Übersichtsarbeiten - OUP 05/2022

Pathophysiologie von Knorpelschaden, Früharthrose und fortgeschrittener Arthrose

Henning Madry, Johannes Stöve

Zusammenfassung:
Die räumlich vom benachbarten unversehrten Knorpel gut abgegrenzten akuten fokalen nichtarthrotischen Knorpeldefekte müssen formell von den chronischen großflächigen, schlecht abgrenzbaren arthrotischen Knorpelschäden unterschieden werden. Da die Defektgröße zunehmen und Arthrose induzieren kann, zielt eine knorpelchirurgische Therapie auch darauf ab, die Entstehung einer kompartimentalen Arthrose zu verhindern. Die initiale Degeneration des hyalinen Gelenkknorpels ist das essentielle Element der Früharthrose. Strukturelle Veränderungen, welche das gesamte Gelenk betreffen, werden von umfassenden zellulären, molekularbiologischen und biochemischen katabolen Veränderungen im Knorpel und im subchondralen Knochen, aber auch in der Synovialis begleitet. Die fortgeschrittene Arthrose zeigt einen lokal kompletten Verlust der Knorpelschicht, die den subchondralen Knochen exponiert. Der subchondale Knochen ist durch Sklerosierung und Zystenbildung gekennzeichnet. In der Synovialis finden sich Knorpelfragmente, die eine Abriebsynovialitis induzieren. Zusammen mit einem entzündlich bedingten Umbau des Kapsel-/Bandapparates führen diese Prozesse zur Kontraktur und Funktionseinschränkung des Gelenkes, die zu einer Beschleunigung des arthrotischen Prozesses führen können.

Schlüsselwörter:
Knorpeldefekte, Früharthrose, Gelenkknorpel, subchondraler Knochen, Synovialis

Zitierweise:
Madry H, Stöve J: Pathophysiologie von Knorpelschaden, Früharthrose und fortgeschrittener
Arthrose
OUP 2022; 11: 196–200
DOI 10.53180/oup.2022.0196-0200

Summary: The acute focal and non-osteoarthritic articular cartilage defects with intact adjacent cartilage must be formally separated from the ill-defined chronic osteoarthritic cartilage defects. As the defect size increases over time and can induce osteoarthritis, cartilage surgery also aims to prevent the development of (uni)compartmental osteoarthritis. The initial degeneration of the hyaline articular cartilage is the essential element of early osteoarthritis. Structural changes affect the entire joint, from comprehensive cellular, molecular and biochemical catabolic changes in the cartilage and subchondral bone, but also in the synovium. The advanced osteoarthritis shows complete loss of the cartilage layer that exposes the subchondral bone. The subchondral bone is sclerotic and characterized by cyst formation. Cartilage fragments are found in the synovial membrane, inducing synovitis. Along with an inflammatory-related remodeling of the capsule and ligamentous apparatus, these processes lead to contracture and functional impairment of the entire joint, which can accelerate the osteoarthritic process.

Keywords: Focal articular cartilage defects, chronic osteoarthritic defects, early osteoarthritis, catabolic changes, articular cartilage, subchondral bone, cyst formation, synovium inflammation, advanced osteoarthritis

Citation: Madry H, Stöve J: Pathophysiology of articular cartilage damage, early and advanced osteoarthritis
OUP 2022; 11: 196–200. DOI 10.53180/oup.2022.0196-0200

