Arzt und Recht - OUP 06/2014

Regelleistungsvolumen – medizinisch Notwendiges nicht konstant vergütet: eine Begründung

Rechtsanwalt Dr. Christoph Osmialowski, Fachanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe

Einleitung

Die Menge des zur Verteilung an die Vertragsärzte zur Verfügung stehenden Geldes ist begrenzt. Streitig ist, in welcher Höhe diese Menge Geldes von den Krankenkassen zur Verfügung zu stellen und wie diese zu verteilen ist. Es ist naheliegend anzunehmen, dass nach Möglichkeit zumindest die Menge Geldes zur Verfügung zu stellen ist, die für die konstante Vergütung (ohne Abstaffelung) medizinisch notwendiger Leistungen erforderlich ist.

Regelleistungsvolumen als Steuerungs- bzw. Budgetierungsinstrument werden seit dem 01.01.2012 durch den maßgeblichen § 87b SGB V n.F. nicht mehr zwingend vorgeschrieben. Die Kassenärztlichen Vereinigungen können bei der Verteilung vielmehr den Verteilungsmaßstab anwenden, der im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen festgesetzt worden ist. Gleichwohl verwenden Kassenärztliche Vereinigungen in ihren Honorarverteilungsmaßstäben nach wie vor Regelleistungsvolumen als Steuerungs- und Budgetierungsinstrument (vgl. Honorarverteilungsmaßstab der KV Baden-Württemberg in der Beschlussfassung der Vertreterversammlung vom 04.12.2013, gültig ab dem 01.01.2014).

Das im Folgenden dargestellte Urteil des Bundessozialgerichts zur (notwendigen) Höhe des Regelleistungsvolumens gibt eine Begründung zu Fragen, die sich auch viele an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Orthopäden und Unfallchirurgen stellen dürften.

Bundessozialgericht,
Urteil vom 11.12.2013,
Az. B 6 KA 6/13 R

Zum Sachverhalt

Im Streit steht die Höhe des dem Kläger zustehenden Regelleistungsvolumens (RLV).

Der klagende Arzt nimmt als Facharzt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KV) setzte das RLV seiner Praxis fest. Mit Widerspruchsbescheid gab die KV dem Widerspruch des Arztes teilweise statt und setzte den Fallwert der Arztgruppe vor Gewichtung anhand des Altersfaktors der Praxis neu fest; im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Hiergegen erhob der Arzt Klage.

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Sozialgericht unter anderem ausgeführt, ein Grundsatz, dass der RLV-Fallwert nur rechtmäßig sei, wenn dieser sämtliche medizinisch notwendigen Leistungen umfasse, sei der Regelung des § 87b SGB V a.F. nicht zu entnehmen. Das Landessozialgericht hat auf die Ausführungen des Sozialgerichts Bezug genommen und ergänzend unter anderem ausgeführt, der Vortrag des Arztes, die aufgrund des Gesetzes erlassene Gebührenordnung werde durch die Festlegung von RLV signifikant abgeändert, überzeuge nicht, weil die durchschnittliche Grundpauschale im streitgegenständlichen Quartal I/2009 abgedeckt werde.

Mit seiner Revision rügt der Arzt die Verletzung von Bundesrecht:

In der Sache verstoße das RLV gegen § 87b Abs. 2 SGB V a.F., da der ihm im Rahmen des RLV zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des EBM-Ä in keiner Weise abbilde.

Der Fallwert erreiche nicht einmal die in nahezu jedem Behandlungsfall zugrunde zu legende Grundpauschale.

Der seinem RLV zugrunde gelegte Fallwert staffele notwendige Leistungen, die jenseits der Grundpauschale zu erbringen seien, nahezu vollständig ab, ohne dass dies mit dem Ziel der RLV, eine „übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes“ zu verhindern, in Übereinstimmung zu bringen sei. Soweit er weitere Leistungen gemäß dem EBM-Ä erbringen müsse, erfülle dies schon nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben nicht den Tatbestand einer „übermäßigen Ausdehnung“ seiner Tätigkeit. Er habe nicht die Wahl, ausschließlich Leistungen der Grundpauschale zu erbringen.

