Übersichtsarbeiten - OUP 12/2016

Plantarfasziitis und der plantare Fersenschmerz – Diagnose und Therapie

Die klinische Untersuchung beginnt mit einer Beurteilung des Gangbilds, der Bein- und Rückfußachsen sowie der Stellung des Fußes. Es ist insbesondere auf eine Fehlstellung im Sinne einer Pesplanovalgus- oder Pescavovarus-Deformität zu achten. Das Bewegungsausmaß des OSG in Beugung und Streckung kann eine Verkürzung der Wadenmuskulatur/Achillessehne demaskieren und gibt wertvolle Hinweise für die Entstehung der Plantarfasziitis. Die gründliche Palpation der Ferse und plantaren Faszie helfen bei der exakten Eingrenzung der Schmerzlokalisation und einer differenzialdiagnostischen Beurteilung [9] (Abb. 1).

Plantarfasziitis

Die akute Plantarfasziitis (< 4 Wochen) weist häufig einen Anlaufschmerz der ersten Schritte am Morgen und nach längerem Sitzen auf. Der Schmerz an der medio-plantaren Ferse („loco tipico“) wird als stechend beschrieben. Er bessert sich häufig nach einigen Schritten oder im Laufe des Tages. Eine Einschränkung der Beweglichkeit im oberen Sprunggelenk ist häufig nachzuweisen. In der subakuten (4 Wochen bis 3 Monate) und chronischen Phase (> 3 Monate) verändert sich das Beschwerdebild. Die Betroffenen klagen über einen dumpfen Schmerz unterschiedlicher Lokalisation, der teilweise auch in Ruhe besteht.

Nervenengpass-Syndrom

Die Einengung des N. plantaris lateralis kann zu ähnlichen Symptomen führen und ist häufig nur schwer von der Plantarfasziitis zu unterscheiden. Gelegentlich lässt sich durch Perkussion im Nervenverlauf eine neurogene Schmerzausstrahlung provozieren (positives Tinel-Zeichen).

Kalkaneus-Stress-Fraktur

Die mechanische Überlastung der Ferse kann zu einer Kalkaneusstressfraktur führen. Die Patienten berichten häufig von einer Wiederaufnahme sportlicher Betätigung oder einer relevanten Steigerung der körperlichen Aktivität. Klinisch lässt sich ein medialer und lateraler Kompressionschmerz des Kalkaneus auslösen. Die Beschwerden nehmen, im Gegensatz zur Plantarfasziitis, im Verlauf der Belastung zu.

Plantare Fibromatose

Typischerweise kommt es zu einer Verhärtung der Aponeurose im Verlauf nach distal mit Ausbildung von knotigen Verhärtungen.

Zentraler Fersenschmerz

Der zentrale Fersenschmerz entsteht häufig schleichend auf der Grundlage einer degenerativen Fettpolster-Insuffizienz. Kortisoninjektionen können zusätzlich eine Atrophie bewirken und die Ausbildung der Insuffizienz begünstigen. Im Vergleich zur gesunden Seite lässt sich eine Reduktion oder ein Elastizitätsverlust des plantaren Fettpolsters palpieren. Der Druckschmerz ist im Vergleich zur Plantarfasziitis median und weiter dorsal gelegen.

Akute Plantarfaszienruptur

Diese seltene Ursache des plantaren Fersenschmerzes kann degenerativ oder auch iatrogen bedingt sein. Ein plötzlich einsetzender Schmerz und ein begleitendes Geräuschphänomen werden beschrieben. Häufig besteht im Vorfeld bereits eine chronische Plantarfasziitis, die mit lokalen Kortisoninjektionen behandelt wurde. Bei der klinischen Untersuchung kann sich ein plantares Hämatom und ein Widerstandsverlust bei Palpation mit Einschränkungen des einbeinigen Zehenspitzenstands darstellen.

Bildgebung

Radiologische Untersuchungstechniken sind für die Diagnose der Plantarfasziitis und des plantaren Fersenschmerzes nicht zwingend notwendig. Sie können jedoch bei differenzialdiagnostischen Fragestellungen oder zwecks Planung eines operativen Eingriffs sinnvoll sein. Insbesondere die MRT-Untersuchung liefert aufgrund der guten Weichteildarstellung wertvolle differenzialdiagnostische Informationen.