H. Madry: Institut für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung, Universität des Saarlandes, Homburg/Saar

J. Stöve: Orthopädische und Unfallchirurgische Klinik, St. Marien- und Annastiftskrankenhaus Ludwigshafen

Die osteochondrale Einheit

Der Terminus „osteochondrale Einheit“ reflektiert die enge strukturelle und funktionelle Verknüpfung von hyalinem Gelenkknorpel, kalzifiziertem Knorpel und subchondralem Knochen [1]. Die oberflächliche Tangentialzone des Gelenkknorpels dient vor allem dazu, Druck- und Scherkräfte abzufangen und Reibungskräfte zu reduzieren. Hier liegt ein hoher Gehalt an parallel zur Gelenkfläche angeordneten Kollagenen und ein vergleichsweise niedriger Gehalt an Proteoglykanen vor. Die wenigen spindelförmigen Knorpelzellen in der oberflächlichen Tangentialzone sind ebenfalls parallel zur Gelenkfläche angeordnet. Sie produzieren Schmierungsproteine zur optimalen Gleitfähigkeit des Knorpels. In der nachfolgenden Übergangszone verlaufen die Kollagenfasern tangential und bilden Arkaden. Die Chondrozyten sind hier runder und teilweise in Chondronen angeordnet. Die nachfolgende Radiärzone (tiefe Knorpelzone) ist die breiteste Zone des Gelenkknorpels. In ihr sind die Kollagenfibrillen parallel zueinander und in den charakteristischen Säulen angeordnet. Die Chondrozyten haben dort ihren größten Durchmesser und es findet sich die höchste Konzentration an Proteoglykanen. Aufgrund dieses Aufbaus kann die Radiärzone ideal Kompressionskräfte absorbieren. Durch die Tidemark (Grenzstreifen), eine in histologischen Präparaten sichtbare basophile Linie, wird die Radiärzone von der dünnen mineralisierten (kalzifizierten) Knorpelzone abgetrennt. Hier verlaufen die Kollagenfasern aus der Radiärzone kontinuierlich in die kalzifizierte Zone und verbinden so den relativ gering verformbaren Knorpel der kalzifizierten Zone mit dem darüberliegenden weicheren Gelenkknorpel. Die kalzifizierte Zone ist neben Typ-II-Kollagen durch das zusätzliche Vorkommen von Typ-X-Kollagen gekennzeichnet.

An sie schließt sich die subchondrale Knochenplatte an. Die Zementlinie grenzt hierbei den mineralisierten Knorpel vom subchondralen Knochen ab. Interessanterweise trennt die Zementlinie auch die Typ-II-Kollagenfasern des Knorpels von den Typ-I-Kollagenfasern des subchondralen Knochens. Durch ihre dreidimensional wellenförmig undulierende Form erlaubt sie dennoch eine hinreichend stabile Verzahnung des Gelenkknorpels mit dem subchondralen Knochen. Die subchondrale Knochenplatte ist relativ dünn und besitzt kleine Gefäße und begleitende Nervenfasern, welche bis in die mineralisierte Knorpelzone hineinragen können. Diaphysenwärts geht die dichte subchondrale Knochenplatte in die offenporige subartikuläre Spongiosa über [2].

Obwohl die osteochondrale Einheit im Fokus von Knorpelschäden liegt, sind bei der Arthrose alle anderen Bestandteile eines Gelenks mit involviert. So finden sich im Kniegelenk, dem größten Gelenk des Menschen, neben Veränderungen in der Synovia (Synovialflüssigkeit), der Synovialis (Synovialmembran), der Gelenkkapsel und gelenkübergreifender Muskulatur auch arthrotische Veränderungen im Innen- und Außenmeniskus und deren Wurzeln, dem vorderen und hinteren Kreuzband, in extraartikulären Bändern und Sehnen sowie im Hoffa-Fettkörper.

Pathophysiologie von
Knorpelschaden

Die räumlich vom benachbarten unversehrten Knorpel gut abgegrenzten akuten fokalen nichtarthrotischen Knorpeldefekte, wie sie nach einem Trauma auftreten können, müssen formell von den chronischen großflächigen, schlecht abgrenzbaren arthrotischen Knorpelschäden unterschieden werden. Allerdings finden sich in der klinischen Realität oftmals chronische fokale, auf einem nichtarthrotischen Ereignis beruhende Knorpeldefekte, welche bereits periläsionale Arthrosezeichen wie Rissbildung und Oberflächenunebenheiten aufweisen. In der klassischen Serie von Hjelle und Mitarbeitern zeigten sich in 1000 Kniearthroskopien 28 % fokale nichtarthrotische Knorpeldefekte, während arthrotische Knorpelschäden bei 44 % der Fälle auftraten [3].

