Übersichtsarbeiten - OUP 01/2018

Sehnensonografie

Wolfgang Hartung1

Zusammenfassung: Die Sonografie eignet sich hervorragend als erste bildgebende diagnostische Methode für die meisten Sehnenpathologien. Die Vorteile des
Ultraschalls ergeben sich einerseits durch die hohe Auflösung und ausgezeichnete Weichteildarstellung, andererseits durch die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung. Zudem
erlaubt die Farb- bzw. Power-Doppler-Sonografie Rückschlüsse auf die entzündliche Aktivität der Erkrankung. Die sonografische Untersuchung ist somit der MRT an „diagnostischer Performance“ in den meisten Fällen überlegen. Wichtige Artefakte der Methode, wie z.B. das Phänomen der Anisotropie, müssen dem Untersucher bekannt sein. Sowohl entzündliche Veränderungen, wie Tenosynovialitiden, Enthesitiden als auch degenerative und verletzungsbedingte Läsionen können sicher erkannt werden. Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die aktuellen Möglichkeiten und Limitationen des diagnostischen Ultraschalls von Sehnenerkrankungen.

Schlüsselwörter: Ultraschall, Sehnen, Sonografie, Diagnostik, Sehnenverletzungen, Power-Doppler

Zitierweise
Hartung W: Sehnensonografie.
OUP 2018; 7: 014–020 DOI 10.3238/oup.2018.0014–0020

Summary: Due to it´s high resolution and the possibility of dynamic examination sonography should be the first imaging modality for the diagnosis of tendon pathologies. Furthermore nearly all tendons are readily accessible. With the help of power-Doppler mode inflammation is easy to indentify. Thus the diagnostic performance of sonography is even better than MRI. Nevertheless important artifacts like anistoropy have to be kept in mind. Tendon injuries, overuse as well as rheumatic disorders like enthesitis and tenosynovitis can be revealed by ultrasound. This chapter gives a brief overview of the feasibility, technique and limitations of current tendon sonography.

Keywords: ultrasound, tendons, ligaments, diagnostic,
sonography, power-Doppler

Citation
Hartung W: Ultrasound of tendons and ligaments.
OUP 2018; 7: 014–020 DOI 10.3238/oup.2018.0014–0020

Einleitung

Die Sonografie eignet sich hervorragend als erste bildgebende diagnostische Methode für die allermeisten Sehnenpathologien. Die Vorteile des Ultraschalls ergeben sich einerseits durch die hohe Auflösung und ausgezeichnete Weichteildarstellung, andererseits durch die Möglichkeit der dynamischen Untersuchung. In der Sonografie der Bewegungsorgane werden heute Frequenzen zwischen 5 und 22 MHz verwendet, wodurch eine axiale Auflösung bis unter 100 um erreicht wird. Somit ist die Sonografie der MRT in der Ortsauflösung um den Faktor 10 überlegen. Zudem demaskieren sich nicht selten erst durch die dynamische Untersuchung pathologische Sehnenveränderungen; sonografische Stabilitätstest tragen zusätzlich zur Objektivierung von eventuell behandlungsbedürftigen Sehnen- und Bandinstabilitäten bei.

Der Übergang von Sehnen in den Knochen – die Enthese – ist als Manifestationsort von immunologisch bedingten Störungen wie z.B. bei den Spondyloarthritiden, aber auch als Lokalisation von überlastungsbedingten Schäden zunehmend ins Bewusstsein gerückt. Auch hier kann die Sonografie einen substanziellen Beitrag zur Diagnose liefern.

Dieses Kapitel soll einen Überblick über die aktuellen Möglichkeiten der Sehnensonografie geben, aber auch die Fallstricke und Grenzen der Methode aufzeigen. Für eine detaillierte Beschreibung einzelner Pathologien wie z.B. Rotatorenmanschettenläsionen an der Schulter oder Bandrupturen am Sprunggelenk sei auf die entsprechenden Kapitel dieses Themenhefts verwiesen.

