Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Plantarfasziitis und der plantare Fersenschmerz – Diagnose und Therapie

Dariusch Arbab1, Bertil Bouillon2, Christian Lüring3

Zusammenfassung: Die Plantarfasziitis ist eine Insertionstendinopathie der Aponeurosis plantaris an ihrem kalkanearem Ursprung und der häufigste Grund des plantaren Fersenschmerzes. Die Entstehung der Plantarfasziitis ist häufig multifaktoriell. Neben einer mechanischen Überlastung können auch neurogene Kompressionssyndrome zum Beschwerdebild beitragen. Radiologische Untersuchungstechniken sind für die Diagnose nicht zwingend erforderlich. Sie können jedoch bei differenzialdiagnostischen Fragestellungen oder zwecks Planung eines operativen Eingriffs hilfreich sein. Die Behandlung des plantaren Fersenschmerzes und der Plantarfasziitis erfolgt primär konservativ. Eine operative Therapie sollte nach Ausreizung der konservativen Maßnahmen frühestens nach 6–12 Monaten erwogen werden. Die operative Behandlung kann in offener Technik mit Inzision der Plantaraponeurose, Dekompression des N. plantarislateralis und ggf. Abtragung des kalkanearen Sporns oder in endoskopischer/perkutaner Technik erfolgen.

Schlüsselwörter: Plantarfasziitis, Fersensporn, Kortisoninjektion, Stoßwellentherapie, Plantarfaszienkerbung

Zitierweise
Arbab D, Bouillon B, Lüring C: Plantarfasziitis und der plantare Fersenschmerz – Diagnose und Therapie.
OUP 2016; 12: 696–701 DOI 10.3238/oup.2016.0696–0701

Summary: Plantar fasciitis is one of the most common causes of heel pain. This painful condition of the foot is caused by inflammation and degeneration of the plantar aponeurosis or nerv compression at its calcaneal origin. The underlying etiology of plantar fasciitis is likely to be multifactorial. Imaging studies are typically not necessary for the diagnosis of plantar fasciitis, but may help to exclude differential diagnosis or for preoperative planning. Non-operative treatment of plantar fasciitis should be performed for at least 6–12months before surgical intervention will be considered.Treatment of recalcitrant plantar fasciitis will be performed as open plantar fasciotomy with decompression and heel spur resection or in endoscopic/percutaneous technique.

Keywords: plantar fasciitis, plantar heel spur, corticoid injection, extracorporal shock wave therapy, plantar fasciotomy

Citation
Arbab D, Bouillon B, Lüring C: Plantar fasciitis and plantar heel pain – diagnosis and therapy.
OUP 2016; 12: 696–701 DOI 10.3238/oup.2016.0696–0701

Einleitung

Schmerzen an der plantaren Ferse sind häufig und stellen Patienten, aber auch Behandelnde oftmals vor eine Geduldsprobe. Die Plantarfasziitis ist die häufigste Ursache für den plantaren Fersenschmerz. Die Entstehung dieser ursprungsnahen Insertionstendinopathie der Aponeurosis plantaris am Kalkaneus ist nicht abschließend geklärt, auch wenn extrinsische und intrinsische Risikofaktoren benannt werden können [1]. Die Bezeichnungen Plantarfasziitis und plantarer Fersenschmerz werden teilweise synonym verwendet. Die Plantarfasziitis stellt eine gesicherte Diagnose dar, wohingegen der plantare Fersenschmerz als Überbegriff unterschiedlicher Ätiologien des Beschwerdekomplexes zu verstehen ist. Neben der Insertionstendinopathie und Nervenkompression des N. plantaris lateralis können auch Stressfrakturen des Kalkaneus, Enthesiopathien bei Spondylarthropathien, der zentrale Fersenschmerz bei Insuffizienz des plantaren Fettpolsters, Fibromatosen, subkalkaneare Bursitiden und eine akute Ruptur der Plantarfaszie den plantaren Fersenschmerz verursachen [2] (Tab. 1).