Obwohl der spontane Verlauf eines unbehandelten fokalen Knorpeldefekts schwer vorherzusagen ist, belegen tierexperimentelle Daten im Schafmodell, dass fokale großflächige Knorpeldefekte am Femurkondylus auch degenerative Veränderungen des periläsionalen und gleichseitigen tibialen Gelenkknorpels induzieren [4]. Klinisch kann die Defektgröße sowohl bei symptomatischen [5] als auch bei asymptomatischen Patienten [6] zunehmen und schlussendlich Arthrose induzieren [7, 8]. Somit zielt die Therapie symptomatischer umschriebener nichtarthrotischer Knorpeldefekte zwar primär auf die Defektauffüllung mit einem funktionellen Reparaturgewebe ab, sie soll jedoch auch die Entstehung einer perifokalen und kompartimentalen Arthrose verhindern [9]. Auch wenn das Arthroserisiko nicht komplett eliminiert werden kann, so zeigen aktuelle Studien, dass eine rechtzeitige rekonstruktiv-chirurgische Behandlung diese Gefahr zumindest reduzieren kann [8, 9].

Pathophysiologie von
Früharthrose

Grundlegende Betrachtungen

Die Arthrose ist eine multifaktoriell bedingte, degenerative Erkrankung, für die eine einfache und einheitliche Beschreibung der pathogenetischen Vorgänge nicht möglich ist. Vorrangig zeigen sich ein fortschreitender Umbau der Gelenkstrukturen und ein weitgehender Funktionsverlust des Gelenks.

Physiologisch werden die Integrität und damit die Gewebeeigenschaften der extrazellulären Matrix, durch die anabolen und katabolen Stoffwechselvorgänge gewährleistet. Bei der Arthrose findet sich biochemisch eine Destabilisierung der interterritorialen und der perizellulären Knorpelmatrix. Es kommt zu einem Verlust von Proteoglykanen und zu einer Lockerung des kollagenen Netzwerkes. Es ist jedoch bis heute unklar, welcher Prozess zuerst erfolgt. Denn ein Proteoglykanverlust kann zu einer Destabilisierung des kollagenen Netzwerkes führen und umgekehrt. Die Destruktion der Matrix führt weiterhin zu einer Destabilisierung des typischen Phänotyps der Chondozyten. Die phänotypischen Reaktionen reichen von der hypertrophen Proliferation/Differenzierung bis zum Tod der Knorpelzelle. Die Zellen exprimieren neben den typischen Knorpelproteinen wie Typ-II, -IX und -XI-Kollagen, auch Typ-X-Kollagen. Weiterhin werden auch knochenspezifische Proteine wie z.B. Osteocalcin und Osteopontin exprimiert. Bestimmte Wachstumsfaktoren, aber auch Chemokine können den Phänotyp stabilisieren [10].

Biochemische Veränderungen

Durch knorpelabbauende Faktoren kommt es zu einer reduzierten Produktion physiologischer Matrixkomponenten (Proteoglykane, Typ-II-Kollagen) und zur vermehrten Produktion matrixabbauender Enzyme wie Matrixmetalloproteasen (MMPs) oder Adamalysinen. Zu den MMPs, eine Familie Zink-abhängiger Enzyme gehören verschiedene Proteasen: Collagenasen, Gelatinasen, Stromelysin, Metalloelastase, Matrilysin und Membran-Typ-MMPs. Neben den MMPs gelten die Aggrekanasen als besonders wichtiger Metabolit im Rahmen der Arthrose [11]. Sie blockieren Aggrekan, das Hauptproteoglykan im Knorpel. Der Verlust von Aggrekan in der extrazellulären Matrix ist ein frühes Zeichen der Arthrose. Die Aggrekanasen, die zu den „A Disintegrin and Metalloproteinase with Thrombospondin motifs“ (ADAMTS) gehören, werden als potentielle Ziele für den Einsatz von sogenannten „Disease modifying drugs“ (DMOADS) diskutiert [12]. Dieses Ungleichgewicht zwischen anabolen und katabolen Prozessen führt zur Schädigung der Homöostase der Chondrozyten. Das strukturelle Korrelat sind Brutnester von proliferierenden und später apoptotischen oder absterbenden Zellverbänden der Chondrozyten („Cluster“) [13].