Röntgen

Eine Plantarfasziitis lässt sich nativradiologisch nicht darstellen. Ein begleitender Fersensporn wird von den Patienten häufig als Ursache angesehen, scheint aber ätiologisch keine Rolle zu spielen [10]. Vor einer operativen Behandlung ist die Anfertigung einer seitlichen Fersenbeinaufnahme zwecks Planung zu empfehlen. Kalkeneus-Stress-Frakturen sind in der Frühphase nativradiologisch ebenfalls nicht darstellbar und zeigen erst nach 3–4 Wochen typische Veränderungen (Abb. 2).

Kernspintomografie (MRT)

Die Plantarfasziitis zeigt im MRT in der Frühphase eine Verdickung und Mikrorupturen der ursprungsnahen Aponeurose. Häufig lässt sich ein begleitendes Ödem des Kalkaneus in den T2 und fettunterdrückten Sequenzen darstellen [11] (Abb. 3).

Kalkaneus-Stress-Frakturen sind in der Frühphase ebenfalls gut darstellbar. Sie weisen ein großflächiges Ödem des dorsalen Kalkaneus auf. Seltene Ursachen, wie Tumore, ein Tarsaltunnelsyndrom oder eine FHL-Tendinitis lassen sich durch die gute Weichteildarstellung abgrenzen [12].

Sonografie

Die Sonografie ist eine günstige und strahlungsfreie, jedoch anwenderabhängige Untersuchungsmethode. Die Plantarfasziitis kann damit diagnostiziert und ihr Verlauf dargestellt werden. Typisch sind eine ursprungsnahe Verdickung und Veränderungen der Echogenität der Aponeurose bei unscharfer Darstellung der Randkonturen, welche bei Therapieerfolg regredient sind [13].

Neurologische Untersuchung

Zur Differenzierung zwischen der Plantarfasziitis und einer Nervenkompression des N. plantaris lateralis können elektrophysiologische Untersuchungen (Nervenleitgeschwindigkeit, Elektromyografie) herangezogen werden. Diese sind in der Praxis jedoch aufgrund der hohen falsch positiven und negativen Ergebnisse von nur eingeschränktem Nutzen.

Konservative Therapie

Die Therapie der Plantarfasziitis und des plantaren Fersenschmerzes ist eine Domäne der konservativen Therapie. In der Literatur werden Ausheilungsraten von über 90 % der Patienten innerhalb der ersten 6–12 Monate beschrieben [14]. Regelhaft wird ein kombinierter Therapieansatz gewählt, der verschiedene Behandlungsmodalitäten umfasst [14]. Ein einheitliches, überlegenes Therapieschema konnte bisher nicht aufgezeigt werden. Einigkeit besteht darin, dass die Behandlung mit einer Anpassung der Aktivität und Belastung einhergehen sollte. Die Effektivität der alleinigen Therapie ist nur schwer einzuschätzen, da meist ein kombinierter Therapieansatz erfolgt [15].

Dehnung

Die Dehnung der Plantaraponeurose und der Wadenmuskulatur führt in der Akutphase der Plantarfasziitis zu einer Schmerzreduktion und Verbesserung der Patientenzufriedenheit [16]. Sie kann physiotherapeutisch begleitet oder eigenverantwortlich durchgeführt werden. In wissenschaftlichen Arbeiten konnte ein überlegener Effekt der Dehnung der Plantaraponeurose gegenüber der isolierten Dehnung der Wadenmuskulatur nachgewiesen werden. Aus praktischen Gesichtspunkten sollte eine Dehnung beider Strukturen erfolgen [17]. Hinsichtlich der Dauer und Frequenz der Dehnungseinheiten werden 2–3 Übungseinheiten pro Tag und eine Dauer von 20 Sekunden bis 3 MInuten empfohlen (Abb. 4a–b).

Einlagen und Taping

Die Verwendung von Ferseneinlagen, Fersengelkissen und die Unterstützung der Längswölbung mittels Einlagen und entsprechendem Taping können in der Akutphase eine Schmerzreduktion bewirken [18]. Vergleichende Studien haben keinen Vorteil einer individuell gefertigten gegenüber der konfektionierten Einlagenversorgung nachweisen können [19]. Patienten mit Fußfehlstellung (Pesplanovalgus, Pescavovarus), einer Fibromatose oder zentralem Fersenschmerz bei Fettpolster-Insuffizienz scheinen aber von einer maßgefertigten Versorgung zu profitieren.

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