Er berufe sich für seinen Honoraranspruch auf geltendes Recht, nämlich den EBM-Ä. Die Leistungen seien dort zutreffend bewertet. Die KV habe bei der Festsetzung des für das RLV maßgeblichen Fallwerts keine davon abweichende Bewertung vorgenommen. Der niedrige Fallwert habe ausschließlich mit dem „Honorartopf“ in den Vorjahren zu tun. § 87b SGB V enthalte keine Regelung, wonach die Bewertungen des EBM-Ä im Rahmen der RLV „außer Kraft“ gesetzt würden, sondern beziehe sich im Gegenteil in § 87b Abs. 2 SGB V a.F. ausdrücklich auf die Vergütung gemäß EBM-Ä. Der vorliegend festgesetzte Fallwert habe zur Folge, dass alle Leistungen des EBM-Ä unbeschadet ihrer Notwendigkeit „mit abgestaffelten Preisen“ vergütet würden, konkret in etwa mit einem Fünftel des von Gesetzes wegen garantierten Preises. Eine solche Korrektur sei insbesondere dann rechtswidrig, wenn man die Einführung der RLV als eine Maßnahme ansehe, die auf das Verhalten der Ärzte Einfluss nehmen solle. Die „Entwertung“ einer notwendigen medizinischen Leistung habe mit einer Mengensteuerung nichts zu tun.

Aus den Gründen

Die Revision des Arztes ist nach Auffassung des BSG nicht begründet.

Im Kern rüge der Arzt, dass das ihm zugewiesene RLV mit Fallwert die notwendigen medizinischen Leistungen seiner Praxis nicht annähernd abbilde, und dass die Leistungsbewertungen im EBM-Ä durch ein derart niedriges RLV konterkariert würden. Letztlich mache der Arzt damit geltend, dass das – nach den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zutreffend berechnete – RLV jedenfalls in seinen Auswirkungen nicht mit höherrangigem Recht im Einklang steht.

Das treffe jedoch nicht zu. Das ihm zugewiesene RLV verstoße weder gegen die gemäß § 87b Abs. 2 SGB V a.F. bei der Festlegung des RLV zu beachtenden Grundsätze noch gegen die in § 87 Abs. 2 SGB V normierten Regelungen über die Bewertung ärztlicher Leistungen. Auch der Grundsatz der angemessenen Vergütung vertragsärztlicher Leistungen sei durch die Festsetzung des RLV nicht verletzt worden. Schließlich könne der Arzt auch keine Rechte aus den Grundsätzen über die Beobachtungs- und Reaktionspflicht der KV herleiten:

§ 87b Abs. 2 Satz 2 SGB V a.F. definiere ein RLV als die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung gemäß § 87a Abs. 2 SGB V enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten ist. Abweichend sei die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Preisen zu vergüten; bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten könne hiervon abgewichen werden (§ 87b Abs. 2 Satz 3 SGB V a.F.).

  • Der gemäß § 87b Abs. 4 Satz 1 SGB V a.F. zur Bestimmung des Verfahrens zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs. 2 und 3 SGB V berufene Erweiterte Bewertungsausschuss hat in seiner Sitzung am 27./28.8.2008 unter Teil F einen entsprechenden Beschluss gefasst (DÄBl 2008, A-1988). Vereinfacht dargestellt ergebe sich die Höhe des arzt- und praxisbezogenen RLV aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert.
  • Ein Verstoß gegen § 87b Abs. 2 SGB V a.F. ergebe sich nicht daraus, dass – wie der Arzt meint – der ihm zugebilligte Fallwert notwendige Leistungen des EBM-Ä nicht hinreichend abbilde. Der Arzt gehe davon aus, dass sein RLV so hoch sein muss, dass die wesentlichen Leistungen seines Fachgebietes rechnerisch in jedem Behandlungsfall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten sind. Das mag der Idealkonzeption des Gesetzes entsprechen, sei jedoch nicht durchweg realisierbar, wenn die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen Grundlage der Berechnung der RLV sind. Das Grundsystem der Vergütung der Gesamtheit der vertragsärztlichen Leistungen durch die Krankenkassen mit einem – steigenden, aber grundsätzlich festen – Betrag sei nicht durchweg kompatibel mit der Vorstellung, eine bestimmte, den Großteil der vertragsärztlichen Leistungen auf einem bestimmten Fachgebiet umfassende Leistungsmenge je Fall mit festen Preisen zu vergüten.