Hinsichtlich der Bedeutung der Entzündung ist nach wie vor unklar, ob die Entzündung eine Progression fördert oder die entzündlichen Veränderungen nur eine Folge der Arthrose sind [14]. In jedem Fall unterscheiden sich die entzündlichen Reaktionen der Arthrose von denen der primär entzündlichen Arthritiden. Bei Arthrose erkennt man eine stadienabhängige zunehmende niedriggradige Entzündung mit einer Infiltration von der Synovialis. Auch die Synovia enthält eine Reihe von Entzündungsmediatoren. Sie führen zu einer Induktion von Metalloproteinasen und hydrolytischen Enzymen, die schließlich in eine Destruktion der kollagenen Netzwerkstruktur und Verlust der Proteoglykane führen.

Klinische Aspekte

Der klinisch relevante Arthroseschmerz kann aufgrund der Aneuralität des Gelenkknorpels nicht vom alleinigen Knorpelverlust herrühren. Theoretisch kann der Arthroseschmerz von allen innervierten Geweben des Gelenks verursacht werden [15]. Eine wesentliche Rolle spielen hierbei der subchondrale Knochen, u.a. durch seine Innervierung und pathologische Knochenmarködeme sowie die Synovialmembran. Zudem sind auch die Gelenkkapsel, die intrakapsulären Ligamente, die gelenkübergreifende Muskulatur mit ihren Faszien und Sehnen sowie das umgebende Weichteilgewebe und Periost Ursachen des Arthroseschmerzes.

Das Verständnis der Arthrose wächst nicht nur durch die Beschreibung der biochemischen Vorgänge sondern in zunehmender Weise auch durch die Beschreibung von unterschiedlichen Arthrose-Phänotypen [16]. Zur Charakterisierung werden dazu Bildgebung, biochemische Daten und klinische Befunde zusammengeführt. Es wird diskutiert, dass Entzündungsreaktion, Ko-Morbidität, Schmerzempfinden, BMI, röntgenologischer Schweregrad, Muskelkraft und psychologischer Stress eine wesentliche Rolle in der Beschreibung eines klinischen Phänotyps spielen. Hingegen spielen Geschlecht, Übergewicht, Entzündung, weitere metabolische Pathologien und charakteristische Knorpelschädigungen eine wesentliche Rolle für die Beschreibung eines strukturellen Phänotyps.

Definition der Arthrose

Die Arthrose folgt auf mechanische und biologische Ereignisse, die die zuvor physiologische Balance zwischen dem Knorpelaufbau und dem Knorpelabbau stören und entkoppeln. Die primäre Arthrose wird aufgrund einer genetischen Prädisposition verursacht. Hierbei scheinen jedoch mehrere Gendefekte eine Rolle zu spielen, welche in das gemeinsame Endstadium der Arthrose münden. Eine genetische Prädisposition, bspw. auf Basis einer gestörten Synthese von Komponenten der extrazellulären Matrix scheint zudem den Unterschied zwischen einem Patienten auszumachen, der eine Knorpelverletzung erleidet und sich davon erholt und zwischen dem Patienten, der anschließend eine Früharthrose entwickelt. Arthrose ist zudem kein schicksalhafter „Abnutzungsprozess“. Eine sekundäre Arthrose kann auf Basis einer intra- oder extraartikulären präarthrotischen Deformität entstehen [17]. Derartige präarthrotische Deformitäten sind definiert als angeborene oder erworbene Störung der Gelenkstruktur, die die Gelenkfunktion beeinträchtigen. Zu den intraartikulären präarthrotischen Deformitäten zählen im Kniegelenk der Verlust von Meniskusgewebe oder -stabilität, Instabilitäten auf Basis von Kreuzbandrupturen, großflächige fokale Knorpeldefekte und osteochondrale Gelenkfrakturen. Zudem kann eine unbehandelte bakterielle Gonitis auch durch die freigesetzten bakteriellen Kollagenasen die extrazelluläre Knorpelmatrix schädigen und so eine Früharthrose induzieren. Extraartikuläre Ursachen stellen bspw. angeborene bzw. posttraumatische Abweichungen der Beinachse dar. Für das Patellofemoralgelenks spielt die patellofemorale Instabilität mit bspw. erhöhter lateraler Verkippung und/oder Verschiebung der Patella in der axialen Ebene eine Rolle. Diese Ätiologien können in die gleiche morphologische, pathophysiologische und klinische Endstrecke der Arthrose münden.