Epidemiologie

Die genaue Prävalenz und Inzidenz der Plantarfasziitis sind nicht bekannt, sie stellt aber einen häufigen Konsultationsgrund in der Orthopädie und auch Allgemeinmedizin dar. Schätzungsweise jeder 10. Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens einen Fersenschmerz. 1 % aller orthopädischen Konsultationen und 10–15 % aller Konsultation aufgrund von Fuß- und Sprunggelenkbeschwerden sollen zu Lasten des plantaren Fersenschmerzes gehen [3].

Pathoanatomie und Ätiologie

Die plantare Aponeurose besteht aus straffem Bindegewebe und erstreckt sich vom Tuber calcanei bis zu den Basen der proximalen Phalangen. Sie ist der wichtigste passive Stabilisator des Fußes und schützt die Muskeln, Sehnen, Nerven und Gefäße der Fußsohle. Durch den von Hicks beschriebenen „windlass mechanism“ (Seilwindenmechanismus) kommt es während der Dorsalextension der Zehen und des OSG zu einer Verspannung der nur wenig elastischen Aponeurose. Dieses bewirkt über eine Verblockung des Mittel- und Rückfußes die passive Stabilisierung des Fußskeletts [4].

Die plantare Ferse ist während der Stand- und Gangphasen enormen Belastungen ausgesetzt. Bei sportlicher Betätigung kann das 2–4-fache des Körpergewichts auf die Strukturen der Ferse einwirken. Durch den Windlass-Mechanismus entsteht eine zusätzliche Zugbelastung an der ursprungsnahen Aponeurose [5]. Diese kann zu einer mechanischen Überlastung der Plantarfaszie führen, welche durch extrinsische und intrinsische Faktoren

  • – erhöhter BMI Index
  • – Verkürzung der Wadenmuskulatur/Achillessehne
  • – Fußfehlstellungen (Pescavovarus/Pesplanovalgus)
  • – höheres Alter
  • – intensive körperliche Belastung (Joggen)
  • – falsches Schuhwerk

begünstigt wird und schließlich in der Plantarfasziitisenden kann [6, 7, 8].

Besondere Beachtung verdient das subkutane Fett der plantaren Ferse. Ihr spezialisierter anatomischer Aufbau ist auf hohe Druckbelastungen ausgelegt. Durch eine wabenförmige Anordnung des Baufetts mit fibroelastischer Verbindung zur Haut, dem Kalkaneus und der Plantaraponeurose wird eine effektive stoßfedernde Funktion ermöglicht. Die Verminderung der stoßfedernden Funktion durch einen Elastizitätsverlust oder eine Atrophie erhöht die Druckbelastung auf die Ferse und die Aponeurose zusätzlich.

Der N. tibialis teilt sich auf Höhe des Malleolus medialis in den N. plantaris medialis, N. plantaris lateralis und die Rr. calcaneares. Der erste Ast des N. plantaris lateralis, auch als „Baxter´s Nerv“ bezeichnet, innerviert die Mm. abductor digiti minimi und flexor digitorum brevis motorisch sowie den medialen Kalkaneus sensibel. Auf seinem Weg zur lateralen Ferse passiert er 2 potenzielle Engstellen, an denen eine Kompression möglich ist.

Diagnostik/Diagnose

Anamnese

Die Diagnose der Plantarfasziitis erfolgt klinisch. Auch die Differenzierung der verschiedenen Ursachen des plantaren Fersenschmerzes kann in aller Regel durch eine gründliche Anamnese und klinische Untersuchung erfolgen. Anamnestisch sollten der allgemeine Gesundheitszustand und die berufliche sowie sportliche Belastung erfasst werden. Die genaue Lokalisation der Schmerzen an der Ferse als auch das Auftreten in den verschiedenen Phasen des Gangzyklus geben Aufschluss über mögliche Ursachen (Tab. 2).

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