Übersichtsarbeiten - OUP 02/2014

Osteoporotische Wirbelfrakturen
Stellenwert perkutaner Zementaugmentierung durch Vertebroplastie, Kyphoplastie und verwandte VerfahrenPresent role of vertebral augmentation by vertebroplasty, kyphoplasty and related techniques

Zur Diagnostik generell bleibt noch nachzutragen, dass wir die weitere endokrinologische Abklärung und die Durchführung des erweiterten Basislabors dem Zuweiser und nachbehandelnden Kollegen überlassen; allerdings versuchen wir aus onkologischen Gründen eine Biopsie unter der OP zu erhalten – was bei ausgedehnter Osteolyse nicht immer gelingt – und fertigen in der Regel eine Serumimmunelektrophorese an zum Ausschluss eines Plasmozytoms. Bei Patienten, die sich für die konservative Therapie entscheiden, empfehlen wir nach 2–4 Wochen eine weitere Röntgenkontrolle zum Ausschluss eines weiteren Nachsinterns des Frakturwirbels und inbesondere zum Ausschluss einer Osteonekrose, die erfahrungsgemäß zu einer Kompromittierung des Wirbelkanals bis hin zur Querschnittlähmung führen kann.

Verfahrenswahl, technische Tricks

Bei der Verfahrenswahl stehen Vertebroplastie, Ballonkyphoplastie, Radiofrequenz-Kyphoplastie und der Ballonkyphoplastie ähnliche Verfahren mit Stents (Synthes-Depuy), Titanexpandern (Spine Jack, Vertim) u.ä. zur Verfügung. Es ist weitgehender Konsens, dass die Vertebroplastie der Ballonkyphoplastie bezüglich des unbeabsichtigten Zementaustritts und der Stellungskorrektur unterlegen ist [16]. Ein Teil der Stellungskorrektur geht im weiteren Verlauf allerdings wieder verloren, jedoch ohne klinisches Korrelat. Die klinische Überlegenheit der Kyphoplastie gegenüber der nicht-operativen Therapie ist auch nach 2 Jahren noch nachweisbar [5], kann gegenüber der reinen Vertebroplastie jedoch nicht als gesichert angesehen werden. Inwieweit die anderen Verfahren im Vergleich zueinander abschließend zu beurteilen sind, muss derzeit ebenfalls noch offen bleiben. Für die Anwendung der Ballonkyphoplastie spricht die hohe Zahl weltweit erfolgreich durchgeführter Operationen und die entsprechend umfangreiche Literatur, auf die zurückgegriffen werden kann; außerdem betriebswirtschaftlich der massiv sinkende Preis nach Ablauf des Patentschutzes. Hinzu kommt, dass auch die uniportale Ballonkyphoplastie gleichwertige [17] Ergebnisse liefert und dadurch eine weitere Verbilligung des Verfahrens möglich ist. Bereits zu den Zeiten des hohen Preises der Kyphoplastie bei noch wirksamem Patentschutz sprachen starke Indizien für eine wirtschaftliche Effizienz der Ballonkyphoplastie gegenüber der konservativen Behandlung von Wirbelkörperfrakturen [18, 19], dies dürfte sich nach marktwirtschaftlicher Korrektur der Preise nochmals erheblich verbessert haben, aktuelle Zahlen liegen mir jedoch noch nicht vor.

Die Radiofrequenz-Kyphoplastie hat vor allem 3 Vorteile:

  • Erstens die geringere Strahlenbelastung des Operateurs, der einen größeren Sicherheitabstand zum OP-Feld und zur Strahlenquelle einnehmen kann dank einer Fernbedienung der Radiofrequenzapparatur,
  • zweitens die gleichbleibend hohe Viskosität des Zements beim Eintritt in den Wirbel mit weiterer Verringerung der Zementleckage und
  • drittens die lange Verarbeitungszeit einer Zementkartusche von ca. 30 Minuten, sodass ohne Hektik die Versorgung mehrerer Wirbel möglich ist.