Pathophysiologie der osteochondralen Veränderungen

Die initiale Degeneration des hyalinen Gelenkknorpels ist das essentielle Element der Früharthrose. Die strukturellen Veränderungen, welche das gesamte Gelenk betreffen, werden von umfassenden zellulären, molekularbiologischen und biochemischen katabolen Veränderungen im Knorpel und im subchondralen Knochen begleitet. Der größte Teil unseres Wissens über Früharthrose stammt von Maus- und anderen Kleintiermodellen. Veränderungen der Genexpression im gesamten Mausgelenk nach Destabilisierung des Innenmeniskus treten bereits nach 6 Stunden auf [18]. Initial findet sich eine hypertrophische Phase mit Zunahme der Knorpeldicke. Diesem Phänomen liegt eine initial gesteigerte Produktion der wasserbindenden Proteoglykanen durch die Chondrozyten zugrunde, die zu einem Wassereinstrom in den extrazellulären Raum mit konsekutiver Gewebeschwellung führt. Nach dieser Phase setzt jedoch ein progressiver Verlust der Knorpelstruktur ein. Synovitis und Anstiege von entzündungsfördernden Zytokinen und Matrix-abbauenden Enzymen werden nach 3 Tagen offensichtlich, was den Abbau der wichtigsten Komponenten der extrazellulären Knorpelmatrix wie Typ-II-Kollagen und Proteoglykane initiiert und dem mikrostrukturellen Knorpelabbau vorausgeht, der nach 2 Wochen auftritt [19]. Der von der Oberfläche her parallel stattfindende zunehmende Verlust der Proteoglykane führt zu einer Reduktion der Wasserbindungskapazität, welche dadurch die biomechanischen Eigenschaften des hyalinen Gelenkknorpels herabsetzt. Die biomechanischen Parameter des Gelenkknorpels sind im Tiermodell nach etwa 4 Wochen reduziert [19, 20].

Morphologisch zeigt sich zunächst eine progressive Aufrauhung und Auffaserung der Knorpeloberfläche, die von größer werdenden Rissen bis hin zu einem von gelenkwärts fortschreitendem schichtweisen Verlust der Knorpelmatrix mit progredient verminderter Widerstandsfähigkeit gekennzeichnet ist. Erosionen erreichten die kalzifizierte Zone nach 10 Wochen [21]. Veränderungen des subchondralen Knochens betreffen sowohl die subchondrale Knochenplatte als auch die subartikuläre Spongiosa. Er reagiert auf die veränderten Druckverhältnisse mit zunehmender Mineralisierung und Verengung der intertrabekulären Räume. Frühe subchondrale Knochenveränderungen nach Destabilisierung des Innenmeniskus wie Osteophyten traten nach 2 Wochen auf, mit erhöhter Osteoklastenaktivität und höherem Knochenumsatz [21] und subchondralen Knochenplattenperforationen [20]. Im frühen Stadium der Arthrose findet ein erhöhter Knochenumbau mit einhergehendem Knochenverlust statt [22]. Mikrofrakturen im subchondralen Knochen initiieren eine osteoklastäre Resorption zur Aktivierung von sekundären Ossifikationszentren mit osteoblastärer Knochenbildung [22].

Pathophysiologie der Veränderungen der Synovialmembran

Auch die Synovialmembran ist maßgeblich an der Früharthrose beteiligt. Es besteht ein Zusammenhang zwischen histologischer Synovitis und klinischen Symptomen. Hierbei variiert das Muster der synovialen Reaktion mit der Krankheitsdauer und den damit verbundenen metabolischen und strukturellen Veränderungen in anderen Gelenkgeweben [23]. Frühe arthroskopische Studien an Patienten mit Früharthrose und nach Implantation einer Knie-TEP zeigten, dass bei der Früharthrose eine alleinige Synovitis im Vordergrund steht [24]. Die Synovialis kann signifikante Veränderungen zeigen, noch bevor eine sichtbare Knorpeldegeneration aufgetreten ist, mit Infiltration mononukleärer Zellen, Verdickung der synovialen Auskleidungsschicht und Produktion von entzündlichen Zytokinen [25].