Die Annahme des Arztes, dass das ihm zugewiesene RLV die notwendigen Leistungen „nicht abbilde“, wäre allerdings dann richtig, wenn man die RLV nicht allein als Leistungsmenge, sondern als garantiertes „Vergütungsvolumen“ ansieht.

  • Diese Sichtweise ließe aber außer Acht, dass eine Diskrepanz zwischen den gesetzlichen Regelungen zur Euro-Gebührenordnung und den Faktoren besteht, welche die Höhe des dem Arzt zugewiesenen RLV bestimmen. Den Anschein, dass das RLV einem Geldbetrag entspricht, der sich aus der Multiplikation der in das RLV fallenden Leistungsmenge mit den für die einbezogenen Leistungen geltenden Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung ergibt, erwecke auch die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/3100 S. 124 zu § 85b Abs. 2 SGB V): Danach erhalte der Arzt nach dem vorliegenden Modell für die im Rahmen des RLV erbrachten Leistungen die Preise der regionalen Euro-Gebührenordnung und nicht nur die Zusage auf eine Vergütung mit einem festen Punktwert. Das RLV einer Arztpraxis sei so zu bemessen, dass der einzelne Arzt in der Regel die medizinisch erforderlichen Leistungen im Rahmen seines RLV erbringen könne und er sie somit mit den vollen Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet bekomme (a.a.O. S. 124).
  • Das Gesetz enthalte jedoch keine diese Intention umsetzenden Berechnungsvorgaben für die RLV: Es gibt nicht vor, dass ein RLV anhand der mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung bewerteten Leistungsmenge zu berechnen ist. Maßgeblicher Faktor für die Höhe des RLV seien nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die tatsächlich gezahlten Gesamtvergütungen. Somit stelle das RLV nur im „Idealfall“ sicher, dass die von ihm erfasste Leistungsmenge in vollem Umfang mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet wird. Es sei keineswegs ausgeschlossen, dass der für die Vergütung der in das RLV fallenden Leistungen zur Verfügung stehende Gesamtvergütungsanteil hierfür nicht ausreicht.
  • Diese Diskrepanzen beruhen darauf, dass der Gesetzgeber die Vorgaben für die Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen – zum einen für die Berechnung der Gesamtvergütungen, zum anderen für die Ermittlung der vertragsärztlichen Honorare – nicht vollständig synchronisiert hat (vgl. zur Vergütung im Quartal I/2009 auch Senatsurteil B 6 KA 4/13 R vom 11.12.2013).
  • Die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden morbiditätsbedingten Gesamtvergütungen hätten die KVen zu vereinbaren. Hierzu hätten die Vertragspartner den mit der Zahl und der Morbiditätsstruktur der Versicherten verbundenen Behandlungsbedarf zu vereinbaren. Für die Höhe der Gesamtvergütungen maßgeblich ist mithin der vereinbarte Behandlungsbedarf, nicht hingegen das Punktzahlvolumen der tatsächlich abgerechneten Leistungen.
  • Entgegen der offenbar vom Arzt vertretenen Auffassung ist mit „Behandlungsbedarf“ im Sinne des § 87a Abs. 3 SGB V nicht das faktische Behandlungsaufkommen gemeint, sondern allein der durch Vereinbarung festgelegte Bedarf. Damit ist es durchaus denkbar, dass auch Leistungen, die nach Ansicht des Arztes „notwendig“ sind, nicht mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden können und müssen.
  • Der Umstand, dass die Höhe der von den Krankenkassen zu zahlenden Gesamtvergütungen gesondert zu vereinbaren ist, habe – in Verbindung mit dem Grundsatz, dass eine nachträgliche Erhöhung der Gesamtvergütungen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2012, Az. B 6 KA 28/11 R) – jedoch zur Folge, dass dann, wenn die tatsächlich abgerechnete Leistungsmenge die als Behandlungsbedarf vereinbarte Leistungsmenge übersteigt, eine „Vergütungslücke“ entsteht. Dies sei letztlich unvermeidbar, weil angesichts insgesamt begrenzter Mittel eine „Auffüllung“ der fehlenden Vergütungsanteile nur zu Lasten der übrigen Arztgruppen oder der freien Leistungen erfolgen könnte.

