Übersichtsarbeiten - OUP 06/2019

Schulter-Revisionsendoprothetik – Fakten und Zahlen

Gemäß der Registerdaten stellt dieser Typus als Hemi-(HEP) oder Totalprothese (TEP) nach wie vor die häufigste Versorgung dar. Hier fand sich die höchste kumulierte 10-Jahres-Überlebensrate bei anatomischer Totalprothese (0,96) gegenüber einer Schaft-Hemiprothese (0,93) und Oberflächenersatzprothese (0,85) [39]. Auch andere Studiendaten favorisieren die anatomische TEP hinsichtlich Standzeit, Komplikationsraten und funktionellem Ergebnis. Bei diesem Prothesentyp zeigten allerdings Patienten unter 55 Jahren generell schlechtere 10-Jahres-Überlebensraten [39].

Bei Analyse der Versagensgründe nach primärer anatomischer TEP fanden sich bei 1673 Revisionen am häufigsten ein Glenoidversagen (20,4 %) vor einem RM-Defekt (15,4 %), Schmerz/Gelenksteife (12,9 %), Instabilität (11,8 %), Infektion (9 %) und Humeruskomponentenlockerung (5,1 %) [46].

Glenoid

Die höchste Rate an prothesenbedingten Komplikationen findet sich am Glenoid in Form von radiologischen Lockerungssäumen und klinisch symptomatischen Lockerungen. So war z.B. ein Glenoidverschleiß mit 27 % (53/200) der häufigste Grund für eine Revision nach 6336 primären TEPs aller Typen nach durchschnittlich 3,3 Jahren [17].

In einer Metaanalyse von 21 Studien wurde für „metal-backed“ Glenoide eine deutlich höhere Revisionsquote gegenüber einem „All-PE-Glenoid“ (14 vs. 3,8 %) vorgefunden [37]. Zementlose Glenoide wiesen nach 5 Jahren mit 17,9 % vs. 3,7 % signifikant erhöhte generelle Revisionsraten gegenüber zementierten Glenoiden auf [36].

Bei Revision eines Glenoidversagens ist die Notwendigkeit eines Glenoidaufbaus zu prüfen. Über Erfolgsraten von 90 % nach 2,7 Jahren bei ein- oder 2-zeitigen Glenoidaufbau unter Verwendung eines autologen Beckenkammspan berichteten Gohlke et al. [20].

Schaft

In der Literatur finden sich erste Erfahrungen mit modularen Revisions-Humeruskomponenten bei humeralen Defekten [19]. Darüber hinaus gibt es Berichte über Allograft-Augmentationen bei Humerusdefekten nach primärer Schulter-TEP und inverser Revisions-TEP mit einer revisionsfreien Überlebensrate von 88 % nach 5 Jahren und 78 % nach 10 Jahren. Nach durchschnittlich 67,9 Monaten konnte ein signifikanter Anstieg des ASES-Scores von 33,8 auf 51,4 Punkte beobachtet werden [14].

Instabilität

Im Falle einer dorsalen Instabilität als Revisionsgrund nach anatomischer TEP erwies sich die dorsale Kapsel-Plikatur mit einer Quote von 31 % persistenter dorsaler Instabilität nach 68 Monaten als unbefriedigende Lösung. Stattdessen wurde in diesen Fällen eine inverse TEP empfohlen [2].

Durch Analyse von 359 revidierten primären anatomischen Hemiprothesen empfahlen Hackett et al. [22] schon bei der Primärimplantation eine gute Zentrierung der Humeruskomponente ohne Valgisierung, ein gutes Weichteilbalancing und im Zweifel eine direkte Glenoidimplantation. Bei Zweifeln an einer regelhaften Subscapularis- (SSC) und RM-Funktion sowie fraglicher Tuberositas-Integrität sollte eine primäre inverse TEP erwogen werden.

Nach Konversion einer Hemiprothese zu einer anatomischen TEP waren 81 % mit dem Ergebnis zufrieden oder sehr zufrieden. Die Komplikationsrate betrug 36 %, die neuerliche Revisionsquote 21 % (n = 21) [43].

In einer anderen Studie betrugen nach Konversion einer anatomischen TEP in eine inverse Revisions-TEP die 10 Jahres-Überlebensrate nach einer Glenoidlockerung 78,9 % versus 83,9 % nach knöchernem Glenoidaufbau. Eine Instabilitätsproblematik erwies sich in 5 von 8 Fällen als Ursache für eine wiederholte Revision [1]. Durch den Wechsel einer anatomischen TEP auf eine inverse TEP (n = 21) verbesserte sich in einer anderen Studie der Constant-Score hoch signifikant von 16,7 auf 55,9 Punkte nach durchschnittlich 46 Monaten (p < 0,001) [18].

Die Konversion einer Schaftprothese in eine inverse TEP war in einem gematchen Kohortenvergleich im funktionellen ASES-Ergebnis und Schmerzreduktion vergleichbar mit einer primären inversen TEP unabhängig vom Revisionsgrund (RM-Versagen oder Komponentenlockerung) bei allerdings signifikant schlechterer Patientenzufriedenheit und vermehrter Komplikationsrate (31 % vs. 13 %) [45]. In einer anderen Studie zeigten anatomische Primär-TEPs bei Revision durch eine inverse TEP gegenüber inversen Primär-TEPs nach 51 Monaten statistisch bessere Ergebnisse im Constant-Murley-Score (p < 0,05) mit einer Revisionsquote von 24 % (12/50) [35].

Fazit

Die hauptsächlichen Versagensmodi der anatomischen TEP (Glenoidversagen, RM-Defizienz, Instabilität) erfordern zusammenfassend häufig die Revision in Form einer „semi-constrainten“ inversen TEP. Instabilitäten können sich auch nach der Revision als hartnäckig erweisen. Typgleiche Revisionen einer anatomischen TEP sind möglich, aber selten erforderlich. Der Rückbau einer anatomischen TEP auf eine Hemiprothese, z.B. mit Großkopf, ist bei desolater Glenoidsituation möglich.

Revision nach inverser
Schulter-TEP

Die inverse Schulter-TEP hat seit ihrer Vorstellung 1993 (Grammont) das Indikationsspektrum sowohl bezüglich der adressierten Schulterpathologie als auch der Patientenkonstitution verändert. Heutzutage werden auch jüngere Patienten mit desolater Schulterpathologie (RM-Totaldefekte) mit einer inversen TEP versorgt. In Finnland fanden sich im Zeitraum von 2004–2015 Fallzahlsteigerungen von 4500 % [23]. Von einigen Autoren wird dieser Zeitraum auch als „Ära der inversen Schulter-TEP“ bezeichnet [48].

Die Überlebensrate nach inverser TEP nach 8 Jahren betrug 97 % und wurde von einem durch ROM- und Kraftverlust abnehmenden Constant-Murley-Score gegenüber dem 5-Jahres-Ergebnis begleitet [6]. Andere Daten beschreiben die kumulierte 10-Jahres-Überlebensrate mit 0,91 [30]. Prothesentypspezifische Komplikationsmuster (z.B. Scapula-Notching, Entkoppelung) sind zu verzeichnen.

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