Wenn sich Knorpelfragmente progressiv vom geschädigten Knorpel ablösen, gelangen sie in die Synovialflüssigkeit, zirkulieren frei im Gelenk und können sich an die Synovialmembran anheften. Dort initiieren diese Knorpelfragmente als Fremdkörper eine oftmals niedriggradige chronische Entzündung der Synovialmembran, welche klinisch stumm verlaufen kann. Von der niedriggradigen chronischen Entzündung der Synovialis sind die hochgradigen und schmerzhaften, von Ergüssen begleitenden Perioden der aktivierten, schmerzhaften Arthrose anzugrenzen, die sich zumeist im fortgeschrittenen Verlauf einstellen. Histologisch ist die Detritussynovialitis durch eine Hyperplasie mit Infiltration von Lymphozyten und Bildung von perivaskulären lymphatischen Aggregaten und synovialer Zottenbildung mit Gefäßeinsprossungen gekennzeichnet. Hierbei sind 4 Muster beschrieben; einschließlich hyperplastischer, entzündlicher, fibrotischer und detritusreichee Synoviopathie [26]. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis findet keine Infiltration von Zellen der Synovialschleimhaut in den Knorpel statt. Die Detritussynovialitis greift auch auf die Gelenkkapsel und periartikuläre Muskeln über und kann so zu schmerzhaften Bewegungseinschränkungen des betroffenen Gelenks führen. Eine vermehrte Zytokinproduktion der Synovialmembran kann wiederum die Matrixsynthese der Chondrozyten hemmen.

Pathophysiologie von
fortgeschrittener Arthrose

Die fortgeschrittene Arthrose zeigt neben den typischen Knorpelveränderungen auch charakteristische knöcherne Veränderungen [27]. Unterhalb einer verdickten Schicht von kalzifiziertem Knorpel findet sich einer Verbreiterung der subchondralen Platte, Mikrofrakturen, eine Sklerose der Trabekel und eine Knochenzystenbildung. Solche Zysten besitzen nicht die typischen Zystenkriterien: Sie haben keine Auskleidung und sind mit fibrösem Bindegewebe gefüllt und inhomogen mit Flüssigkeit. Zur Ätiogenese gibt es nach wie vor nur Thesen: Eine These geht von einem Eindringen von Synovialflüssigkeit aus (extrinsisch), die andere von nekrotischem Knochen aufgrund von Überbelastung mit Mikrobrüchen, Ödembildung und lokaler Knochenresoprtion (intrinsische Entzündung). Neben den sog. Geröllzysten finden sich auch regelhaft Osteophyten, die insbesondere an den Gelenkrändern zu finden sind [28]. Diese Osteophyten vergrößern zwar die Auflagefläche, sie können jedoch, je nach Lokalisation, zu knöchernen Bewegungseinschränkungen führen. Als Auslöser von Osteophyten werden mechanische Reize als auch chronische Entzündungsreaktionen diskutiert, die die Zellen im Bereich des osteochondralen Übergangs zur Chondrogenese und schließlich enchondraler Ossifikation stimulieren.