Anatomie und Sonoanatomie

Sehnen ermöglichen die Kraftübertragung von der Muskulatur zum Knochen und somit erst die Funktion der Bewegungsorgane. Sie gehören zu den bradytrophen Geweben, sind aber nichtsdestotrotz lebendes Gewebe, das sich an unterschiedliche Belastungssituationen anpassen kann. Dabei wirken schon bei normalen Belastungen erhebliche Kräfte auf die Sehnenstrukturen. So wirken z.B. auf die Achillessehne beim Laufen Maximalkräfte von über 9 kN, was in etwa dem 12-Fachen des Körpergewichts entspricht [1]. Sehnen bestehen überwiegend aus Typ-I-Collagenfasern, die gemäß dem Kraftvektor ausgerichtet sind und parallele Faserbündel bilden. Diese hierarchische lineare Ausrichtung der Sehnenfaszikel bedingt auch ihre typische Sonomorphologie und Echogenität. In longitudinaler Schallebene stellen sich Sehnen als echogene Strukturen mit typischer fibrillärer Echotextur dar (Abb. 1a). In transversalen Schallebenen bilden sich Sehnen als homogen gepunktete echogene Gewebe ab (Abb. 1b). Das Artefakt der Reflexumkehr (Anisotropie) ist bei Sehnengewebe am stärksten ausgeprägt und muss dem Untersucher unbedingt bekannt sein.

Typ-I-Sehnen wie z.B. die Achillessehne oder die Patellarsehne besitzen keine eigentliche Sehnenscheide, als Gleitschicht dient hier das Paratenon. Dieses stellt sich sonografisch als echoarmer feiner Saum um die Sehne dar. Typ-II-Sehnen zeichnen sich durch Sehnenscheiden aus, die aus einem äußeren und inneren Blatt und dem Mesotendineum bestehen. Diese anatomische Differenzierung lässt sich sonografisch vor allem bei tenosynovialitisch veränderten Sehnen differenzieren (Abb.2 a/b).

Untersuchungstechnik

Jede Sehne muss grundsätzlich in 2 Ebenen untersucht werden. Im Allgemeinen handelt es sich um einen longitudinalen und transversalen Schnitt. Zusätzlich muss die Sehne dynamisch in angespanntem und entspanntem Zustand beurteilt werden. Bei oberflächlich liegenden Sehnen sollte immer die höchstmögliche Frequenz verwendet werden, um eine möglichst gute Darstellung der Strukturen zu erreichen. So werden für die Beurteilung von Sehnen an der Hand Frequenzen von 10–20 MHz empfohlen.

Besteht der Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung sollte stets auch der Farb- oder Power-Doppler zur Anwendung kommen, um zusätzlich Aussagen über die Aktivität der Erkrankung zu erhalten. Auch hier sind die korrekten Presets zu wählen, um eine möglichst hohe Sensitivität zu erreichen. Dabei sollte die Pulswiederholungsfrequenz (PRF) zwischen 500 und 1000 Hz eingestellt sein, damit niedrige Flussgeschwindigkeiten erfasst werden können.

Artefakte und Fallstricke

Anisotropie

Die Anisotropie bezeichnet das Phänomen der Reflexumkehr. Nur wenn die Schallstrahlen im rechten Winkel auf die Sehnenstrukturen treffen, stellen sich diese homogen echogen dar, bei der geringsten Verkippung der Schallkopfs werden die Schallwellen schräg reflektiert, können vom Schallkopf nicht mehr erfasst werden und bedingen eine echoarme oder echofreie Sehne [2].

Im Bereich der Enthesen findet sich aufgrund der Anisotropie regelhaft eine echoarme Darstellung der Sehne, ohne dass hier eine Pathologie zugrunde liegt (Abb. 3). Die Beurteilung von Sehnenansatz-Läsionen bedarf deshalb einiger Erfahrung des Untersuchers.