Die Ballonkyphoplastie geht mit einer durchaus signifikanten Strahlenbelastung des Operateurs einher [20], sodass ein Verfahren, welches dies vermeidet, als vorteilhaft anzusehen ist. Die Radiofrequenz-Kyphoplastie erreicht auch ohne wesentliches Zutun des Operateurs eine gute Verzahnung des eingebrachten Zements mit der Spongiosa des Wirbelkörpers. Demgegenüber muss der Operateur bei der Ballonkyphoplastie bewusst auf eine entsprechende Verzahnung achten, dies lässt sich dadurch erreichen, dass der Ballon nicht maximal aufgefüllt wird und das Zementvolumen größer als das vorherige Füllvolumen des Ballons gewählt wird. Wird dies nicht beachtet, kommt es zumindest in manchen Fällen zu einer Osteonekrose um die Zementplombe herum: Sei es durch Hitzenekrose, stress shielding oder weitere unbekannte Faktoren, mit der Folge einer Dislokation des Zements und einem Kollaps des Segments mit der Notwendigkeit einer dorsoventralen Wiederaufrichtungsspondylodese und einem Wirbelkörperersatz. Entscheidend ist weiterhin bei allen Verfahren außer der Radiofrequenz-Kypholastie die Beschaffenheit des Zements und die Vertrautheit des Operateurs mit seinen Polymerisationseigenschaften. Die am Markt erhältlichen Zemente unterscheiden sich beträchtlich in der Zeitspanne, die sie bis zur optimalen Verarbeitung benötigen – was bei Versorgung mehrerer Wirbel betriebswirtschaftlich relevant wird – aber auch in der Zeitdauer der Verarbeitbarkeit. So bieten zumindest 2 angebotene Zemente der Kategorie „hochviskös“, die u.a. zur Augmentierung von Pedikelschrauben empfohlen werden, eine im Verarbeitungszeitraum eher zu geringe Viskosität mit erkennbar erhöhter Leckagerate bei gleichzeitig auch in vivo bei 37 °C über mehr als 20 Minuten anhaltender Verformbarkeit, sodass nach einer Kyphoplastie die Narkose entsprechend verlängert werden sollte, um eine sekundäre Zementdislokation beim Husten oder Pressen unter der Extubation zu vermeiden. Der Chirurg muss sich hier gegenüber dem zunehmend fachfremd und zentral gesteuerten Einkauf durchsetzen und auf dem bekannten, vertrauten Zement bestehen oder sich zumindest mit einem neuen Zement eingehend vertraut machen.

Zusammenfassung

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass bei entsprechend ausgeprägter Symptomatik (VAS > 5/10) die perkutane Zementaugmentierung durch Vertebroplastie oder die verschiedenen Verfahren zur Kyphoplastie der nicht-operativen Behandlung bezüglich Schmerzreduktion, Schmerzmittelbedarf und Verbesserung von Funktionalität und Mobilität klar überlegen ist und dieser Vorteil auch für mindestens 1–2 Jahre bestehen bleibt. Die Verfahren sind als risikoarm zu bezeichnen. In der Verfahrensauswahl sprechen eine Reihe von Studienergebnissen für eine Bevorzugung der Kyphoplastie gegenüber der Vertebroplastie, dies ist aber nicht als zweifelsfrei gesichert anzusehen. Unter den verschiedenen Kyphoplastieverfahren ist eine eindeutige klinische Überlegenheit einer Methode nicht zu erkennen, für die Ballonkyphoplastie spricht die umfangreiche Erfahrung und die günstigere wirtschaftliche Darstellbarkeit, aber die Radiofrequenz-Kyphoplastie hat den Vorteil des verbesserten Strahlenschutzes für den Operateur und der leichter erreichbaren Verzahnung des Zements im Wirbelknochen.

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