Übersichtsarbeiten - OUP 05/2017

Posterior stabilisierte Knieprothese
Neues Design und klinisches OutcomeNew design and clinical outcome

Lyubomir Haralambiev1, Ulrich Böhling1

Zusammenfassung: Für den primären Oberflächenersatz in der Knieprothetik werden 2 Grundtypen verwendet: hinteres Kreuzband erhaltende und posterior stabilisierende Prothesen. Für die Primärimplantation sind beide Arten geeignet, sie werden aber in den USA und Deutschland unterschiedlich favorisiert. Im Vergleich haben beide Prothesentypen biomechanische Vor- und Nachteile im
Design, klinisch zeigen diese jedoch ein vergleichbares
Outcome. Mit der Einführung eines neuen PS-Implantats wollten wir feststellen, welche Vor- bzw. Nachteile gegenüber dem als Standard verwendeten Oberflächenersatz zu beobachten sind.

Wir favorisieren weiterhin bei intaktem hinterem Kreuzband die primäre Versorgung mit dem UC-Oberflächenersatz. Die Indikation für die PS-Endoprothese verknüpfen wir mit einer Pathologie des hinteren Kreuzbands. Dabei ist in der PS-Versorgung der primäre Retropatellarersatz zu diskutieren.

Schlüsselwörter: Gonarthrose, posterior stabilisierte
Knieendoprothese, Knie-TEP Design, Kinematik

Zitierweise
Haralambiev L, Böhling U: Posterior stabilisierte Knieprothese. Neues Design und klinisches Outcome.
OUP 2017; 5: 284–288 DOI 10.3238/oup.2016.0284–0288

Summary: Currently for primary knee joint replacement 2 types of implants are suitable: cruciate-retaining and posterior stabilized. Although for primary total knee arthroplasty both types are indicated, the preference differs significantly in the US and in Germany. Comparing both implants the different design has biomechanically advantages and disadvantages, but clinical outcome is similar. With the introduction of the new posterior stabilized implant design, we wanted to determine whether significant advantages and disadvantages compared to our standard cruciate-retaining implant could be observed. In a prospective study of 40 patients with primary osteoarthritis, admitted to the Park Klinik Weißensee in Berlin for total knee arthroplasty in the period of January to May 2015, we evaluated the Knee Society Score and Oxford Knee Score pre- and postoperatively (6 weeks, 6 and 12 months).

So finding an intact posterior cruciate ligament, we recommend the cruciate retaining implant. We connect the indication for a PS implant with a pathology of the posterior cruciate ligament. In these cases, we recommend a primary patella resurfacing.

Keywords: osteoarthritis of the knee, posterior stabilized knee joint replacement, total knee arthroplasty design, kinematic

Citation
Haralambiev L, Böhling U: Posterior stabilized total knee arthroplasty. New design and clinical outcome.
OUP 2017; 5: 284–288 DOI 10.3238/oup.2016.0284–0288

Einführung

Das hintere Kreuzband (HKB) ist der primäre Stabilisator gegen die posteriore tibiale Translation. Es besteht aus 2 Bündeln: ein kräftiges anterolaterales Bündel, das in 90° Beugung gespannt wird, und ein dünneres posteromediales Bündel, das in maximaler Streckung und maximaler Beugung unter Spannung kommt. Funktionell wirkt der M. Quadriceps femoris als Agonist, die ischiokruralen Muskeln dagegen wirken antagonistisch durch Zug in die hintere Schublade der Tibia in Flexion. Die posterolateralen und -medialen Strukturen des Kniegelenks wirken synergetisch zum hinteren Kreuzband [1, 2]. Der erste bikondyläre Oberflächenersatz wurde 1971 durch Freeman und Swanson entworfen [3]. Insall entwickelt dieses Konzept weiter und präsentiert 1974 die Total-Condylar-Prothese, bei der zu dem femoralen und tibialen auch ein retropatellarer Ersatz vorgenommen wurde. Aufgrund der Instabilität durch die Resektion des hinteren Kreuzbands entwickelte Insall die erste posterior stabilisierende Knieendoprothese (Total-Condylar-Prothese II). Dabei wurde ein zentraler tibialer Zapfen als hinterer Kreuzbandersatz verwendet [4]. Aufgrund einer großen Anzahl von Implantatlockerungen wurde die Positionierung des Zapfens nach posterior verlagert. So entstand 1978 die Insall-Burstein-posterior-stabilisierte Knieprothese [5].