Pathologische Veränderungen

Degenerative Sehnenpathologien

Bei degenerativen Veränderungen der Sehnen durch chronische Über- oder Fehlbelastungen kommt es zu Veränderungen der Sehnenstruktur durch die Einwirkung von Entzündungsmediatoren wie Leukotrienen und Prostaglandinen [3]. Sonografisch finden sich bei Tendinopathien neben einer regelhaften Verdickung der entsprechenden Sehne insbesondere ein Verlust der Echogenität und der fibrillären Echotextur [2]. In der akuten, oft schmerzhaften Phase lässt sich häufig eine deutliche peri- und intratendinöse Hypervaskularisierung nachweisen. Verdickungen der Retinakula führen ebenfalls zu Schmerzen und Funktionsstörungen. Hier sei beispielhaft nur der schnellende Finger genannt. Der Ultraschall kann hier zweifelsfrei die zugrundeliegende Pathologie, z.B. Ringbandverdickung, Sehnenknoten oder Ganglien feststellen (Abb. 4).

Entzündliche
Sehnenpathologien

Tenosynovialitiden

Die meisten entzündlich rheumatischen Gelenkerkrankungen betreffen nicht nur Gelenke, sondern vor allem auch periartikuläre Strukturen wie Sehnen und Bänder. Entzündungen der Sehnenscheiden sind oft die erste Manifestation einer rheumatoiden Arthritis und können mit dem Ultraschall bereits früh erkannt werden [4, 5].

Tenosynovialtiden stellen sich im B-Bild als echofreie oder echoarme Aufweitung der Sehnenscheide dar, die durch vermehrte Flüssigkeit oder Synovalisproliferation bedingt sein kann (Abb. 5a). Im Farb-Doppler finden sich vermehrt peritendinöse Farbsignale innerhalb der Sehnenscheide unterschiedlicher Ausprägung [6] (Abb. 5b).

Weiterhin lassen sich sonografisch bereits eingetretene Destruktionen der Sehnen sehr gut klassifizieren und erlauben eine Diagnosestellung und prognostische Beurteilung noch vor der eingetretenen Ruptur [7] (Abb. 6).

Traumatisch bedingte
Sehnenpathologien

Sehnenrupturen

Komplette Sehnenrupturen an Händen und Füßen lassen sich oft klinisch diagnostizieren. Allerdings erlaubt die Sonografie die genaue Lokalisierung der Rupturstelle und die Bestimmung der Ausdehnung des Defekts. Dies ist besonders bei Fragen der Operationsindikation bzw. des operativen Vorgehens hilfreich. Im Bereich der Schultern und der Sprunggelenke inklusive Achillessehnen können Sehnen und Bandläsionen sehr gut dargestellt werden, hier sei auf die entsprechenden Kapitel dieses Themenheftes verwiesen. Zudem hilft der Ultraschall auch bei der Planung der Nachbehandlung und Rehabilitation. Komplette Sehnenrisse demaskieren sich im Ultraschall als Diskontinuitäten über die gesamte Sehnendicke. In der dynamischen Untersuchung kann das Auseinanderweichen der Sehnenstümpfe hervorragend dokumentiert werden. Wichtig ist zu wissen, dass auch bei optimaler chirurgischer Rekonstruktion die Echotextur sich immer von einer gesunden Sehne unterscheiden wird. Auch durch die sorgfältigste operative Sanierung kann die streng lineare Ausrichtung der Sehnenfasern, die für die typische Echogenität verantwortlich ist, nicht mehr hergestellt werden.

Die Möglichkeit der sonografischen Funktionsuntersuchung bei Kapsel- und Bandläsionen im Bereich des Knie- und Sprunggelenks soll nicht unerwähnt bleiben. So können Instabilitäten bei Kreuzband- und Außenbandrupturen durch eine standardisierte Untersuchung objektiviert werden [8].

