmentalen Korrektur. Dabei können Korrekturraten zwischen 25–35°, selten auch über 40° erreicht werden [11]. Durch eine 2. Osteotomie lässt sich die Korrekturrate auf bis zu 70° steigern [22].

Aufgrund des langen Hebelarms durch die Verknöcherungen ist eine langstreckige Instrumentierung u.a. bis iliakal – zumindest passager – zu empfehlen.

Im Vergleich zu anderen Wirbelsäuleneingriffen besteht ein deutlich höheres Komplikationsrisiko. Dieses liegt im Rahmen elektiver Korrektureingriffe bei Patienten mit Spondylitis ankylosans um die 20 % und steigt in der Frakturversorgung auf bis zu 50 % [2, 28]. Komplikationen sind ein hoher Blutverlust, eine korrekturbedingte Einengung des Spinalkanals und der Neuroforamina sowie ein erhöhtes Risiko von Schraubenlockerungen und -ausrissen bei osteopener bzw. osteoporotischer Knochenstruktur. Das Risiko von Wundheilungsstörungen ist bei reduzierter Immunantwort und nicht zuletzt als Folge der medikamentösen Therapie ebenfalls deutlich erhöht.

Zusammenfassend ist bei diesem speziellen Patientenkollektiv eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den behandelnden Rheumatologen essenziell, um das Risiko von Komplikationen zu reduzieren und den klinischen Verlauf positiv zu gestalten. Aufgrund der patientenspezifischen Besonderheiten und der meist komplexen chirurgischen Eingriffe sollte daher die Behandlung speziellen Einrichtungen mit entsprechender Infrastruktur und Expertise vorenthalten sein.

Fazit für die Praxis

Patienten mit Rheumatoider Arthritis und Spondylitis ankylosans (M. Bechterew) weisen häufig spinale Affektionen auf.

Screening-Untersuchung der Rheumatoiden Arthritis ist das konventionelle Röntgenbild der HWS sowie beim M. Bechterew das Röntgenbild des Iliosakralgelenks. Im Verlauf zeigt sich beim M. Bechterew auf Grund der Ossifikation des vorderen Längsbands die „Bambusstab-Wirbelsäule“.

Patienten mit Rheumatoider Arthritis und Affektion der Halswirbelsäule sollten zum Ausschluss spinaler Instabilitäten engmaschig radiologisch kontrolliert werden.

Pathologische Ergebnisse der neurologischen Untersuchung (Ranawat-Score) sollten zu einer schnellen MRT-/CT-Diagnostik führen.

Bei der MRT-Untersuchung ist im Rahmen der Rheumatoiden Arthritis auf ein entzündliches Pannusgewebe sowie eine spinale Stenose zu achten. Beim M. Bechterew müssen Bechterew-typischen duralen Verklebungen, durale
Ektasien, ein tethered cord oder eine Arnold-Chiari-Malformation ausgeschlossen werden.

Eine CT-Untersuchung ist zur Darstellung der ossären Destruktion sowie Frakturdiagnostik unerlässlich.

Bei der rheumatischen Affektion der Halswirbelsäule durch die Rheumatoide Arthritis sollte eine frühzeitige operative Versorgung erfolgen, um einen weiteren Progress zu vermeiden.

Ziel der chirurgischen Therapie des M. Bechterew ist die Wiederherstellung des sagittalen Profils, die Aufrichtung der Blickachse sowie die damit verbundene Verbesserung der Lebensqualität. Dies erfolgt über eine dorsale Korrekturspondylodese mit Osteotomien der Wirbelkörper.

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