Sowohl mechanische Schädigungen oder auch ein stoffwechselbedingtes Ungleichgewicht zwischen anabolem und katabolem Stoffwechsel des Chondrozyten führen zu einer zunehmenden Reduktion der Knorpelmatrix. In beiden Fällen kommt es über eine Knorpelerweichung zu Knorpeleinrissen und schließlich zu einem kompletten Verlust der Knorpelschicht, die den subchondralen Knochen exponiert. Gleichzeitig schreiten die Veränderungen im subchondalen Knochen mit Sklerosierung und subchondaler Zystenbildung fort, sowie der Vergrößerung der Osteophyten in peripheren Gelenkanteilen. In fortgeschrittenen Arthrosestadien ist eine Abnahme des Knochenumbaus zu beobachten. Die subchondrale Knochenplatte wird dicker und skerosierter, die Dicke des kalzifizierten Knorpels nimmt zu bei gleichzeitiger Abnahme der Knochenmineralisierung und dem Verlust des Gelenkknorpels [22]. Diese subchondrale Sklerosierung ist ein klassisches röntgenologisches Kriterium der Arthrose. Die erhöhte Dichte des subchondralen Knochens kann die Stoßdämpferfunktion des Knochens negativ mechanisch beeinflussen und so die Schädigung des darüberliegenden Knorpels weiter beschleunigen.

Daneben findet man als charakteristisches Zeichen eine Degeneration der intraartikulären Bänder [29]. Durch das inflammatorische Milieu kommt es zu einer chondroiden Metaplasie mit Proteoglykaneinlagerung und fibrochondrozytärem Phänotyp. Bei einem Großteil der Arthrose-Patienten [30] finden sich Veränderungen wie chondroide und mukoide Metaplasie, Kalzifizierung, und das Auftreten von Myofibroblasten [31]. Zusammen mit einem entzündlich bedingten Umbau des Kapsel-/Bandapparates führen diese Prozesse zur Kontraktur und Funktionseinschränkung des Gelenkes, die zu einer Beschleunigung des arthrotischen Prozesses führen kann.

Vor allem bei von Patienten mit Arthrose im Endstadium finden sich große Knorpelfragmente im Synovium [24]. Freigesetzt aus der Synovialmembran werden proinflammatorische Mediatoren wie IL-1, IL-6, TNF-a, Stickoxid, Neuropeptide, Prostaglandine. Diese Faktoren könnten wiederum den Knorpelabbau fördern, welcher weiter die synoviale Entzündung verstärken kann. Diese Abriebsynovialitis setzt knorpelzerstörende Faktoren aus synovialen Zellen frei, die wie ein Circulus vitiosus über eine negative Verschiebung der Bilanz zum Verlust der Homöostase des Gelenks den arthrotischen Knorpelabbau verstärkten können.

Klinischer Ausblick

Die Reparaturmechanismen des hyalinen Gelenkknorpels bei Arthrose werden klassischerweise als eingeschränkt bezeichnet [26]. Dennoch lassen aktuelle Studien vermuten, dass diese schicksalhafte Betrachtung, die einen irreversiblen Abnutzungsvorgang beschreibt, offensichtlich komplexer und ggf. eher in einer ständigen Balance von temporär degenerativen und regenerativen Prozessen betrachtbar ist.

So zeigen aktuelle klinische Studien regionalen Knorpelaufbau durch pharmakologische Therapien. Allerdings waren diese strukturmodifizierenden Veränderungen von klinisch unverändertem Schmerz und Gelenkfunktion im Vergleich zum Plazebo begleitet. Desweiteren belegen klinische Studien zur Gelenkdistraktion bei Patienten mit fortgeschrittener Gonarthrose interessante Ergebnisse. Bei der Kniegelenkdistraktion wird an Femur und Tibia für etwa 6 Wochen ein rigider Fixateur externe angelegt, welcher die Knochen graduell auseinanderzieht und den Gelenkspalt erweitert. Ob tatsächlich die Knorpelbildung angeregt wird, ist aktuell Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Kernspintomografische Untersuchungen zeigten auch, dass in den Knien tatsächlich eine Vergrößerung der Knorpelvolumina stattfand. Diese Daten lassen hoffen, dass es zukünftig denkbar sein könnte, zumindest eine Reduktion des Fortschreitens des arthrotischen Prozesses zu erreichen, die möglicherweise die Implantation einer Endoprothese herauszögern kann.

Interessenkonflikte:

Keine angegeben.

Das Literaturverzeichnis zu
diesem Beitrag finden Sie auf:
www.online-oup.de.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Henning Madry

Institut für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung

Universität des Saarlandes

66424 Homburg/Saar

henning.madry@uks.eu

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