Informationen aus der Gesellschaft - OUP 03/2020

Prävention und Management von Komplikationen nach Frakturen im Kindesalter

An der unteren Extremität stehen Beinlängendifferenzen im Vordergrund, jedoch kommen sowohl am distalen Femur als auch an der proximalen und distalen Tibia asymmetrische Wachstumsstörungen mit Varus- oder Valgus-Abweichungen vor. Unterhalb einer posttraumatischen Beinlängendifferenz von 2 cm, unabhängig, ob femoral oder tibial, ist der Ausgleich durch Sohlenerhöhung sinnvoll. Nach Femurschaftfrakturen ist in der Regel das gebrochene Bein durch eine Fugenstimulation länger. Hier kann es im weiteren Verlauf zu einer Normalisierung kommen. Selten verbleibt die Differenz oder nimmt zu, sodass über eine temporäre Fugenhemmung mittels medialer und lateraler Epiphysiodese diskutiert werden kann. Nur selten und nach komplexen Frakturen sind die Folgeerscheinungen so ausgeprägt und dann meist mit einer Verkürzung der betroffenen Seite verbunden, dass eine Längenkorrektur über eine Kallusdistraktion (je nach Alter mit Ringfixateur oder Verlängerungsnagel) indiziert ist. Wenn es metaphysär am distalen Femur, der proximalen oder der distalen Tibia zu asymmetrischen Wachstumsstörungen kommt, ist die monolaterale Epiphyseodese (8-plate, Schraube) ebenfalls die Methode der ersten Wahl. Der durch Blockade der komplementären Fugenhälfte erreichte Achsenausgleich führt allerdings in einem Teil der Fälle zur Verkürzung, sodass in der Folge der Fokus auf der Beinlänge sein muss. Alternativ kann bei den Jugendlichen mit prämaturen Fugen die Achsen- und Längen-korrigierende aufklappende Osteotomie mit Plattenosteosynthese durchgeführt werden. In allen Altersgruppen steht auch für dieses Problem z.B. der Ringfixateur zur Verfügung.

Eine verzögerte Knochenbruchheilung wird im Kindealter an der oberen Extremität selten nach offenen Frakturen oder offenen Repositionen beobachtet. Am Unterarm sehen wir vereinzelt Heilungsverzögerungen in Ulnaschaft-Mitte bei älteren Kindern und Jugendlichen. Meist kommt es, Beschwerdefreiheit vorausgesetzt, unter geduldigem Abwarten und liegender ESIN zur Durchbauung bis zu 1 Jahr nach dem Trauma. Selten muss lokal revidiert oder eine andere Osteosynthese vorgenommen werden. Am Unterschenkel dagegen kann die Heilung verzögert sein, wenn eine isolierte Tibiafraktur intramedullär versorgt wurde und die unverletzte Fibula sperrt oder wenn beim Adoleszenten die Stabilität der ESIN nicht mehr ausreicht. Hier wäre retrospektiv meist der Fixateur externe die bessere Wahl gewesen. Während im 1. Fall die Metallentfernung oder die Fibulaosteotomie helfen kann, ist im 2. Fall eher der Systemwechsel zur Platte oder zum Marknagel indiziert. Pathologische Frakturen z.B. aufgrund einer chronischen Osteomyelitis sollen hier außen vor gelassen werden.

Die meisten Komplikationen nach Frakturen im Kindesalter sind intraoperativ zu erkennen und zu verhindern. Basis ist neben operativer Erfahrung und guter Osteosynthesetechnik eine adäquate individuelle Wachstumsprognose, die zu einer vernünftigen Einbeziehung der Spontankorrektur führt, aber keine Überforderung der Mechanismen darstellt. Korrekturen orientieren sich ebenfalls an der lokalen Wachstumspotenz, weshalb das Wissen um die Phänomene des Remodellings im kindertraumatologischen Komplikationsmanagement von größter Bedeutung ist.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med.
Peter P. Schmittenbecher

Direktor der Kinderchirurgischen Klinik

Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH

Moltkestraße 90

76133 Karlsruhe

peter.schmittenbecher
@klinikum-karlsruhe.de

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