Übersichtsarbeiten - OUP 05/2014

Skaphoidfraktur

P. Haensel1, K. Becker2

Zusammenfassung: Die Skaphoidfraktur als häufigste Fraktur der Handwurzel stellt noch heute ein Problem in Diagnostik und Therapie dar. Auf die aktuell notwendige frühestmögliche Diagnostik wird hingewiesen. Zudem werden Entscheidungshilfen für die Therapieauswahl mit der gebräuchlichsten Frakturklassifikation nach Herbert und Krimmer aufgezeigt. Die konservative Therapie der Skaphoidfraktur wird beschrieben und die etablierten operativen Verfahren werden dargestellt. Die doppelgewindige kanülierte Herbert-Schraube ermöglicht die derzeit optimale operative Versorgung.

Schlüsselwörter: Skaphoidfraktur, Dünnschicht-Computertomografie, Frakturklassifikation, Herbert-Schraube

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus dem Chirurgen
Magazin 4/2013, Seite 42–44

Abstract: The scaphoid fracture is the most frequent fracture of the carpus and still poses a diagnostic and therapeutic challenge. The currently required method for earliest possible diagnosis is outlined. We offer guidelines for decisions regarding therapy based on the fracture classification according to Herbert and Krimmer. We describe the conservative therapy for the scaphoid fracture as well as the established operative procedures. The double-thread Herbert-screw actually provides the optimal surgical treatment.

Keywords: scaphoid fracture, thin-layer computed tomography, classification of fractures, Herbert-screw

Einleitung

Die Fraktur des Kahnbeins stellt die häufigste Fraktur im Bereich der Handwurzel dar. Die Folgen der nicht diagnostizierten Fraktur am Kahnbein mit Ausbildung von Pseudarthrosen und von schweren Arthrosen mit einem folgenden karpalen Kollaps sind für die Funktion des Handgelenks schwerwiegend. Daher ist das Ziel der Therapie solcher Frakturen die anatomische Wiederherstellung.

Trotz des medizinischen Fortschritts wird diese Fraktur häufig nicht bzw. zu spät diagnostiziert. Das liegt aber auch oft an der nicht so ausgeprägten Klinik nach dem Unfall und den manchmal nicht eindeutigen röntgenologischen Befunden. Auch wird unter den Kollegen heute noch die Diagnostik und Therapie dieser Fraktur sehr unterschiedlich diskutiert.

Mit diesem Artikel wollen wir eine praxisrelevante Anleitung zur Diagnostik und Therapie der frischen Skaphoidfraktur geben. Aufgeführt werden die richtungsgebenden Diagnostika und therapeutischen Möglichkeiten. Auf hochspezialisierte Rekonstruktionen und Korrekturen von Pseudarthrosen sowie spätere Rettungsoperationen wollen wir in diesem Artikel bewusst nicht eingehen.

Anamnese: Genauen Unfallmechanismus klären

Der Sturz auf das überstreckte Handgelenk stellt die Hauptursache für eine Kahnbeinfraktur dar. Daher sollte man genau den Unfallmechanismus mit Stellung der Hand, Ausmaß und Richtung der Gewalteinwirkung und den Unfalltag erfragen. Auch die Eruierung alter Verletzungen oder Erkrankungen am Handgelenk ist bei der weiteren Festlegung der Therapie sehr wichtig. Ältere, verzögert heilende Frakturen oder Pseudarthrosen bedürfen einer anderen Therapie als frische Frakturen. Hier ist z.B. ein konservativer Ausheilungsversuch mit einem Gips auch über viele Wochen sinnlos.

Diagnostik und
Klassifikation

Zunächst erfolgt die genaue klinische Untersuchung des Handgelenks, wobei auf eine lokale Schwellung und einen Druckschmerz in der Tabatiere sowie über dem palmaren Tuberculum scaphoideum zu achten ist. Die verletzte Hand muss in die Hand des Untersuchers genommen werden!

Die bildgebende Diagnostik beginnt mit der exakten Röntgenaufnahme des Handgelenks in 2 Ebenen. Das „Navicularquartett“ ist nicht mehr unbedingt notwendig, es reicht völlig aus, als zusätzliche Aufnahme die nach Stecher durchzuführen (Abb. 1). Die zu untersuchende Hand wird zur Faust geballt und maximal ulnarduziert, wobei der betroffene Arm in der Schulter 90° abduziert und im Ellenbogen ebenfalls 90° gebeugt ist.

Als nächster Schritt kommt die Dünnschicht-Computertomografie in 0,5-mm-Schritten parallel zur Längsachse des Skaphoids. Eine virtuelle Rekonstruktion dieser Ebene mit der heutigen modernen Software der Computertomogramme ist abzulehnen, da so auch Frakturen übersehen werden können. Die Computertomografie weist eine hohe Spezifität auf und ist daher zur Klassifikation der Fraktur hervorragend geeignet. Der Nachteil liegt in der niedrigen Sensitivität, die bei einer MRT-Untersuchung sehr hoch ist. Die MRT-Untersuchung wiederum weist eine niedrige Spezifität auf, sodass sie für eine Frakturklassifizierung weniger geeignet ist, da oft falsch positive Befunde resultieren, z.B. beim „bone bruise“. Das MRT sollte nur bei Kindern wegen der nicht vorhandenen Strahlenbelastung und bei der Suche nach vorliegenden Weichteilverletzungen eingesetzt werden, z.B. begleitende Bandverletzungen. Eine Szintigrafie ist im chirurgischen Alltag nicht mehr erforderlich.