Das Gesetz gehe weiterhin von der Notwendigkeit aus, bei der Verteilung der Gesamtvergütungen regulierend einzugreifen. Ziel dieser Mengensteuerung sei weiterhin, den Vertragsärzten einerseits Kalkulationssicherheit zu geben und andererseits (durch Abstaffelungen) den ökonomischen Anreiz zur Leistungsausweitung zu begrenzen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az. B 6 KA 6/11 R).

  • Zielrichtung ist dabei nicht nur eine Begrenzung der Menge insgesamt, sondern auch eine Begrenzung des Umfangs der von einzelnen Arztgruppen erbrachten Leistungen, um zu verhindern, dass diese ihren Anteil an den zur Verteilung anstehenden Gesamtvergütungen zu Lasten anderer Arztgruppen erhöhen können.
  • In dem Umstand, dass aus den dargestellten Gründen nicht sichergestellt ist, dass die in das RLV fallenden Leistungen in jedem Fall mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden (oder das RLV umgekehrt nicht alle „notwendigen“ Leistungen umfasst), liege keine „gesetzwidrige“ Lücke, die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung zu füllen wäre. Wenn der Gesetzgeber für die Berechnung des RLV nicht die Preise der Euro-Gebührenordnung, sondern die Höhe der vereinbarten Gesamtvergütungen zum Maßstab genommen hat, habe er damit zwangsläufig in Kauf genommen, dass die angestrebte Vergütung aller in das RLV fallenden Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung nicht in jedem Fall erreicht werden kann. Im Übrigen sei dem Gesetzgeber insoweit ohnehin kein Spielraum geblieben, weil er andernfalls die Finanzierung der vertragsärztlichen Leistungen von Grund auf neu hätte regeln müssen. Die Vorgabe absolut fester Preise für eine bestimmte – zumindest bei zahlreichen Arztgruppen den größeren Teil der vertragsärztlichen Leistungen umfassenden – Leistungsmenge sei nicht kompatibel mit einer nach anderen Kriterien vereinbarten Gesamtvergütung. Durch die Einführung der MGV und der RLV habe sich nichts daran geändert, dass die Menge des zur Verteilung unter die Vertragsärzte zur Verfügung stehenden Geldes begrenzt ist.

Soweit der Arzt weiter rügt, dass RLV allein den Zweck hätten, eine „übermäßige Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis“ zu verhindern, nicht aber dazu dienten, notwendige Leistungen abzustaffeln, übersehe er zum einen, dass die „übermäßige Ausdehnung“ nicht allein arztindividuell, sondern auch fachgruppenbezogen zu betrachten ist, nämlich auch in dem Sinne, dass eine „übermäßige“ Ausdehnung des vergütungsrelevanten Leistungsumfangs durch eine Facharztgruppe zu Lasten anderer Arztgruppen verhindert wird. Zum anderen sei der Begriff der „übermäßigen Ausdehnung“ nicht auf die Fallgestaltungen beschränkt, dass der Arzt das „Praxisvolumen“ nur unter Verletzung der Pflichten zur sorgfältigen und persönlichen Behandlung bewältigen kann, also angesichts des Umfangs der abgerechneten Leistungen davon auszugehen ist, dass die einzelnen Leistungen nicht mehr in einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Art und Weise erbracht worden sein können und mithin Qualitätsmängel zu befürchten sind. Vielmehr erfasse er nunmehr alle Konstellationen, in denen – aus welchen Gründen auch immer – honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden (in diesem Sinne auch Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 12/13, § 87b Rdnr. 99).

Wenn der Arzt schließlich geltend macht, jedenfalls die über die Grundpauschalen hinausgehenden Leistungen würden nur noch (abgestaffelt) mit einem Fünftel des garantierten Preises vergütet, lasse er dabei (auch) außer Betracht, dass Mengenbegrenzungsregelungen nach der Rechtsprechung des Senats nicht dazu führen, dass die über die Grenze hinausgehenden Leistungen (mehr oder weniger) unvergütet bleiben, sondern lediglich die Höhe der Vergütung für jede einzelne der erbrachten Leistungen relativ absinkt (ständige Rechtsprechung des BSG).

