Arzt und Recht - OUP 01/2013

Praxismietvertrag: Schutz gegen konkurrierende Mieter im selben Haus

Der klagende Facharzt für Orthopädie schloss einen Mietvertrag über Räume in einer „Praxisklinik“ zur Nutzung als „Arztpraxis für die Fachdisziplin Orthopädie (Prävention, Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen, Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane und die Rehabilitation) unter Einschluss der laut Sächsischer Weiterbildungsordnung damit verbundenen Zusatzqualifikationen“. Gemäß der Vorbemerkung des Mietvertrages beabsichtigte er, operative Eingriffe durchzuführen.

Im Mietvertrag heißt es zum Konkurrenzschutz: „Der Vermieter gewährt für die Fachrichtung Orthopädie und den Schwerpunkt Chirotherapie des Mieters Konkurrenzschutz im Projekt … Der Vermieter kann an einen Arzt derselben Fachdisziplin mit demselben Schwerpunkt, die bereits im Projekt vertreten ist, nur dann eine Vermietung an einen solchen Kollegen vornehmen, wenn der Mieter sein Einverständnis dazu schriftlich erklärt hat. …“

Danach mietete ein Facharzt für Chirurgie in demselben Haus Räume zur Nutzung als Arztpraxis für die Fachdisziplin Chirurgie/Unfallchirurgie, in denen ein weiterer Facharzt für Chirurgie mit Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie als weiterer Mieter eintrat (Gemeinschaftspraxis). Die Gemeinschaftspraxis bezeichnet sich in ihrem Internetauftritt als Schwerpunktpraxis für Arthroskopie und Gelenkchirurgie. Sie führt unter anderem operative und nicht operative Behandlungen an den Stütz- und Bewegungsorganen durch. Darüber hinaus ist sie auf dem Gebiet der Unfallchirurgie tätig.

Mit der Klage verlangt der Kläger Beseitigung der eingetretenen Konkurrenzsituation zum nächstmöglichen Zeitpunkt, Unterlassung der Vermietung weiterer Räumlichkeiten an die Gemeinschaftspraxis, Feststellung einer Mietminderung um 50%, Rückzahlung der infolge der Minderung überzahlten Miete sowie hilfsweise Schadensersatz für den ihm durch die Konkurrenz entgangenen Gewinn.

Aus den Gründen

Der BGH bestätigt, dass die Gemeinschaftspraxis in Bereichen tätig ist, für die dem Kläger gemäß Mietvertrag Konkurrenzschutz gewährt ist. Die Konkurrenzschutzklausel sei dahingehend auszulegen, dass sie den Kläger vor künftiger Konkurrenz auf dem Gebiet der operativen und nicht operativen Behandlungen an den Stütz- und Bewegungsorganen, somit auch auf dem dem Fachbereich der Orthopädie zuzuordnenden Gebiet der orthopädischen Chirurgie durch einen Facharzt für Chirurgie schützt. Bei der Auslegung der Konkurrenzschutzklausel sei der im Mietvertrag beschriebene Vertragszweck heranzuziehen. Die in Bezug genommene Sächsische Weiterbildungsordnung sah zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die „Spezielle orthopädische Chirurgie“ als Zusatzqualifikation an. Diese umfasste Operationen höherer Schwierigkeitsgrade bei angeborenen und erworbenen Formveränderungen und Funktionsstörungen sowie Erkrankungen, Verletzungen und Verletzungsfolgen der Stütz- und Bewegungsorgane.

In der Regelung des Mietvertrages, nach der der Vermieter an einen Arzt derselben Fachdisziplin mit demselben Schwerpunkt ohne schriftliches Einverständnis des Klägers keine Räume im Objekt vermieten darf, liege keine Einschränkung des Konkurrenzschutzes dahingehend, dass nur der Schutz vor einer Vermietung an einen Facharzt für Orthopädie mit dem Schwerpunkt Chirotherapie gewährt werden sollte. Denn eine solche Einschränkung hätte zur Folge, dass der im Mietvertrag gewährte Konkurrenzschutz nahezu bedeutungslos wäre. Zum einen wäre dem Vermieter lediglich die Vermietung an einen Facharzt für Orthopädie mit dem Schwerpunkt Chirotherapie verboten, nicht aber die Vermietung an Fachärzte für Orthopädie mit einem anderen oder keinem Schwerpunkt. Zum anderen wären wesentliche Tätigkeitsbereiche, nämlich die operativen und nicht operativen Behandlungen an den Stütz- und Bewegungsorganen, nicht vom Konkurrenzschutz erfasst.

Der BGH stellte zudem fest, dass die vertragswidrige Konkurrenzsituation einen Mangel der Mietsache darstellt, der zur Minderung der Miete führt. Zu dem vertraglich vereinbarten Zustand der Mietsache gehören über deren physische Beschaffenheit hinaus auch die tatsächlichen Zustände und rechtlichen Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen und ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Dies seien auch Störungen, die außerhalb der Mietsache liegen, soweit sie deren Gebrauchstauglichkeit unmittelbar beeinträchtigen. Maßgebend sei in erster Linie der von den Parteien vereinbarte vertragsgemäße Gebrauch. Aus dem zur Erfüllung des vertragsgemäßen Gebrauchs erforderlichen Zustand der Mietsache ergebe sich deren geschuldeter Zustand.

Bei der Vermietung von Räumen zum Betrieb eines bestimmten Geschäfts gehöre es auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gemäß § 535 BGB, in anderen Räumen des Hauses oder auf unmittelbar angrenzenden Grundstücken des Vermieters kein Konkurrenzunternehmen zuzulassen (sogenannter vertragsimmanenter Konkurrenzschutz). Die Verpflichtung des Vermieters zum Schutz des Mieters vor Konkurrenz auch bei Fehlen einer vertraglichen Regelung beruhe auf der Erwägung, dass es zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört, dass der Vermieter den Mieter in dem vertraglich vereinbarten Gebrauch zum Betrieb des vereinbarten Geschäfts bzw. Gewerbes nicht behindert. Dabei ist der Vermieter allerdings nicht gehalten, dem Mieter jeden fühlbaren oder unliebsamen Wettbewerb fernzuhalten. Vielmehr ist nach den Umständen des einzelnen Falles abzuwägen, inwieweit nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Belange der Parteien die Fernhaltung von Konkurrenz geboten ist.

Zur Begründung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes für eine Arztpraxis ist auf die Bedeutung des Umfelds für den Ertrag einer Arztpraxis abzustellen. Insbesondere dann, wenn eine Konkurrenz im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages im Haus oder in der Nachbarschaft noch nicht bestanden hat, liege die Annahme nahe, dass der bereits niedergelassene Arzt durch die Eröffnung einer konkurrierenden Praxis im selben Hause erheblich beeinträchtigt werde. Deshalb gehöre es zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache, dass dem ersten Mieter auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung der Schutz vor Konkurrenz gewährt werde.

Für einen vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz könne nichts anderes gelten. Durch die ausdrückliche Vereinbarung der Verpflichtung wird der geschuldete vertragsgemäße Gebrauch dahin konkretisiert, dass dem Mieter der von bestimmter Konkurrenz ungestörte Gebrauch der Mieträume eingeräumt wird.

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