Bei der Klassifikation der frischen Kahnbeinfraktur hat sich die nach Herbert und Krimmer in der Praxis durchgesetzt, die sich auf die Computertomografie stützt. Die Typ-A-Frakturen stellen stabile Frakturen dar, bei den Typ-B-Frakturen handelt es sich um instabile Frakturen. Aus dieser Klassifikation kann man sicher die weitere Therapie ableiten und daher sollte möglichst vor jeder Therapieentscheidung eine Dünnschichttomografie ausgeführt werden. Sie ist natürlich auch für die OP-Planung sehr hilfreich (Abb. 2 und Tab. 1). Auf die Frakturen mit verzögerter Heilung bzw. Pseudarthrosen soll in diesem Artikel nicht eingegangen werden. Diese sind Thema einer noch folgenden Veröffentlichung.

Therapie: Überwiegend
operative Versorgung

In den letzten Jahren hat die operative Versorgung der Skaphoidfraktur aufgrund der Entwicklung der Herbert-Schraube, einer kanülierten Doppelgewindeschraube, rasant zugenommen (Abb. 3).

Aber welche Fraktur muss nun und welche Fraktur kann man verschrauben und gibt es noch konservative Indikationsstellungen?

Konservativ werden weiterhin die A1-und A2-Frakturen versorgt, die stabile Frakturen darstellen. Während die A1-Frakturen, die im Tuberculum scaphoideum lokalisiert sind, die Domäne der Gipsruhigstellung sind, besteht auch die Möglichkeit, A2-Frakturen operativ mit einer Schraube zu versorgen. Bei diesen Frakturen würde dann das Tragen des Gipses entfallen und somit dem Patienten ein höherer Komfort ermöglicht. Die Konsolidierung der Fraktur bedarf der gleichen Zeit bei einer operativ versorgten Fraktur wie bei einer konservativ behandelten. Lediglich werden bei den operativ behandelten Frakturen kürzere Arbeitsunfähigkeitszeiten erreicht.

Der angelegte Gips muss das Daumengrundgelenk mit ruhigstellen, die Fingergrundgelenke müssen frei sein und eine Oberarmlonguette ist nicht mehr erforderlich (Abb. 4). Bei der A1-Fraktur reicht eine Ruhigstellungszeit von 4 bis max. 6 Wochen, und bei der A2-Fraktur 6 bis höchstens 8 Wochen. Tragezeiten des Gipses über 12 Wochen sind nicht indiziert und die Notwendigkeit ist auch nie wissenschaftlich nachgewiesen worden. Röntgenkontrollen im Gips sollten nach 2 und 6 Wochen durchgeführt werden.

Alle anderen Frakturtypen (B1–B3) stellen eine OP-Indikation dar, da sie instabil sind (Abb. 5). Während es üblich ist, eine B3-Fraktur offen von proximal nach distal mit einer Minischraube zu fixieren (Abb. 6), kann auch eine Fraktur im mittleren Drittel (B1-und B2-Frakturen) antegrad über den gleichen Zugang sicher verschraubt werden. Der übliche Zugang am Handgelenk ist der distale palmare, wobei die Schraube über das Tuberculum scaphoideum nach proximal eingebracht wird (Abb. 7).

Bei nicht verschobenen Frakturen ist auch eine transkutane Applikation der Schraube von distal nach proximal gut möglich (Abb. 8). Nach einer transkutanen Verschraubung ist eine postoperative Ruhigstellung in einer Gipslonguette nicht erforderlich, und bei der operativen Versorgung der übrigen Frakturen kommt es auf die erreichte Stabilität an und es ist durchaus zweckmäßig, diese dann 2–4 Wochen nochmals ruhig zu stellen. Die Ruhigstellung dient auch gleichzeitig der Schmerzprophylaxe.

Unsere Bemerkungen zur Diagnostik und Behandlung der Skaphoidfraktur hören sich zwar einfach an, aber das Feststellen einer Fraktur, insbesondere der proximalen Skaphoidfraktur, kann sich oftmals sehr schwierig gestalten. Auch kann die exakte Positionierung der Herbert-Schraube erhebliche Probleme machen, sodass erste Zentren Schrauben mithilfe der Navigation einbringen.

Korrespondenzadresse

Dr. Peter Haensel

Maveus Praxisklinik für Hand-, Fuß- und Gefäßchirurgie

Goethestraße 5–7, 09119 Chemnitz

dr.haensel@maveus.de

Dr. Karsten Becker

Handchirurgische Praxisklinik
Peinerstr. 2 , 30519 Hannover

dr.becker@handchirurgie-peinerstr.de

Literatur

1. Schädel-Höpfner M et al. Behandlung von Handwurzelfrakturen. Unfallchirurg 2010; 113: 741–756

2. Towfigh H et al. Handchirurgie. Band 1. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag, 2011. 670–695

3. Krimmer H et al. Kahnbeinfrakturen – Diagnostik, Klassifikation und Therapie, Unfallchirurg 2000; 103: 812–819

Fussnoten

1 Maveus Praxisklinik für Hand-, Fuß und Gefäßchirurgie, Chemnitz

2 Handchirurgische Praxisklinik Hannover

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