  • Regelungen des Bewertungsmaßstabs über die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen bewirkten keine generelle Bindung des Normgebers der Honorarverteilung. Art und Umfang der Leistungen, wie sie im einheitlichen Bewertungsmaßstab festgelegt sind, bilden nicht das alleinige Verteilungskriterium; vielmehr könnten die KVen im Rahmen ihrer Satzungsautonomie ebenso wie die Gesamtvertragspartner im Rahmen des ihnen vom Gesetz eingeräumten Handlungsspielraums daneben auch andere Gesichtspunkte berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von Bewertungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs abgewichen wird.

Soweit der Arzt geltend macht, die Bewertungen des EBM-Ä würden durch die RLV unzulässiger Weise „außer Kraft“ gesetzt, gehe er schon von einer unzutreffenden Prämisse aus: Gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1 Teilsatz 1 SGB V bestimme der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander. Der EBM-Ä stelle damit keine – der Gebührenordnung für Ärzte vergleichbare – Gebührenordnung dar. Nach wie vor erfolge die Leistungsbewertung nicht in Euro-Beträgen, sondern in Punktzahlen. Einzig feststehende Größe sei – wie gesetzlich vorgegeben – das wertmäßige Verhältnis der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen zueinander.

Die Festsetzung des RLV verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung. Nach § 72 Abs. 2 SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung durch schriftliche Verträge der KVen mit den Verbänden der Krankenkassen so zu regeln, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Ein subjektives Recht auf höheres Honorar aus § 72 Abs. 2 SGB V i.V.m. Art 12 Abs. 1 GG komme erst dann in Betracht, wenn in einem fachlichen und/oder örtlichen Teilbereich kein ausreichender finanzieller Anreiz mehr besteht, vertragsärztlich tätig zu werden, und deshalb in diesem Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet sei (ständige Rechtsprechung des BSG). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Situation im Bereich der beklagten KV für die Facharztgruppe des klagenden Arztes in dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetreten sein könnte, seien nicht ersichtlich.

Fazit

Das Bundessozialgericht zeigt in diesem Urteil auf, dass eine konstante Vergütung der medizinisch notwendigen Behandlung nach den rechtlichen Vorgaben in erster Linie nur dann erfolgen muss, wenn Krankenkassen und KVen die medizinisch notwendigen Behandlungen auch als Behandlungsbedarf vereinbaren. Nur wenn diese Vereinbarung die tatsächlichen medizinisch notwendigen Behandlungen zutreffend abbildet, kann sich eine konstante Vergütung der tatsächlich medizinisch notwendigen Behandlung ergeben.

Das Bundessozialgericht stellt jedoch zudem klar, dass bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs auch „nach anderen Kriterien“ entschieden werden könne. Auch aus anderen Gründen – „aus welchen Gründen auch immer“ – könnten honorarbegrenzende Maßnahmen erforderlich werden. Es könnten „auch andere Gesichtspunkte“ berücksichtigt werden, die zu einer Abweichung von den Bewertungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs führen. Was mit diesen kryptischen Begriffen letztendlich gemeint sein kann und darf, lässt das Bundessozialgericht offen und verweist insofern auf den gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum von Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen.

Die Entscheidung bestätigt einmal mehr, dass mit rechtlichen Mitteln eine (höhere) konstante Vergütung medizinisch notwendiger Behandlungen nicht durchgesetzt werden kann. Lediglich im Einzelfall, wenn der Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung verletzt ist, ist eine Erhöhung der RLV-Festsetzung denkbar. Letztendlich obliegt es demnach den Kassenärztlichen Vereinigungen als Interessensvertretung der Vertragsärzte, bei der Vereinbarung des Behandlungsbedarfs mit den Krankenkassen in Anbetracht von deren Leistungsfähigkeit auf eine konstante Vergütung der medizinisch notwendigen Leistungen hinzuwirken.

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RA Dr. Christoph Osmialowski

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