Die PS Prothese

Die Wiederherstellung des physiologischen Beuge- und Streckmechanismus bei adäquaten muskulären Kraft- und Femoralo-patellaren Druckverhältnissen ist von grundlegender Bedeutung für den Erfolg des Kniegelenkersatzes [6, 7]. Die posterior stabilisierenden Modelle erlauben durch die Resektion des hinteren Kreuzbands eine erhöhte femurotibiale Distraktion. Der Post/Cam-Anteil der Prothese sichert die tibiale Translation während der Flexion im Kniegelenk und reproduziert das femorale Rollback. Darüberhinaus wird die mediolaterale Stabilität in der Valgus/Varus-Achse verbessert [8, 9]. Manche Autoren sehen durch die PS Knieendoprothese eine bessere Planbarkeit bei der Wiederherstellung der Kniekinematik [10]. Als Nachteil wird die Prädisposition zum erhöhten Abrieb im Post/Cam-Bereich gewertet [11]. Hier spielt das Design der PS-Prothese eine entscheidende Rolle, da je nach verschiedenem Mechanismus, Lokalisation oder Geometrie des PE-Inlays die Stärke des Abriebs variiert [12]. Das Design der PS-Prothese setzt eine Knochenresektion im interkondylären Notchbereich voraus. Besonders bei kleinen Femurgrößen führt das zu einer Schwächung der Kondylenregion [13]. Das sogenannte „Patella Clunk Phänomen“ kommt vorwiegend bei PS-Knie-Endoprothesen vor. Ursächlich ist prominentes Bindegewebe im Bereich des proximalen Patellapools und der Quadricepssehne, das bei tiefer Beugung der PS-Knieendoprothese in der Box einklemmen kann und bei Streckung des Kniegelenks eine Blockierungssymptomatik auslöst, die ein Geräuschphänomen nach sich zieht [14]. Ein weiteres potenzielles Problem bei der PS Prothese ist die Gefahr von tibio-femoraler Dislokation, bei der der Inlay-Zapfen (Post) unter dem femoralen Cam durchrutscht. Zu diesem „Überspringen“ kommt es, wenn intraoperativ eine zu große Differenz zwischen Beuge- und Streckspalt entsteht. Moderne PS-Modelle berücksichtigen diese „jumping distance“, sodass dieses Phänomen heute seltener vorkommt [15].

Neues Design

Das Design des Post/Cam-Mechanismus und dessen Artikulationsfläche hat bei der PS-Prothese eine bedeutende Rolle [16]. Die in der Studie genutzte posterior stabilisierende Prothese ist seit April 2013 auf dem Markt. Im Design wurden entscheidende Veränderungen zu herkömmlichen Modellen vorgenommen, um oben genannte Nachteile zu reduzieren. So wird anstelle der Knochenresektion in der Notch nunmehr eine Vertiefung mit Hilfe einer Hohlfräse vorgenommen und somit die Knochenresektion volumetrisch um 40 % reduziert. Der Post/Cam-Mechanismus wird durch ein „Ball-in-socket-Prinzip“ abgelöst, dessen konkav/konvex geformte Gleitpaarung den Flächenanpressdruck reduziert und positiv auf den PE-Verschleiß wirkt. Die mobile Plattform ist posterior flach auslaufend mit positivem Einfluss auf die Beugung. Im Labor bestätigt sich das Konzept in der deutlichen Reduktion des PE-Abriebs. So konnte die Verschleißrate in der Kombination der AS-beschichteten Oberfläche auf 0,21 mm³/Mio. Zyklen reduziert werden [17]. Einheitliche Kriterien für den Einsatz von posterior stabilisierenden Knieendoprothesen gibt es nicht, außer bei der Instabilität des hinteren Kreuzbands. Die Diskussion um die Primärindikation ist nicht abgeschlossen. So sind in den USA bereits 57 % [18] der alljährlich primär implantierten Knie-Endoprothesen posterior stabilisierend, in Deutschland liegt der Prozentanteil bei 19,3 % [19].

Fragestellung

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