Enthesiopathien

Der Übergang einer Sehne, eines Bands oder einer Gelenkkapsel in den Knochen wird als Enthese bezeichnet. Sowohl mechanische Überbeanspruchung z.B. beim „Tennisellenbogen“ oder dem „jumpers knee“ als auch entzündlich-rheumatische Erkrankungen können erhebliche Veränderungen an den Enthesen bedingen. Zu den sonografischen Zeichen der Enthesiopathie im B-Bild werden eine echoarme Verdickung der Sehne am Ansatz, Verkalkungen, Knochensporne (sog. Enthesiophyten) und Erosionen gezählt. In der akuten Phase findet man im Power-/Farb-Doppler unter Umständen eine ausgeprägte peri- und intranenthesiale Hypervaskularisation. Von einer akuten Enthesitis darf nach der strengen OMERACT-Definition (Outcome Measures in Rheumatology) nur gesprochen werden, wenn sich die intratendinöse Gefäßinjektion unmittelbar an der Knocheninsertion befindet [9]. Allerdings zeigt die persönliche Erfahrung, dass eine definitive Unterscheidung zwischen akutem enthesialem Reizzustand durch Über- bzw. Fehlbelastung und immunologisch bedingter rheumatischer Enthesitis allein durch den Ultraschallbefund nicht gelingt (Abb. 7).

Interessenkonflikt: Keine angegeben.

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Wolfgang Hartung

Klinik und Poliklinik für Rheumatologie und klinische Immunologie

Asklepios Klinik Bad Abbach

Kaiser-Karl-V.-Allee 3

93077 Bad Abbach

w.hartung@asklepios.com

Literatur

1. Wang JH, Guo Q, Li B: Tendon biomechanics and mechanobiology – a minireview of basic concepts and recent advancements. J Hand Ther 2012; 25: 133–40, quiz 141

2. Rasmussen OS: Sonography of tendons. Scand J Med Sci Sports 2000; 10: 360–64

3. Wang JH: Mechanobiology of tendon. J Biomech 2006; 39: 1563–82

4. Krolak C, Wirth S, Hoepfner S et al.: [Systematic characterization of sonomorphological changes in the early stage of rheumatoid arthritis]. Ultraschall Med 2003; 24: 101–6

5. Wakefield RJ, O‘Connor PJ, Conaghan PG et al.: Finger tendon disease in untreated early rheumatoid arthritis: a comparison of ultrasound and magnetic resonance imaging. Arthritis Rheum 2007; 57: 1158–64

6. Naredo E, D‘Agostino MA, Wakefield RJ et al.: Reliability of a consensus-based ultrasound score for tenosynovitis in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis 2013; 72: 1328–34

7. Bruyn GA, Hanova P, Iagnocco A et al.: Ultrasound definition of tendon damage in patients with rheumatoid arthritis. Results of a OMERACT consensus-based ultrasound score focussing on the diagnostic reliability. Ann Rheum Dis 2014; 73: 1929–34

8. Schricker T, Hien NM, Wirth CJ. [Clinical results of sonographic functional studies of lesions of the capsule and ligaments of the knee and ankle joint]. Ultraschall Med 1987; 8: 27–31

9. Terslev L, Naredo E, Iagnocco A et al.: Defining enthesitis in spondyloarthritis by ultrasound: results of a Delphi process and of a reliability reading exercise. Arthritis Care Res (Hoboken) 2014; 66: 741–8

Fussnoten

1 Klinik und Poliklinik für Rheumatologie und klinische Immunologie, Asklepios Klinik Bad Abbach, Leitender Oberarzt, Kursleiter Stufe III DEGUM, Bewegungsorgane;
Sprecher des AK Bewegungsorgane der DEGUM; Sprecher des AK Sonographie der Dtsch. Ges. Rheumatologie, Sprecher AK Bewegungsorgane der DEGUM

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